Seitenblick - Wieviel Überwachung braucht der Mensch?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2015/07

     

«Die Nachrichtendienste dieser Welt sammeln sowieso Daten». So lässt sich Nationalrat Ruedi Noser zitieren. Nun, damit mag er sicherlich recht haben. Ob er auch recht hat, wenn er das Büpf ablehnt und ein Referendum gegen das Büpf unterstützt, darüber scheiden sich in unserer Branche im Moment die Geister.
Dass das Internet mit seinen vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten auch rege von Kriminellen genützt werden kann, ist offensichtlich. Dass die heutige Gesetzgebung diese neuen Technologien nicht berücksichtigt und damit die Strafverfolgungsbehörden mit ungleichen Waffen auf Verbrecherjagd gehen müssen ebenfalls.

Im Zentrum des neuen Gesetzes stehen deshalb die neuen Möglichkeiten, wie Menschen in Zukunft legal vom Staat überwacht werden dürfen. Dazu gehört die Verpflichtung von Providern (alle! nicht nur die grossen Infrastruktur- und Telekom-Anbieter) die Datenkommunikation ihrer Kunden aufzuzeichnen und aufzubewahren. Auch dürfen Strafverfolgungsbehörden in Zukunft unsere Computer mit Schadsoftware infizieren, um uns zu überwachen.
Der Wunsch nach mehr Sicherheit und Schutz vor Verbrechen kollidiert in dieser Debatte frontal mit der Sehnsucht nach Privatsphäre, Freiheit und weniger Staat.
Neben dieser ideologischen Debatte geht es hier auch um handfeste ökonomische Interessen und Herausforderungen. Denn mit dem neuen Gesetzt wird faktisch jeder Betreiber von IT- oder Netz-Infrastruktur verpflichtet, massive Investitionen in Überwachungstechnologie vorzunehmen. Dies ist für kleinere Unternehmen in der Praxis nicht machbar.
Die grossen Telcos haben sich anscheinend damit abgefunden oder sind bereits daran gewöhnt, denn anders ist es nicht zu erklären, wieso die ASUT letztlich den Gesetzesvorschlag unterstützt.

Völlig unbewiesen – und dies ist für mich eigentlich das wichtigste Argument – ist allerdings, ob diese Vorhaben wirklich etwas bringen. Technisch verbildet bin ich nämlich der Meinung, dass wir mit diesen Instrumenten das Leben von Kriminellen zwar etwas schwerer machen, überwachen werden wir sie aber nicht wirklich können.
Hätte ich die Gewissheit, dass Gewaltdelikte verhindert, unsere Kinder besser geschützt und Drogen- und Wirtschaftskriminalität deutlich reduziert werden könnten, so würde ich das Büpf und auch eine intensivere Nutzung dieser neuen Möglichkeiten unterstützen.
Da ich aber nicht an den grossen Nutzen dieser Überwachung glaube, finde ich es ökonomischen Unsinn, unsere Industrie mit diesen Auflagen träge und teuer zu machen. Und als Bürger meine Privatsphäre aufzugeben und mich potentieller Behördenwillkür auszusetzen, dazu bin ich bei dem geringen Nutzen erst recht nicht gewillt.


Dr. Thomas Flatt ist Präsident swissICT, Unternehmer, Berater und Verwaltungsrat


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