iPhone 14 Pro im Test: Reif für die Insel
Quelle: Apple

iPhone 14 Pro im Test: Reif für die Insel

Anstatt eines simplen Lochs für die Frontkamera bringt das iPhone 14 Pro Dynamic Island – eine ins UI integrierte pillenförmige Aussparung für Selfiecam und Sensoren. Ausserdem neu: Ein Always-on-Display und eine 48-MP-Kamera. Genug Argumente für einen Kauf? Wir haben getestet.
28. September 2022

     

Fans des iPhones werden sich erinnern, als Apple vor zwei Jahren das iPhone 12 in vier Varianten und vor allem in einem neuen, kantigen Design veröffentlichte, das an frühere Zeiten erinnerte und alleine schon als Kaufargument herhalten konnte. Dann kam das iPhone 13, und nicht ganz zu Unrecht wurde moniert, dass der iPhone-12-Nachfolger früher bestenfalls als iPhone 12S auf den Markt gekommen wäre – angesichts der überschaubaren Anzahl an sicht- respektive spürbaren Neuerungen. Fairerweise muss man aber festhalten, dass wir insbesondere das 120 Hz Display des iPhone 13 Pro nicht mehr missen möchten und die Kamera doch einiges besser wurde.


Nun ist das iPhone 14 erschienen, das wir ebenfalls in der Variante Pro zum Test erhalten haben, und wie bereits im Vorjahr müssen wir gleich zu Beginn festhalten, dass die ganz grosse Revolution erneut ausbleibt. Im Wesentlichen liefert Apple mit dem iPhone 14 Pro drei wichtige Neuerungen – die Kamera- und Sensoren-Aussparung im Frontdisplay, Dynamic Island genannt, das Always-­on-Display und das aufgewertete Kamera-­Setup.

Spät, dafür anders

Während Android-Handys schon seit geraumer Zeit mit dezenten Löchern für die Frontkamera im Display bestückt sind, hat Apple bis anhin auf den sogenannten Notch gesetzt, eine relativ grosse Ausbuchtung oben am Display. Mit dem iPhone 14 wird dieser Notch zumindest bei den beiden Modellen Pro und Pro Max nun durch einen pillenförmigen Balken ersetzt, den Apple Dynamic Island nennt und in dem die Frontkamera und die Sensoren für Face-ID Platz finden. Das ist zwar nicht dezent, doch Apple schafft es, die Aussparung mehr sein zu lassen als nur eine technische Notwendigkeit. Vielmehr wird die Pille mit ins User Interface einbezogen. Hört man zum Beispiel Musik via Spotify oder Apple Music und wischt die App weg, verschwindet diese nicht einfach, sondern nistet sich rund um die Pille ein und zeigt links ganz klein das Album Cover und rechts in passender Farbe dazu einen Equalizer. Drückt man dann kurz auf die dynamische Insel, öffnet sich wieder die App, während ein längerer Druck ein kleines Fenster mit den wichtigsten Steuerbefehlen analog eines Widget öffnet. Hierzu ist anzufügen, dass in unserem Verständnis die umgekehrte Belegung mehr Sinn gemacht hätte – also kurze Berührung für die Widget-Ansicht, eine lange Berührung für die komplette App. Auch andere Anwendungen nutzen Dynamic Island, etwa die Timer-Funktion, bei der die verbleibende Zeit permanent rechts neben der Pille angezeigt wird, oder Apples Karten-Anwendung, wo die Navigation rund um die Kamera-­Aussparung angezeigt werden kann. Natürlich ist Dynamic Island in erster Linie eine Designspielerei. Doch Apple schafft es, die notwendige Aussparung in der Front ins Gesamterlebnis zu integrieren, was im Vergleich mit dem schwarzen Loch, das sich als Punch Hole in den meisten Android-Geräten findet, halt schon deutlich eleganter ist. Und: Apple gibt die Schnittstelle für Dynamic Island auch für Drittentwickler frei, es dürfte somit spannend werden, was diese sich hier noch einfallen lassen.

Die nächste Neuerung ist das Always-­on-Display – etwas, das Android-Smartphone-Besitzer schon seit langem kennen. Auch hier ist Apple spät, geht dafür aber andere Wege als die Mitbewerber. Denn auf dem iPhone 14 Pro werden nicht einfach nur die Ziffern der Uhr und das Datum permanent angezeigt, sondern der gesamte farbige Sperrbildschirm inklusive der darauf verteilten Widgets, die mit iOS 16 eingeführt wurden – einfach in heruntergedimmtem Modus. Das ist für jemanden, dessen Handy im ungenutzten Zustand bislang dunkel war, ungewohnt, und so wirklich anfreunden können wir uns mit dem dauergedimmten Display auch nach einer Woche des Testens nicht. Irgendwie wirkt das Display permanent ablenkend, und wir hätten uns zumindest gewünscht, dass man selbst definieren kann, wie viel Display «always on» sein soll – uns hätte die Zeitanzeige gereicht. Immerhin: Wer sich mit dem Always-on-Display gar nicht anfreunden kann, hat die Möglichkeit, es komplett zu deaktivieren.


Übrigens: Das iPhone 14 Pro merkt, wenn es in der Hosen- oder Handtasche verschwindet, dann wird das Display nämlich ganz ausgeschaltet. Und wird eine Apple Watch am Handgelenk getragen, merkt das iPhone, wenn sich sein Besitzer einige Meter von ihm wegbewegt, und schaltet das Display ebenfalls aus. Auf die Akkulaufzeit wirkt sich das Display, das immer an ist, nicht merklich aus, wohl auch dank des neuen A16 Bionic SoC, der vor allem effizienter als sein Vorgänger sein soll.

Die Kamera

Das dritte grosse Highlight des iPhone 14 Pro ist laut Apple das neu gestaltete Kamerasystem mit seiner 48-Megapixel-­Hauptkamera, bei der vier Pixel in einem virtuellen Pixel zusammengefasst werden – genannt Pixel Binning. Zuallererst fällt aber auf, dass das Kameramodul, bereits beim iPhone 13 Pro nicht dezent, nochmals wuchtiger geworden ist, deutlich mehr aus dem Gehäuse hervorsteht und ausserdem mehr Fläche belegt. Das ist auch der Grund, weshalb iPhone-13-Pro-Hüllen nicht aufs iPhone 14 passen. Und das ebenfalls vorstehende Kameramodul des iPhone 12 Pro wirkt im Vergleich mit dem aktuellsten Modell geradezu filigran.

Der neue 48-MP-Sensor soll mehr Licht erfassen, was insbesondere bei Nachtaufnahmen bessere Bilder entstehen lassen soll. Ausserdem ist es möglich, im RAW-Format die vollen 48 Pixel zu nutzen, während die Bilder ansonsten durch das Pixel Binning auch «nur» 12 Mega­pixel aufweisen. Um zu prüfen, um wie viel besser Fotos mit dem iPhone 14 Pro werden, haben wir uns auf Fotopirsch zusammen mit einem iPhone 13 Pro und einem iPhone 12 Pro gemacht. Je nach Motiv war es dabei echt schwierig, Unterschiede zwischen den gemachten Fotos zu finden. Bei technischen Geräten, Kuchen oder Kaffee, die wir in bei Tages- und künstlichem Licht in einem Kaffeehaus aufgenommen haben, finden wir kaum Unterschiede – abgesehen bei Makro-­Aufnahmen, die das iPhone 12 Pro noch nicht beherrschte. Bei schwierigen Landschaftsaufnahmen (Gegenlicht, Morgennebel) zeigt das iPhone 14 Pro erstmals seine Stärken. Im Vergleich mit den Fotos des iPhone 13 Pro haben die iPhone-14-Pro-Bilder sichtbar mehr Dynamik und Kontrast. Sie wirken ausserdem etwas wärmer. Bei Nachtaufnahmen findet man vor allem Unterschiede, wenn man die Fotos des iPhone 13 Pro und 14 Pro mit denen des iPhone 12 Pro vergleicht, die – wenn auch auf hohem ­Niveau – etwas abfallen. Im Vergleich zum iPhone 13 Pro bringt das iPhone 14 Pro noch einen Ticken mehr Licht auf die Bilder, und erneut wirken die Bild wärmer – die ganz grossen Unterschiede bezüglich Schärfe, Kontrast oder auch Bildrauschen sucht man vergebens. Wo das iPhone 14 Pro sichtbar bessere Nachtaufnahmen schafft ist einerseits bei Aufnahmen mit dem Weitwinkelobjektiv sowie vor allem bei Selfies mit der Frontkamera – die neu übrigens einen Autofokus besitzt. Doch allein die Kamera rechtfertigt kein Upgrade vom iPhone 13 Pro aufs 14 Pro.


Erwähnenswert bezüglich Kamera ist noch der neue Action-Modus bei Videoaufnahmen – eine Art extremer Bildstabilisator, der selbst beim Joggen Videos ohne Wackeln hinkriegt und recht beeindruckend ist, sich allerdings negativ auf die Bildqualität auswirkt.

Hausaufgaben für 2023

Nebst Dynamic Island, dem Always-on-­Display und der neuen Kamera verspricht Apple eine ganze Reihe von weiteren Neuerungen und Verbesserungen für das iPhone 14 Pro. So soll beispielsweise das Display bis zu doppelt so hell sein wie beim iPhone 13 Pro, was sich insbesondere bei direkter Sonneneinstrahlung auswirken soll. Doch ganz ehrlich? Im Vergleich mit dem iPhone 12 Pro war ein gewisser Helligkeitsvorteil sichtbar, doch im Vergleich mit dem iPhone 13 Pro wirkt das Display des iPhone 14 Pro von blossem Auge identisch, auch bei direktem Sonnenlicht und beim Anschauen von besonders hellen Bildern oder beim Abspielen von HDR-Content.

Ein neuer Aufprallsensor soll in der Lage sein, bei einem Autounfall automatisch Alarm zu schlagen, ein Feature, das wir aus verständlichen Gründen nicht getestet haben. Zudem ist das iPhone 14 Pro vorbereitet, in Gegenden ohne Handy­empfang einen Notruf via Satellit zu tätigen – diese Funktion wird hierzulande aber erst später eingeführt, der Zeitpunkt steht noch aus.


Vermisst haben wir beim iPhone 14 Pro in erster Linie zwei Dinge. Erstens: den Abschied vom proprietären und damit nicht länger zeitgemässen Lightning-­Anschluss. Die ganze Welt nutzt USB-C, nur Apple hält an der eigenen Schnittstelle fest – zumindest noch in diesem Jahr. Und zweitens: Das iPhone 14 Pro kann wie sein Vorgänger mit maximal 20 Watt via Kabel beziehungsweise 15 Watt kabellos geladen werden. Das ist ebenfalls nicht mehr zeitgemäss, bieten selbst Mid-range-Android-Geräte heute doch zum Teil die x-fache Ladeleistung, was zur Folge hat, dass gewisse Android-­Handys in weniger als einer halben Stunde vollgeladen sind, während das iPhone in 30 Minuten gerade einmal 50 Prozent des Akkus füllt. Hier muss ­Apple aufs kommende Jahr hin ebenfalls nachbessern.

Von diesen beiden Wermutstropfen abgesehen liefert Apple mit dem iPhone 14 Pro erneut ein State of the Art Smartphone, das bezüglich Fotografie ähnlich wie sein Vorgänger absolut top ist und neue Ansätze rund um die Themen Kamera-­Aussparung und Always-on-­Display liefert. Lohnt sich für Besitzer ­eines iPhone 13 Pro das Upgrade? Natürlich nicht – dazu sind die Unterschiede zu gering, und der Preis ist zu hoch. Selbst Besitzer eines iPhone 12 Pro müssen sich Argumente zusammenklauben, um die mindestens 1179 Franken für das neue Pro-Modell rechtfertigen zu können. Alle, die ein älteres iPhone besitzen, dürfen aber bedenkenlos zuschlagen – sie kriegen ein Smartphone, mit dem sie mindestens für die nächsten drei Jahre wieder in der obersten Liga mitspielen. (mw)
Quicktest
Die Zeiten, in denen man sein Smartphone jährlich ersetzt, dürfte für das Gros der Konsumenten vorbei sein. Mit dem iPhone 14 Pro liefert Apple denn auch wenig Argumente für Besitzer des Vor- oder Vorvorgängermodells zu wechseln. Dazu sind die Neuerungen zu marginal. Wer aber vom iPhone 11 oder älter kommt, wird am iPhone 14 Pro seine Freude haben – und im Vergleich zum nur 250 Franken günstigeren iPhone 14 (ohne Pro-Zusatz) bekommt man immerhin einige Neuerungen geboten – denn beim iPhone 14 gibt es weder das Always-on-­Display noch Dynamic Island, ja noch nicht mal den neuen A16-Chip.

Info/Hersteller: Apple, www.apple.com/ch

Wertung: 5,5 von 6 möglichen Sternen



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