Nachhaltig vs. kommerziell - ein Praxistest
Quelle: Oppo, Recommerce

Nachhaltig vs. kommerziell - ein Praxistest

Mit dem Rephone bietet die Schweizer Firma Recommerce ein nachhaltiges Smartphone, das in Deutschland unter fairen und umweltfreundlichen Bedingungen hergestellt wird. Ein Praxistest soll zeigen, ob das Rephone mit einem aktuellen Gerät eines der Marktführer, dem Oppo Reno8 Lite, mithalten kann.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2022/07

     

Die Schweizer Firma Recommerce, die als Pionier in der Wiederaufbereitung von Elektrogeräten gilt, geht einen Schritt weiter und präsentiert mit dem Rephone ein hauseigenes, auf Nachhaltigkeit getrimmtes Smartphone. «Nachhaltigkeit ist die Basis all unserer Überlegungen. Und das haben wir in Produktion, Transport, Verkauf, Reparatur und Entsorgung mit eingeplant und umgesetzt», lässt der Hersteller im Hinblick auf das Gerät verlauten. Und dieses Versprechen endet nicht bei einem austauschbaren Akku. Die in der Schweiz und Deutschland entstandene Idee wird nämlich auch lokal und nachhaltig umgesetzt. So besteht die Rückseite des Rephone aus 100 Prozent Rezyklat, das in Nürnberg gewonnen wird. Die dazugehörige Grasverpackung kommt aus Schleswig-Holstein und ist recycel- sowie gar kompostierbar. Allgemein wird das Smartphone in Deutschland produziert. «Nur so können wir Arbeitsbedingungen und Produktionsmethoden kontrollieren und sicherstellen, dass unsere Anforderungen an Fairness und Nachhaltigkeit erfüllt werden.» Ganz ohne Zulieferer aus Asien kann aber auch das Rephone nicht existieren, dafür fehlen schlichtweg die technologischen Alternativen. Doch es ist die Idee, die zählt. Um dennoch Klimaneutralität zu erreichen, recycelt Recommerce für jedes produzierte Rephone ein Altgerät und kompensiert das restliche CO2 über anerkannte Klimaschutzprojekte.


Nachhaltigkeit ist aber längst nicht alles – ein Smartphone definiert sich auch über seinen Praxisnutzen. Die Hersteller des Rephone versprechen neben CO2-Neutralität und lokaler Produktion deshalb auch Leistungsfähigkeit. Inwiefern dieses Versprechen zutrifft, soll in einem Vergleichstest mit einem kommerziellen Smartphone derselben Preisklasse getestet werden: Aus diesem Grund unterzog die Redaktion von «Swiss IT Magazine» das Rephone einem Vergleichstest mit dem Oppo Reno8 Lite – dem aktuellsten Mittelklasse-Smartphone des weltweit viertgrössten Smartphone-Herstellers Oppo.

Der erste Eindruck täuscht nicht

Auf den ersten Blick kann das Rephone mit der Kartonverpackung und der Grashülle überzeugen. Einmal ausgepackt, zeigen sich aber bereits die ersten Nachteile einer auf Nachhaltigkeit ausgelegten Strategie: Der wechselbare Akku braucht Platz, weshalb das Rephone nicht gerade schlank und leicht ist – die 208 Gramm sind deutlich spürbar. Weiter wirkt die Rezyklat-Rückseite als billige Plastikhülle und der Übergang zwischen dem Display und der abnehmbaren Rückseite ist kaum zu übersehen. Hier kann das Rephone nicht mit dem Reno8 Lite mithalten. Dieses ist deutlich schlanker, handlicher sowie leichter (173 Gramm) und gefällt mit seiner schön verbauten Polycarbonat-Rückseite.


In Sachen Display sind zwischen dem Rephone und dem Reno8 Lite erstmal keine grossen Unterschiede zu verzeichnen. Das Rephone kommt mit einem 6,3-Zoll-Display, während das Reno8 Lite ein Display von 6,43-Zoll bietet. Die Displays lösen mit 2340 x 1080 (Rephone) und 2400 x 1080 (Reno8 Lite) Pixeln auf und verfügen je über 60 Hz, was bei beiden Smartphones für scharfe Bilder und weitgehend flüssige Abläufe sorgt. Das Ganze wirkt beim Reno8 Lite aber alles etwas besser: Das AMOLED-­Display stellt die Bilder schärfer dar und bietet insbesondere ein deutlich natürlicheres und angenehmeres Farberlebnis. Die Bildqualität des Rephone ist zwar fast ebenbürtig, doch die Farben wirken auf dem IPS-Display hell, etwas grell und unnatürlich. Weiter stösst das Rephone mit seinen 460 Nits bei Sonnenlicht schnell an seine Grenzen und selbst bei höchster Helligkeitsstufe kann es schwierig sein, Details zu erkennen. Das Reno8 Lite bietet 600 Nits und damit ein einfacheres Bedienen unter Sonneneinstrahlung.

Fast, aber nicht ganz

Bei der Performance kann das Rephone nicht mit dem Reno8 Lite mithalten, verfügt Letzteres doch auf dem Papier über die leistungsstärkere Hardware. In einem Benchmark-Vergleich der beiden Prozessoren von «Nanoreview» schneidet der Qualcomm Snapdragon 695 des Reno8 Lite in sämtlichen Belangen deutlich besser ab als der Helio Mediatek G85 des Rephone – ein Overall Score von 51 zu 33 spricht eine deutliche Sprache. Weiter verfügt das Reno8 Lite mit 8 GB RAM über einen um 2 GB grösseren Arbeitsspeicher. Letztlich wirkt sich dies aber nicht allzu sehr auf die alltägliche Nutzung aus. Mag mobile Gaming oder ausgeprägtes Multitasking am Reno8 Lite etwas flüssiger ablaufen, so sind im Alltagsgebrauch kaum Unterschiede zu verzeichnen. Hier liefern beide Smartphones genügend Leistung für eine flüssige und benutzerfreundliche Bedienung.


Die leistungsstärkere Hardware des Reno8 Lite zeigt sich auch bei der Akkulebensdauer. Die Leistung des Akkus der beiden Modelle unterscheidet sich trotz gleicher Ausgangslage – beide haben eine 4500-mAh-Batterie verbaut – deutlich. Bei Dauerbelastung durch ein Video in Endlosschleife hält das Rephone nicht ganz 14 Stunden durch, während das Reno8 Lite an der 20-Stunden-Marke kratzt. Beide Smartphones halten bei alltäglichem Gebrauch jedoch problemlos zwei Tage durch. Wenn es ans Aufladen geht, hat das Reno8 Lite erneut die Nase vorn: In etwas mehr als einer Stunde ist der Akku wieder voll aufgeladen. Das Rephone benötigt hierfür an die drei bis vier Stunden, kann dafür aber kabellos aufgeladen werden.

Gut, aber gelb

Das Dual-Kamerasystem des Rephone ist nahtlos in die Rückseite eingefügt und sticht entgegen den Kameras des Reno8 Lite nicht wie Herdplatten aus dem Gehäuse heraus. Das Design gefällt, doch wie verhält es sich mit der Bildqualität?

Beide Smartphones verfügen über 64-MP-Haupt- und 16-MP-Frontkameras. Dennoch liefern die beiden Kamerasysteme unterschiedliche Qualität. Bei Tageslicht liefert die Hauptkamera des Rephone auf den ersten Blick die besseren Bilder, die Kontraste sind stärker und mehr Details sind zu erkennen. Die Bilder des Reno8 Lite wirken dagegen verwaschen; Farben und Details wirken auf den ersten Blick verloren. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich jedoch ein völlig anderes Bild: Zoomt man in das Bild hinein und vergleicht dann den Detailreichtum und die Farbqualität, wendet sich das Blatt – das Reno8 Lite schiesst nun die deutlich hochwertigeren Bilder. Ausserdem haben sämtliche Bilder des Rephone einen leichten Gelbton, was sich auch bei den Aufnahmen mit der Frontkamera zeigt, wo ansonsten zwischen den beiden Modellen keine qualitativen Unterschiede zu verzeichnen sind (Bild 1).


Letzterer Eindruck ergibt sich auch für Makroaufnahmen. Die 2-MP-Makro­kamera des Reno8 Lite schiesst schärfere Nahaufnahmen mit mehr Kontrast als die 64-MP-Hauptkamera des Rephone ‒ allerdings erst ab einer Mindestdistanz von 4 Zentimeter, darunter sind die Aufnahmen verschwommen (Bild 2).

Zu guter Letzt steht mit Nachtaufnahmen noch die Königsdisziplin an. Hier lässt sich ein klares Fazit ziehen: Die Kamera des Rephone unterliegt chancenlos – auch wegen des Gelbtons. Das Reno8 Lite liefert verhältnismässig scharfe, detaillierte und farbgetreue Nachtaufnahmen. Die Aufnahmen sind hell, weisse Farbe oder Beleuchtung stechen hervor und wirken naturgetreu (siehe Bilder). Die Bilder des Rephone sind deutlich dunkler und der Gelbton wirkt hier wie ein Filter, der das Bild noch unschärfer macht – wie ein Flimmern liegt er über dem Bild. (Bild 3).

Nachhaltigkeit hat ihren Preis

Zur Umsetzung der Nachhaltigkeit und zum Preis lassen sich nur lobende Worte finden. Das Rephone versucht überall auf wiederverwertbare oder abbaubare Materialien zu setzen und ist mit 400 Franken dennoch zu einem fairen Preis verfügbar. Im Praxisvergleich mit einem kommerziellen Smartphone derselben Preisklasse kann das Rephone leistungstechnisch jedoch nicht ganz mithalten. Dies beginnt bereits beim ersten Eindruck: Das Reno8 Lite ist leichter, liegt besser in der Hand und liefert über das das AMOLED-Display ein natürlicheres und angenehmeres Bild. Auch die Performance des Reno8 Lite hat mehr zu bieten, was im alltäglichen Gebrauch aber kaum zum Tragen kommt – abgesehen von der erhöhten Akkulaufzeit.

Das Fazit zur Kameraleistung ist schwierig, schiesst das Rephone auf den ersten Blick doch die besseren Tagesaufnahmen, enttäuscht aber mit einem leichten Gelbton und verliert schnell an Detailreichtum und Genauigkeit. Da das Reno8 Lite die etwas besseren Makroaufnahmen und die weitaus hochwertigeren Nachtaufnahmen schiesst, geht das kommerzielle Smartphone aber auch in diesem Testbereich als Sieger hervor. So unterliegt das nachhaltige Rephone seinem kommerziellen Gegner in sämtlichen Aspekten. Nachhaltigkeit hat eben doch ihren Preis.


Den tabellarischen Datenvergleich sowie die Wertung können Abonnenten in der Ausgabe 7-8/2022 nachlesen. Noch kein Abo? Hier klicken und Versäumtes nachholen.
(rf)


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