Niklaus meint: Sind Open Sourcler bessere Menschen?

Von Daniel Niklaus

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/01

     

Was haben Vegetarier und Open Sourcler gemeinsam? In aktuellen Diskussionen könnte man meinen, es stehen bessere Menschen vor einem. Jeder Arbeitgeber, der noch Leute von der alten Closed-Source-Denkschule einstellt, verkenne die Überlegenheit einer neuen Generation von Entwicklern, heisst es. Open Sourcler sollen mehr Freude und Leidenschaft für das Coden mitbringen. Sie verstehen sich angeblich als Handwerker der Künste, während Closed Sourcler nur für den schnöden Mammon arbeiten. Und die Tatsache, dass der Quellcode offen liegt, führt wie von Zauberhand zu besserer Code-Qualität, wenn man Open Sourcler einstellt.

In einer Branche, in der die Menschen von aussen als nüchtern und langweilig beschrieben werden, werden schon seit jeher leidenschaftliche Grabenkriege geführt. Nach Motorola gegen Intel, Atari gegen Amiga, Microsoft gegen Apple und Linux gegen Windows geht es jetzt um den besseren Menschen. Open Source oder nicht Open Source. Guter Mensch oder Geldmensch.
Doch Halt! Ist alles Friede, Freude, Eierkuchen, wenn das Wort Open Source darauf steht? Im Gespräch mit befreundeten Internetagenturen, die vornehmlich auf Open Source setzen, kommt schnell zu Tage, dass es in erster Linie um das Kostensparen geht und weniger um die moralische Überlegenheit. Die Content-Management-Systeme Typo3 und Joomla kosten nun mal nix. Und wer im Netz nach den grossen Vorteilen von MySQL sucht, der findet schnell solche Aussagen: «Perhaps the greatest perk of this software is the fact that it’s free.» Das ist nicht schlimm, warum einem US-Unternehmen Geld in den Rachen werfen, wenn es genügend gute Alternativen gibt?

Open Source ist auch geeignet, um geliebten Konkurrenten eines auszuwischen. Scott McNealy von der ehemaligen Firma Sun pflegte mit Genuss seine Rivalität mit Bill Gates. Es war McNealy wohl eine besondere Freude, als er die Firma Staroffice kaufte, machte er doch daraus kurzerhand Open Office, welches in erster Linie das Ziel hatte, Microsofts Dominanz im Office-Geschäft zu brechen – oder zumindest die Einnahmen zu schmälern. Auch IBM, HP & Co. taten sich zusammen und investierten Milliarden, um aus dem Studentenbetriebssystem Linux eine echte Alternative zu Microsofts Windows zu bauen. Ja selbst Google konfigurierte ein Linux um, um sich von Apple mit dem eigenen Betriebssystem Android unabhängig zu machen und per Werbung Geld zu verdienen.
Open Source ist heute fester Bestandteil einer jeden Softwarestrategie. Die gemeinsame Nutzung von Code hat riesige Vorteile, und zu wissen, etwas beigesteuert zu haben, kann tatsächlich eine innere Befriedigung bringen. Gleichzeitig will ich aber festhalten, dass viele Entwickler, unabhängig davon ob sie an Closed oder Open Source arbeiten, mit derselben Leidenschaft ent­wickeln, wenn sie an ihr Programm glauben. Nur eleganten Code zu schreiben ist noch lange keine Auszeichnung, wenn daraus kein Kundennutzen entsteht – das ist bei Open wie bei Closed Source so.

Welches sind nun die besseren Menschen? Die Diskussion wird bestimmt eine Weile dauern. Noch fühlen sich viele Open Sourcler überlegen. Aber Achtung: selbst bei den Open Sourclern gibt es Veganer. Das sind jene, die darauf bestehen, dass die Software auch noch frei sein muss. Also Copyleft, frei für jegliche Nutzung, zum Kopieren, Verteilen und Verändern.



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