WEF: IT-Gigantismus in Davos

Technologien und Services vom Feinsten sollten am WEF den Spitzenmanagern das Potential der IT von Morgen aufzeigen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/02

     

Letzte Woche haben sich rund 2000 der einflussreichsten Politiker, Wirtschaftskapitäne und Vertreter von NGOs, Medienschaffende und Religionsgruppen in Davos zum Annual Meeting 2003 des World Economic Forums getroffen, um die brennendsten Fragen auf der globalen Agenda zu diskutieren - ein Mega-Anlass besonders auch für die IT-Abteilung des WEF. Rund 20 Projekte hat das fünfköpfige Team um Malte Godbersen, Director Knowledge Management, im letzten Jahr vorbereitet: "Unser Ziel ist es, den Teilnehmern eine verbesserte Kommunikation, interaktiven Informationsaustausch und einen Führer durch die vielfältigen Angebote am Annual Meeting zu bieten. Sie sollen die Technologien, die das Gesicht der Welt von morgen prägen werden, hier bereits kennenlernen, allerdings nicht in einem Showroom, sondern vielmehr als konkreten Service."


Smart Cards für alle

Die Technologien von morgen beginnen am Annual Meeting bereits beim Zugangskontrollsystem: Jeder der rund 8000 Teilnehmer, Helfer, Presse- und Sicherheitsleute wurde mit einem persönlichen Badge mit integrierter Smart Card ausgerüstet, der in Zusammenarbeit mit dem Kudelski-Unternehmen NagraCard entwickelt wurde. Diese nicht fälschbare Smart Card verschaffte ihrem Besitzer nicht nur Zugang zu den verschiedenen Örtlichkeiten des Forums, sondern ermöglichte auch das Einloggen beispielsweise in das Kiosk-System, die selbständige Einschreibung zu den Sitzungen oder auch den bargeldlosen Zahlungsverkehr.



Gleichzeitig diente der Badge zur Identifikation derjenigen Teilnehmer, an die ein personalisierter "Davos Companion" abgegeben wurde. "Dabei handelt es sich um einen HP iPAQ h5450", erklärt Godbersen, "auf dem eine speziell für das World Economic Forum von Accenture und HP entwickelte Anwendung läuft. Über unser WLAN können unsere Gäste damit das aktuelle Programm und Teilnehmerlisten von Sitzungen und Workshops abrufen, Biographien und Firmenprofile lesen und eine persönliche Agenda führen." Weitere Anwendungen des "Davos Companion" beinhalteten News-Feeds unter anderem von Reuters und Stratfor, ein internes Messaging System, On-Demand-Videozusammenschnitte der Konferenzen, ein Voting-System sowie die Anmelde-Applikation für Workshops.




Das kabellose Netzwerk stand dabei nicht nur im Kongresszentrum zur Verfügung, sondern wurde über SDSL-Leitungen in die Hotels der Teilnehmer in Davos ausgeweitet. In den Hotels und den Veranstaltungszentren standen auch rund 80 PCs als Kiosksystem zur Verfügung, auf dem ähnliche Anwendungen wie auf dem "Davos Companion" angeboten wurden - allerdings optimiert für die grösseren Bildschirme. Als Ergänzung und Kombination der portablen mit der hochauflösenden Welt gab es dieses Jahr ausserdem erstmals eine kleine Anzahl Tablet PCs, die unter anderem dem Internet-Zugriff dienten.



Ein sogenanntes Cyber Network Centre mit 30 Notebooks bot ebenfalls Zugang zum Internet, allerdings über ein spezielles Portal. Dabei handelt es sich um einen "KnowledgeConcierge" genannten Service von PricewaterhouseCoopers: der KnowledgeConcierge recherchierte zusammen mit einem Netzwerk von Spezialisten konferenzrelevante Fragen von WEF-Teilnehmern und bot ergänzende Essays zu den Sessions.




Grosser Aufwand - viel Erfolg?

Aufgebaut wurde die gesamte Infrastruktur von rund 100 Spezialisten: "Für die Basisservices nutzen wir die Kompetenz von kleinen Zulieferern und dem HP-Eventmanagement-Team, von dem auch die Hardware zur Verfügung gestellt wird. Für grössere Projekte wie beispielsweise den "Davos Companion", das Kiosk- und Messagingsystem, das Smart-Card-System oder das Cyber Network Centre setzen wir dagegen auf strategische Partnerschaften mit grossen Unternehmen, die sich auf diese Weise über ihre Mitgliedschaft im WEF hinaus einbringen", erklärt Godbersen.



Ein grosser Aufwand, selbst für eine sechstägige Veranstaltung mit 2000 anspruchsvollen Teilnehmern. Werden die zahlreichen Dienstleistungen von diesen überhaupt geschätzt und genutzt? Godbersen: "Wir haben in den letzten beiden Jahren festgestellt, dass rund ein Drittel der neuen Teilnehmer auf die zur Verfügung gestellte Technologie sofort anspringt und sie sehr intensiv nutzt, während ein weiteres Drittel die Angebote gelegentlich nutzt und das letzte Drittel eher Personen-gestützte Services oder Technologie-Projekte vom Vorjahr nutzt. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Teilnehmerschaft des Annual Meetings sich aus Menschen zusammensetzt, die es sich gewohnt sind, persönliche Assistenten zu haben, und es deshalb aus ihrem professionellen Umfeld vielleicht gar nicht kennen, sich irgendwo einzuloggen oder eine E-Mail selber schreiben zu müssen." Die Akzeptanz und Nutzung der Technologien steige allerdings mit jedem Jahr, in dem sie weiter zur Verfügung stehen, merkt Godbersen an, "und nicht zuletzt stellt das WEF auch 50 "IT-Guides" zur Verfügung, die denjenigen Teilnehmern zur Seite stehen, die
sich noch nicht auskennen oder Berührungsängste haben. Ausserdem haben wir natürlich die Applikationen so benutzerfreundlich wie nur möglich gemacht."





Wettlauf gegen Hacker

Zu den Kosten für die Bereitstellung all dieser Services will Godbersen keine Stellung nehmen; klar ist aber, dass ein nicht geringer Anteil von den diversen Partnern getragen wird. Immerhin lässt sich der Director Knowledge Management entlocken, dass ein guter Teil des IT-Budgets für die Sicherheit verwendet wird: "Wir haben hohe Investitionen getätigt in das Smart-Card-System und in weitere Sicherheits-Hardware, daneben auch in Dienstleistungen, um etwa die vorhandene Infrastruktur zu testen und Überwachungs-Dienste bereitzustellen. Sicherheit hat für uns einen sehr hohen Stellenwert, wir sind uns da unserer Verantwortung gegenüber den Teilnehmern durchaus bewusst." Entsprechend schätzte denn Godbersen im Vorfeld der Veranstaltung das Risiko als gering ein, dass ein Hack-Versuch wie vor zwei Jahren von Erfolg gekrönt wird: "Wir sind gut gerüstet. Zwar haben wir grossen Respekt vor der intellektuellen Kreativität, die da draussen ist und Wege sucht, bei uns hereinzukommen, aber ich bin überzeugt, dass wir in dem Wettlauf, wer eventuell neu auftretende Schwachstellen findet, ganz vorne mitlaufen." Aus den Erfahrungen von 2001 wurden sowohl in technischer als auch in organisatorischer Hinsicht Konsequenzen gezogen und Prozesse angepasst. Vor dem Annual Meeting ist eine ganze Anzahl von Massnahmen vorgesehen, um gegen mögliche Angriffe vorzugehen, aber letztlich, so Godbersen, "muss man trotz guter Planung ein kompetentes Team haben, um dann auch auf das Unvorhergesehene in kürzester Zeit reagieren zu können."





Die WEF-IT in Zahlen


• 8000 SmartCards




• 2500 "Davos Companions" davon 2000 für Teilnehmer




• 400 PCs mit TFT-Displays davon 80 für Kiosk-System




• 30 Notebooks




• 10 Tablet PCs




• 130 Laserdrucker




• 20 Server




• 1 Gigabit-Ethernet-Backbone




• 1 100-Megabit-Ethernet




• 1 Wireless LAN




• 5 Personen IT-Abteilung WEF




• 150 Personen von Zulieferern und Partnern, Support



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