Das gemeinnützige Unternehmen Domicil Bern bietet an 22 Standorten im Kanton Bern rund 1100 Pflegeplätze an und gilt als erste Adresse des Kantons für das Wohnen im Alter und die Langzeitpflege. Die Dokumentation der Medikamentenlagerung in über 100 Medikamentenschränken und -Kühlschränken basierte früher auf den Messwerten von Temperatur-Dataloggern und stellte die IT vor erheblichen Aufwand: Die Batterien der Datalogger mussten jährlich ausgetauscht und die Datalogger selbst alle zwei Jahre für die von der Kantonsapotheke vorgeschriebene Rekalibrierung an den Hersteller eingesendet oder aber ersetzt werden. Nachhaltig war all dies nicht gerade, denn so fiel neben den hohen wiederkehrenden Investitionskosten auch viel Elektroschrott an.
Auch auf der Seite des Pflegepersonals entstand grosser Aufwand: Die Temperatur in den Medizinalschränken musste mehrmals pro Tag dokumentiert werden. Die Werte wurden dabei jeweils von Hand in einer Liste notiert und in ein Spreadsheet übertragen. Dies gehört eigentlich nicht zu den Kernaufgaben der Pflege. Ein automatischer Alarm bei über- oder unterschrittener Temperatur war mit dieser Lösung zudem nicht möglich, und der Status der Medikamentenschränke liess sich nicht aus der Ferne ermitteln. Weiterer Aufwand fiel in der Administration für die Zusammenstellung und Übermittlung der Dokumentation an die Kantonsapotheke an.
Smarte Lösung mit IoT und Automatisierung
Das IT-Team von Domicil suchte deshalb nach einer neuen Lösung zur Temperaturüberwachung und Dokumentation der Medikamentenlagerung. Gefragt war eine automatisierte Plattform, die das Pflegepersonal vom Prüf- und Dokumentationsaufwand möglichst umfassend entlastet, die Einhaltung der strengen kantonalen Vorschriften unterstützt, bei über- oder unterschrittener Temperatur Warnmeldungen ausgibt und eine wesentlich bequemere Weitergabe der Dokumentation an die Kantonsapotheke ermöglicht.
Fündig wurde Domicil beim Partner
Bechtle. Die IoT-Spezialisten des IT-Dienstleisters entwickelten eine Lösung, die alle Anforderungen von Domicil erfüllen sollte. Für die Temperaturmessung in den Medikamentenschränken kommen Temperatursensoren des Schweizer Herstellers Axino zum Einsatz, die sich einfach in die Schränke einbauen lassen. Die Luftqualität in den Räumen wird zusätzlich durch Sensoren von Airica überwacht, ebenfalls ein Hersteller aus der Schweiz.
Beide Sensortypen kommunizieren über das IoT-Protokoll LoRa mit einem LoRa-Gateway am jeweiligen Domicil-Standort. Das spezifisch für IoT-Anwendungen konzipierte Protokoll erlaubt die Datenübertragung über grosse Distanzen mit sehr geringen Energieverbrauch, was der Batterielaufzeit der Sensoren entgegenkommt. Auch das LoRa-Gateway stammt von einem Schweizer Hersteller, nämlich von der Zürcher Firma Miromico.
Die Daten der verschiedenen Standorte werden über einen LoRa Network Server (LNS) vom Anbieter Loriot gesammelt und zusammengefasst an die IoT-Backend-Plattform von Axino übermittelt, die per KI auf Basis der gesammelten Daten die Kerntemperatur berechnet. Letztlich gelangen die Daten in die von Bechtle entwickelte, .NET-basierte Web-Applikation Temperature Control Suite. Die Applikation wird in einem Azure-Tenant als IoT Hub betrieben.
Dank der neuen Temperaturüberwachungslösung basierend auf Sensoren mit LoRa-Technologie ist Domicil Bern ein entscheidender Schritt in der Digitalisierungsstrategie gelungen. Das entlastet die Pflegefachpersonen im Alltag stark.
Aufgrund der Cloud-basierten Natur der Gesamtapplikation konnte Domicil die Lösung vor der definitiven Entscheidung in einem Proof of Concept ausgiebig testen und kam schnell zum Schluss, dass sie alle Bedürfnisse erfüllt und auch zukünftig für weitere Überwachungsmöglichkeiten und Use Cases eingesetzt werden kann.
Kosten und Zeit gespart
Insgesamt entstand so bei Domicil ein standortübergreifendes IoT-Netzwerk für die Temperaturkontrolle. Die Sensoren werden intelligent ausgelesen, die Dokumentation automatisch erstellt, und das Pflegepersonal erhält bei zu hohen Temperaturschwankungen automatisch Warnmeldungen per E-Mail oder SMS: Die automatische Medikamentenüberwachung meldet sofort, wenn etwas nicht in Ordnung ist und die Temperaturen in den Schränken zu hoch oder zu niedrig sind.
Die zentrale, Cloud-basierte Plattform erstellt automatisch alle Auswertungen und ermöglicht so auf einen Blick, zu erkennen, wenn die gelagerten Medikamente durch Temperaturanomalien gefährdet sind. Gleichzeitig bilden diese Auswertungen die Basis für das Reporting an die Kantonsapotheke und unterstützen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften.
Rechnet man bei der früheren manuellen Kontrolle pro Dokumentation mit einem Aufwand von zehn Minuten, fielen in der gesamten Organisation mit hundert Medizinalschränken bei dreimal täglicher Kontrolle allein für diesen Vorgang pro Jahr insgesamt über 16’000 Arbeitsstunden an. Dazu kam noch der administrative Aufwand für die Aufbereitung der Dokumentation und die Übermittlung an die Kantonsapotheke.
Statt diese eher mühsamen Aufgaben zu erledigen und tagtäglich mehrmals die Temperaturen in allen Medikamentenschränken zu protokollieren, können sich die Pflegenden mit der neuen Lösung nun auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren, nämlich die Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner. Domicil kann mit der neuen Lösung nur schon dadurch erheblich Arbeitszeit und damit auch Kosten sparen.
Weitere Einsparungen ergeben sich dadurch, dass die IoT-Sensoren im Gegensatz zu den kurzlebigen Temperatur-Dataloggern eine Betriebsdauer bis zu zehn Jahren ermöglichen und jeweils für mindestens vier Jahre zertifiziert und kalibriert sind.
(ubi)