"Das EPDG setzt auf internationale Standards und ermöglicht so modulare Weiterentwicklungen."

Interview: Fridel Rickenbacher

Adrian Schmid ist Leiter von eHealth Suisse, einer Kompetenz- und Koordinationsstelle ­zwischen dem Bund und den Kantonen. Er ist sich bewusst, dass auf dem Weg zum ­elektronischen Patientendossier (EPDG) viele Herausforderungen zu bewältigen sind. eHealth Suisse wird den Prozess fachlich und koordinierend begleiten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2017/01

     

Wie schätzen Sie das Bundesgesetz zum EPDG und zu E-Health ein?
Adrian Schmid: Das EPDG gibt den notwendigen Rahmen, damit in der Schweiz ein vernetztes elektronisches Patientendossier entstehen kann. Die Rollenteilung zwischen Bund und Kantonen ist festgelegt: National steht der rechtliche Rahmen zur Verfügung, die Kantone kümmern sich als Verantwortliche für die Gesundheitsversorgung um die Verbreitung in ihrer Versorgungsregion. Wir sind überzeugt, damit ein Umsetzungskonzept zu haben, das sehr gut zur föderalen Struktur der Schweiz passt.


Wie beurteilen Sie die öffentlichen Debatten in der Schweiz?
Nach der sehr deutlichen Zustimmung zum EPDG im National- und Ständerat sind alle Akteure dabei, sich auf die Umsetzung vorzubereiten. Im Frühjahr 2017 soll das EPDG gemäss der aktuellen Planung in Kraft treten, das wird noch einmal einen kräftigen Schub auslösen.

Serie EPDG
Am 29. Juni 2016 wurde die Anhörung des Ausführungsrechts zum Bundes­gesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) abgeschlossen. 2017 soll das Gesetz in Kraft treten. Es stellt grund­legende Weichen für die Digitalisierung des Schweizer Gesundheits­wesens. Das swissICT Magazin beleuchtet in einer Serie Technologie- und Security-­Aspekte des Gesetzes aus unter­schiedlichen Blickwinkeln. In dieser Ausgabe beleuchten wir das Thema aus der Perspektive von eHealth Suisse als Koordinationsorgan von Bund und Kantonen. Die Organisation wurden 2008 gegründet als eine der ersten Massnahmen bei der Umsetzung der «Strategie E-Health Schweiz». Sie hat die Aufgaben, die digitale Vernetzung im Gesundheits­wesen zusammen mit allen Akteuren zu koordinieren.
Wie ist Ihre Organisation zusammengesetzt und organisiert? Wie interdisziplinär sind die externen Akteure aufgestellt, welche Sie koordinieren?
Die Gremien von eHealth Suisse haben seit 2008 schrittweise das fachliche Konzept für das E-Patientendossier erarbeitet. Alle Akteure haben in den relevanten Arbeitsgruppen mitgearbeitet. Wir haben uns immer darum bemüht, auf die Anliegen der Patientenorganisationen, der Behandelnden oder der Anbieter von technischen Lösungen einzugehen. Dies ist vermutlich mit ein Grund, dass die politische Diskussion im Parlament vergleichsweise reibungslos verlaufen ist.


Wie weit fortgeschritten ist der Prozess? Was sind die aktuellen Herausforderungen bei der Koordinations-Aufgaben des EPDG auf Bundes-Ebene?
Es gibt einen Einführungsplan zur Einführung des EPDG, den wir zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit ständig überprüfen und bei Bedarf anpassen. Nach dem Inkrafttreten des EPDG im Frühjahr 2017 sollte sich die zukünftige Landschaft der dezentralen "Stamm­gemeinschaften" und "Gemeinschaften" relativ rasch klären. Insbesondere für die Kantone und die Behandelnden ist diese Orientierung sehr wichtig. Aus heutiger Sicht gehen wir davon aus, dass die ersten zwei dezentralen "Gemeinschaften" zirka Mitte 2018 zertifiziert sind und über die zentralen Abfragedienste des Bundes erstmals Dokumente austauschen können. Damit wird das «operative EPDG» in der Schweiz technisch etabliert sein. Wir sind uns aber bewusst, dass der Weg dorthin über viele Herausforderungen und Hürden führen wird. Wir als Kompetenz- und Koordinationsstelle von Bund und Kantonen werden uns bemühen, diesen Weg so gut wie möglich fachlich und koordinierend zu begleiten.
Mit dem EPDG und E-Health werden Bereiche reguliert, die Generationen prägen werden und auch informations-­ethische Fragen aufwerfen. Es geht um personensensitive Daten bei welchen die Datenhoheit und mindestens die Mitbestimmung bei der Datennutzung und der freie Zugang zu den Daten letztlich beim Patient respektive beim Bürger obliegt. Was macht der Bund beziehungsweise Ihre Organisation in diesem Bereich?
Die Einführung des EPDG muss noch für einige Jahre als "lernendes Projekt" verstanden werden. Ein komplexes Vorhaben dieser Art kann nicht von Anfang an mit einer Trefferquote von 100 Prozent reguliert werden. Wir als eHealth Suisse haben den Auftrag, diesen Weg aktiv zu begleiten und zusammen mit allen Akteuren zu prüfen, dem Bund bei Bedarf Anpassungen oder Weiterentwicklungen bei der Zertifizierung von «Gemeinschaften» vorzuschlagen.


Wie beurteilen Sie die Regulierungsdichte der Verordnungen hinsichtlich der Koordinationsaufgaben von Kantonen, Experten, Lieferanten, Betreiber, Stammgemeinschaften und Praxen?
Das Ausführungsrecht zum EPDG ist noch in Arbeit. Die Dichte und Tiefe der Regulierung kann erst nach Abschluss dieser Phase beurteilt werden.
Wie stehen Sie zur Thematik "Dynamische Technologie versus starre Regulierung" – speziell auch hinsichtlich von Digitalisierungs-Strategien?
Die Regulierung muss drei Dinge sicherstellen: Erstens muss sie die Interoperabilität sicherstellen, also die Vernetzung aller am EPDG beteiligten Systeme auf der Basis von internationalen Standards. Zweitens sind die Rechte der Bevölkerung beim Datenschutzes zu sichern, damit nur jene Personen Zugriff auf die Dokumente bekommen, die auch dazu berechtigt sind. Und drittens müssen die Daten sicher gelagert und transportiert werden – deshalb ist die Datensicherheit ein sehr wichtiger Aspekt für das Vertrauen ins EPDG. Daneben ist eine "dynamische Technologie" sehr erwünscht, gerade deshalb setzen wir auf internationale Standards, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen. Denn technisch getriebene Insellösungen helfen uns und der Bevölkerung nicht wirklich weiter, weil sie sehr rasch an Grenzen stossen.


Wie ist die Zusammenarbeit und Bereitschaft für Verbesserungsvorschläge seitens der Akteure, dem Bund und auch der Wirtschaft?
Wie bereits erwähnt ist und bleibt das EPDG ein lernendes Projekt, das nur in enger Zusammenarbeit aller Akteure realisiert werden kann. So arbeiten wir seit dem Jahr 2008.
Wie beurteilen Sie die Regulierung? Ist sie – wie oft behauptet wird – tendenziell zu detailliert und zu starr im Hinblick auf die kommende Digitalisierung und noch unklaren, aber dann adaptierbaren Innovationen?
Der Rahmen ist sogar sehr offen – offener als bisher. Bisher gab es in der Schweiz fast nur proprietäre Eigenentwicklungen, die wie gesagt sehr rasch an Grenzen stossen. Das EPDG dagegen setzt auf internationale Standards wie HL7, IHE oder SNOMED CT. Diese ermöglichen modulare Weiterentwicklungen und Vernetzungen in sehr viele Richtungen.


Was macht die unermüdliche Arbeit in einem so wichtigen, generationsübergreifenden Thema interessant und motivierend?
Die Antwort ist in der Frage enthalten. Wir arbeiten an einem Thema, das wichtige und nachhaltige Weichen stellt für die zukünftige digitale Vernetzung im Gesundheitswesen.

Adrian Schmid

Adrian Schmid ist seit Anfang 2008 Leiter der Geschäftsstelle des damals neu gegründeten Koordinationsorgans Bund-Kantone ("eHealth Suisse"). Die Stelle wird von Bund und Kantonen gemeinsam finanziert und geführt.


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