Gewinnoptimierung verbaut Tablet-Zukunft


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/09

     

Sind die aktiven Kacheln von Windows 8 genau das, was sich die User im Geheimen schon immer gewünscht haben? Oder wächst hier zusammen, was nicht zusammen gehört, wie das Magazin «C’t» krittelt? Schwer zu sagen. Die Erfahrung zeigt, dass gerade im mobilen Bereich die Spezialisierung auf spezifische Bedürfnisse in der Regel den entscheidenden Usability-Unterschied ausmacht. Das spricht sicher nicht für einen Zwitter aus Maus und Tastatur mit der Gestennavigation in einem System. Andererseits dürften vor allem Unternehmen die Verbindung zwischen neuer Tablet- und alter PC-Welt durchaus schätzen.

Selber machen, was Partner nicht schaffen

Aber auch wenn sich Windows 8 in der Praxis als ebenbürtiger Betriebssystemkonkurrent von Apples iOS erweisen sollte, heisst das noch lange nicht, dass auch die Microsoft-Tablets mit ihren iPad- und Android-Pendants werden mithalten können. Denn: Das Betriebssystem ist nur ein Aspekt.
Auf der Hardware-Seite sieht es für Microsoft düster bis bewölkt aus. Die sich türmenden Wolken werden inzwischen auch in Redmond als so bedrohlich wahrgenommen, dass sich der Softwareriese entgegen seiner langjährigen Strategie entschieden hat, selber Tablets zu bauen. Die Partner brachten kein konkurrenz­fähiges Gerät zu Stande.

Gewinn bestimmt Entwicklungsbudget

Dabei sollte sich Microsoft weniger über die Unfähigkeit von HP, Dell und Konsorten ärgern, ein Windows-Tablet zu entwickeln, das auch in den Details mit dem Apple-Vorbild mithalten kann. Der faktische PC-Betriebssystemmonopolist muss sich in erster Linie selber an der Nase nehmen. Denn Schuld an der Innovationsmisere bei den Herstellern ist nicht zuletzt die eigene Margenoptimierung. Microsofts Tablet-Mühen sind ein Schulbeispiel dafür, wie man sich durch Gewinnmaximierung selber die Zukunft verbauen kann.
Die Rechnung ist einfach: Je mehr Gewinnanteile das Duo Microsoft und Intel für sich beansprucht, umso weniger bleibt für die Herstellungspartner übrig. Und minimale Gewinnaussichten schmälern halt auch automatisch die Entwicklungsbudgets. Dass mir inzwischen sogar eingefleischte Apple-Verachter dringend raten, ein Macbook Air statt ein Ultrabook zu kaufen, spricht Bände. Die Wintel-Hersteller sind nicht einmal mehr im angestammten Notebook-Geschäft in der Lage, vergleichbar überzeugende Produkte zu Apple zu bauen. Alles wirkt nicht richtig zu Ende gedacht.

Hierarchie auf dem Kopf

Das war so lange egal, als es keine ernsthafte Konkurrenz gab. Wer geschäftlich einen Computer brauchte, hatte sich bis vor kurzem mit den kaffeepausenlangen Boot-Zeiten von Windows-PCs ganz einfach abzufinden. Die Mobilisierung stellt jetzt aber die Hierarchie auf den Kopf. Wie IDC vorrechnet wird der Windows-Anteil über alle Clients gerechnet bis 2016 von ehemals über 90 auf 25 Prozent schrumpfen. Android soll bis dann einen 31-Prozent-Anteil erobert haben und Apple 17 Prozent.


Endverbraucher entscheidet


Ob Microsoft diesen Umbruch mit selber produzierten Tablets (und mit Nokia-Phones) wird aufhalten können, ist mehr als fraglich. Der Versuch, Apple und Google durch eine Verbindung von PC- und Tablet-Welt in die Schranken zu weisen, legt vielmehr die Vermutung nahe, dass man in Redmond die grundlegende Triebfeder des iPhone- und iPad-Erfolgs nach wie vor nicht verstanden hat. Apple und Google haben nämlich bei ihrem Angriff auf die Microsoft-Dominanz ganz bewusst das Kerngeschäft der Redmonder aussen vor gelassen. Sie machen keine Business-Alternativen, sondern coole Endverbraucher-Gadgets. Und wie Gartner im Zusammenhang mit dem BYOD-Trend (Bring Your Own Device) lapidar bemerkt: The Consumerization always wins!


Daniel Meierhans



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