Kosten senken durch das Prinzip Wertschätzung am Arbeitsplatz
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Kosten senken durch das Prinzip Wertschätzung am Arbeitsplatz

«Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt!» oder «Die Mitarbeitenden sind unser wichtigstes Gut!» sind gängige Aussagen in vielen Unternehmen. Doch wenn die Angestellten in Unternehmen anonym zu Wort kommen, sucht man vergebens nach Hinweisen, die darauf hindeuten, dass diese Aussagen mehr als nur Lippenbekenntnisse sind. Ehrliche Wertschätzung kann dies ändern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/06

     

Die Unternehmensberatung Gallup macht seit mehr als zehn Jahren im deutschsprachigen Raum und weltweit jährlich Umfragen zum Thema «Emotionale Bindung am Arbeitsplatz». Die Ergebnisse sind alles andere als ermutigend. In Deutschland zeigt sich seit zehn Jahren fast das gleiche Bild: Von 100 Mitarbeitern fühlen sich 87 schwach oder gar nicht (13) an das Unternehmen gebunden. In Deutschland führt das zu einer sehr hohen Fluktuationsrate mit Folgekosten von ca. 120 Milliarden Euro. Dies entspricht 430 Verkehrsflugzeugen des Typs A380 oder dem 11 fachen des Bildungsetats Deutschlands! Als es noch eine eigenständige Studie für die Schweiz gab, sah diese jeweils nur geringfügig besser aus als in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass dies heutzutage immer noch so ist. Besser, aber immer noch alles andere als gut!
Deshalb sollte dieser Tatsache etwas entgegengesetzt werden, damit die Wirtschaft diese Verluste nicht mehr länger hinnehmen muss! Doch was muss getan werden? Warum fühlen sich so viele Menschen nicht mit dem Unternehmen verbunden? Gewisse Unternehmen lassen sich doch alles Mögliche einfallen, nur um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gefallen – neudeutsch heisst das jeweils Incentive-Programm.

Neurobiologie

Gemäss dem Neurobiologen Professor Joachim Bauer zeigen Studien, dass Menschen auf Kooperation angelegte Wesen sind. Glückshormone werden bei Anerkennung und gelingenden Beziehungen ausgeschüttet. Dies, weil Gene in unserem Gehirn auf Sinneseindrücke und Wahrnehmungen entsprechend reagieren. Bei negativen Erlebnissen werden hingegen Stresshormone ausgeschüttet, und es wird mit Aggression, Flucht oder Angst reagiert. Positive zwischenmenschliche Erlebnisse reduzieren krankmachende Symptome wie Stress und fördern dadurch das Wohlbefinden und die Gesundheit. Somit liefert uns die Neurobiologie eine naturwissenschaftliche Erklärung, warum der Mensch Wertschätzung für die emotionale Bindung braucht.
Reicht aber als Zuwendung einmal im Jahr ein Bonus oder ein neuer Geschäftswagen? Sicher nicht. Wie man bei Gallup nachlesen kann, sind es vor allem die Führungskräfte, die für diese fehlende Bindung der Menschen im Unternehmen verantwortlich sind. Es ist ihre gelebte Anerkennung und Zuwendung im Arbeitsalltag, welche uns emotional bindet. Welche Eigenschaften muss ein Vorgesetzter mitbringen, damit emotionale Bindung zu ihm bzw. zum Unternehmen aufgebaut werden kann?
Hier helfen die Studien von Professor Martin Seligman weiter. Er hat die positive Psychologie begründet. Seine Untersuchungen zeigten, dass erfolgreiche und positiv wahrgenommene Menschen ausgeprägte Charakterstärken besitzen. Man ist gerne mit Menschen zusammen, die über solche Eigenschaften verfügen. Somit ist die Entwicklung von Charakterstärken sehr wichtig, wenn man erreichen möchte, dass Menschen sich emotional binden. Führungskräfte müssen also an ihren Charakterstärken arbeiten, um ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein vorbildlich denkender und handelnder Partner zu sein.

Emotionale Kompetenz

Ein guter und fairer Partner kann nur sein, wer neben ausgeprägten Charakterstärken auch ein hohes Mass an emotionaler Kompetenz besitzt und es versteht, seine Gefühle sozial verträglich auszudrücken. Dazu gehören Selbstbeherrschung und eine hohe Konfliktlösungskompetenz.
Unbeherrschtes und lautes Verhalten wirken sich äusserst nachteilig auf die emotionale Bindung aus. Leider sind gerade diese schädlichen Verhaltensweisen oft durch prägende Ereignisse in der Vergangenheit entstanden und werden unkontrolliert sehr emotional gelebt. Menschen brauchen also Zuwendung und gute Partner als Vorgesetzte, damit ihre emotionale Bindung sich positiv entwickelt.
Diese gesteigerte emotionale Bindung führt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhöhter Leistungsbereitschaft, zu mehr Qualitätsbewusstsein sowie zu einer ausgeprägten Kundenorientierung auf Grund von mehr sozialer Verantwortung. Über die Anwendung der Forschungsergebnisse eines weiteren berühmten Wissenschaftlers lässt sich noch eine Steigerung erzielen. Die Forschungen von Abraham Maslow haben gezeigt, dass der Mensch auf der untersten Bedürfnisstufe in seinem Innersten immer auch nach Selbstverwirklichung strebt.
Wenn der Arbeitsinhalt nicht in der Lage, ist Sinn zu vermitteln, werden Menschen das Bedürfnis nach Sinn im Leben ausserhalb des Arbeitsumfeldes suchen. Zum Beispiel in Freizeitaktivitäten oder Freiwilligenarbeit. Unternehmen jedoch, welche es schaffen, das Bedürfnis der Mitarbeitenden nach Selbstverwirklichung innerhalb der Arbeit zu erfüllen, werden als Dank hohe emotionale Bindung erleben.

Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse für menschliches Verhalten

Der Unternehmensberater Joachim Friedrich kann im Alter von 74 Jahren auf rund 30 Jahre Erfahrung mit «Wertschätzung am Arbeitsplatz» und der Arbeit mit Menschen in Unternehmen zurückblicken. Mehr als einmal konnte er beweisen, dass die vier Dimensionen Neurobiologie, Positive Psychologie, Emotionenlehre und die Maslow-Theorie der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg sind.
Dass emotionale Bindung direkten Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens hat ist hinlänglich bekannt. Die meisten Methoden beschränken sich jedoch auf die Bewusstmachung dieser Tatsachen. Konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen fehlen aber!
Kennen Sie das Ziel für Ihre eigenen Verbesserungen? Bevor Sie jetzt zu lange überlegen, kann ich Sie beruhigen. Die wenigsten Menschen wissen es. Warum? Weil sie gar nicht wissen, was sie in der Vergangenheit falsch gemacht haben. Es fehlt ihnen eine Prioritätenliste von möglichen Verhaltensfehlern und dessen Folgen, welche sie angehen sollten. Das Risiko des Fehlverhaltens ist nicht bekannt!
Joachim Friedrich hatte in seiner Arbeit als Diplomingenieur oft mit der Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) im Prozess- und Konstruktionsbereich zu tun. Eines Tages kam er, bei der Suche nach einer Methode für die Bewusstmachung von Verhaltensfehler, auf die Idee, die FMEA auf zwischenmenschliche Aspekte zu übertragen. Damit war die HUMAN-FMEA geboren. Sie ist zum zentralen Bestandteil seiner Arbeit geworden. In der Zwischenzeit sind Dutzende von FMEA-Analysen zu verschiedensten Persönlichkeits-
und Führungsthemen entstanden und angewandt worden. Alleine dieses Bewusstmachen von Fehlerfolgen und deren Risiken für das eigene Leben, das Team und das Unternehmen kann eine Führungskraft dazu bewegen, ihr Verhalten zu verändern. Es braucht nicht immer ausgeklügeltere Incentive-Programme, um die bedenklichen Ergebnisse der Gallup-Studie zu verbessern, sondern nur ein etwas kultivierteres Miteinander und mehr Wertschätzung am Arbeitsplatz.


Thomas Schneider, Agilis SA, Consultant für Wertschätzung am Arbeitsplatz, thomas.schneider@agilis.ch


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