Marketing-Hype um Longhorn

Microsoft will eine frühe Alpha-Version des nächsten Windows-OS der breiten Öffentlichkeit zum Download zur Verfügung stellen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/19

     

Anlässlich von Microsofts Professional Developers Conference (PDC), die diese Woche in Los Angeles stattfindet, verteilt der Redmonder Software-Riese an alle Teilnehmer unter anderem eine Alpha-Version der kommenden Windows-Generation, die unter dem Codenamen "Longhorn" bekannt ist. Dabei handelt es sich um Build 4051, was gegenüber den inoffiziell im Internet kursierenden Milestone-Builds 4008, 4015 und 4029 einen deutlichen Fortschritt bedeutet. Verschiedenen Quellen zufolge soll "Longhorn"-Build 4051 besonders stabil sein; allerdings fehlen noch zentrale Bestandteile des Betriebssystems wie etwa die "Aero" genannte neue grafische 3D-Oberfläche.


Alpha für die Öffentlichkeit

Es wird gemunkelt, dass der Build 4051 im November gegen eine kleine Gebühr auch von den Microsoft-Servern heruntergeladen werden könne, und im Dezember soll er den MSDN-Abonnenten zugänglich gemacht werden. Die finale Version von "Longhorn" wird in frühestens zwei Jahren erwartet.



Mit der Herausgabe einer Alpha-Version an die breitere Öffentlichkeit beschreitet Microsoft einen komplett neuen Weg. Bisher wurden zwar bereits unfertige Produkte für eine kleine Gebühr zum Download angeboten (böse Zungen behaupten sogar, dass überhaupt noch nie ein fertiges Produkt das Haus Microsoft verlassen hätte); dabei handelte es sich aber ausnahmslos um späte Betas, die sich kaum vom finalen RTM unterschieden haben und insofern auch einen repräsentativen Einblick in die zu erwartende Verkaufs-Version boten. Von einer Alpha-Version, bei der wesentliche System-Bestandteile noch fehlen, kann dies wohl nicht mit gutem Gewissen behauptet werden.





Einige Fragen offen

Damit wirft Microsofts Vorgehen einige Fragen auf. Dass nämlich ein Entwickler weiss, wozu er eine solche Version braucht, ist zu erwarten, und mit Hilfe von Bugreports kann er sogar bei der Weiterentwicklung des Produkts behilflich sein; wie Microsoft dagegen mit der breiten Öffentlichkeit umgehen will, die den Alpha-Release herunterlädt, steht auf einem anderen Blatt. Es ist nicht anzunehmen, dass man in Redmond auf eine Masse von unspezifischen Bugreports wartet.




Viel eher will Microsoft wohl herausfinden, ob das Publikum mit dem in der Alpha gesehenen zufrieden ist, ob man zusätzliche Features wünscht und, wenn ja, welche. Und vor allem geht es Microsoft wohl darum, um "Longhorn" einen Hype aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Dies zumindest ist der Marketingabteilung des Softwaregiganten gelungen: Es gibt kaum ein Medium, das nicht über "Longhorn" berichtet, selbst wenn es eigentlich nichts zu berichten gibt.



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