Das beste Windows aller Zeiten

Ende November hat Microsoft die Kaufversionen von Windows Vista freigegeben. Wir haben Vista Ultimate getestet.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/22

     

Windows Vista hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Rund fünf Jahre hat die Entwicklung gedauert, seit Microsoft im Jahr 2001 erstmals vom kommenden Windows – damals noch unter dem Codenamen «Longhorn» – gesprochen hat. Fünf Jahre, nach IT-Massstäben eine halbe Ewigkeit, in denen der Betriebssystem-Paradiesvogel einige Federn gelassen hat (siehe Kasten Seite 19). Und dennoch schillert und glitzert das Ergebnis an allen Ecken und Enden. Doch ist eine Benutzer­oberfläche mit Transparenzen, neuen Icons und verschiedenen Animationseffekten wirklich alles, was nach fünf Jahren Entwicklungszeit herausgekommen ist?
Microsoft nennt Vista den wichtigsten Windows-Release, seit 1995 Windows 95 auf den Markt gekommen ist. Das mag vollmundig klingen, aber, soviel sei vorweggenommen, es trifft zu. Denn Vista ist weit mehr als eine schniecke Oberfläche. Die zahlreichen, teils gewaltigen Änderungen und Verbesserungen, die Microsoft im Kern des Betriebssystems vorgenommen hat – das ist es, was Vista ausmacht.


Stellt sich aber doch zunächst die Frage, ob man sich für Vista überhaupt interessieren muss. Schliesslich hat man heute mit Windows XP ein Betriebssystem, das fast alles kann, das stabil läuft, auf dem sämtliche derzeit erhältliche (Windows-)Software keine Zicken macht und das auch mit den exotischsten Hardware-Komponenten meist problemlos zusammenarbeitet. Für Windows Vista wird dies – zumindest in der Anfangsphase seines Lebenszyklus – niemand garantieren wollen, genausowenig übrigens wie seinerzeit für Windows XP.
Glaubt man den diversen Online-Leserumfragen, die InfoWeek in den vergangenen Monaten durchgeführt hat, interessiert sich denn auch rund die Hälfte der jeweils Teilnehmenden nicht für Microsofts neues Flaggschiff. Sollte diese doch recht breite Masse mit ihrer Einschätzung recht haben? Muss man tatsächlich viel Geld in die Hand nehmen, um von XP auf Vista zu wechseln?





Vor diesem Hintergrund wird auch schon klar, dass Windows Vista vor allem einen Feind zu gewärtigen hat – und der heisst weder Mac OS X (auch wenn man hier zahlreiche Vista-Features zuerst gesehen hat) noch Linux-Desktop, sondern eben Windows XP. Aus diesem Grund werden wir bei Vergleichen auch hauptsächlich auf Windows XP Bezug nehmen und nur selten auf die bloss vermeintlichen Konkurrenten von Apple und der Open-Source-Szene.
Gleich zu Beginn sei schliesslich darauf hingewiesen, dass dieser Test zwangsläufig nur einige ausgewählte Aspekte von Windows Vista betrachten kann. Die schiere Masse an neuen und verbesserten Features macht es schlicht unmöglich, alles im Detail zu betrachten. Damit könnte man Bücher füllen – und erste Bände dieser Machart werden bestimmt schon demnächst die Buchhandlungen überschwemmen.


Schnelle Installation

Das Erste, was man als neuer Anwender von Windows Vista zu sehen bekommt, ist die Installation (es sei denn, man hat einen neuen PC gekauft, auf dem Vista vorinstalliert ist). Und in diesen Bereich hat Microsoft einige Arbeit gesteckt: Das komplette Setup wurde entrümpelt und beschleunigt. In unserem Test auf einem mit Core 2 Duo T7400 und 2 Gigabyte RAM hervorragend ausgestatteten Asus-Notebook, auf dem wir zwei leere Partitionen eingerichtet haben, benötigte Windows XP über eine Dreiviertelstunde bis zum ersten Login. Vista erledigte dieselbe Aufgabe innert nur wenig mehr als dreissig Minuten.


Ein wesentlicher Unterschied dabei ist auch die Zeit, die man als Anwender mit der Installation verbringt: XP installiert mal ein wenig vor sich hin und wartet dann auf die nächste User-Eingabe, während Vista die nötigen Angaben schon zu Beginn abfragt und danach still vor sich hinwerkelt. Die Aufmerksamkeit des Anwenders kann sich derweil auf etwas anderes richten.




Kehrseite der Medaille ist aber, dass man einiges, was bei XP bereits während dem Setup installiert und konfiguriert wurde, unter Vista nachträglich erledigen muss. Dazu gehören beispielsweise Netzwerk-Einstellungen oder die Konfiguration zusätzlicher User. Um dies abzumildern, gibt es in Vista ein «Welcome Center», das Shortcuts auf diese Tasks anbietet – dennoch wird mit der Nacharbeit aber ein grosser Teil der Zeit, die durch das schnelle Setup gewonnen wurde, wieder verbraten (vgl. dazu den ausführlichen Artikel zum Thema «Vista-Installation und -Migration» ab Seite 53).


Coole Aero-Oberfläche

Das Nächste, womit Windows Vista den Anwender beeindruckt, ist die neue Benutzer-Oberfläche mit dem klingenden Namen Aero – bei Apple heisst das ganze Aqua und ist schon seit Jahren Bestandteil von Mac OS X. Halbtransparente Fenster und Animationseffekte beim Fensterwechsel, dazu bunte und hochauflösende Icons für alles Mögliche: Es ist unübersehbar, woher Microsoft sich hier die Inspiration geholt hat.


Allerdings geht Microsoft in einigen Punkten weiter als beispielsweise Apple mit Mac OS X. So kann ein Anwender den Look der Oberfläche in Windows Vista zu einem grossen Teil an seinen Geschmack und seine Bedürfnisse anpassen, was in Mac OS X nur in einem sehr begrenzten Mass möglich ist. Dazu kommt, dass Microsoft für all seine Betriebs­systeme jeweils Interface-Guidelines erstellt und so zum Wohle der Anwender zu einiger Konsistenz bei den Anwendungsfenstern gelangt, was in anderen Betriebssystemen eher selten der Fall ist.




Ironischerweise gelingt es Microsoft aber selber nicht, sich konsequent an die eigenen Guidelines zu halten, und das nicht nur bei Spezialanwendungen wie Windows Live Messenger oder dem Windows Media Player. Des weiteren scheint die Oberfläche in einigen Bereichen noch nicht ganz ausgereift, was sich beispielsweise in Fenstern äussert, deren Transparenz den Hintergrund scheusslich verzerrt.


Über den praktischen Nutzen vieler dieser visuellen Effekte und Animationen kann man sich trefflich streiten. Der WindowsFlip 3D beispielsweise – eines der beliebtesten Features an Vista-Demos und per WIN-TAB aufrufbar – animiert die bisherige Funktionalität von ALT-TAB (die weiterhin vorhanden ist) und ist eher eine Spielerei. Sehr praktisch ist dagegen beispielsweise die neue Live-Vorschau für in die Task-Bar verkleinerte Fenster, die erscheint, sobald man mit der Maus über den entsprechenden Button fährt, und die genau das anzeigt, was man sähe, wenn man das Fenster öffnen würde.
Alles in allem macht die Aero-Oberfläche damit einen leicht zwiespältigen Eindruck. Wichtiger als die Oberflächeneffekte, die in Vista eingebaut sind, ist aber ohnehin das darunterliegende Framework: die Windows Presentation Foundation (WPF). Und die ist schlicht revolutionär (vgl. InfoWeek 14/2006). Denn wo es Windows Vista mit seiner bunt animierten Oberfläche oft an echtem (Business-)Nutzen fehlt, kommt dieser mit den Anwendungen, die auf der Grundlage der WPF künftig programmiert werden. Dank der WPF sind hier Effekte und Visualisierungen möglich, die zuvor kaum oder nur mit riesigem Aufwand machbar waren.


Das Startmenü

Zahlreiche einschneidende Änderungen gibt es beim Startmenü. Am augenfälligsten ist dabei die Tatsache, dass Microsoft – endlich – mit dem Start-Button gebrochen hat, der für alles mögliche genutzt wurde, bloss nicht zum Starten. An seiner Stelle findet sich nun eine elegante Kugel, über die man in das auf den ersten Blick bekannte Startmenü gelangt.
Trotz der offensichtlichen Ähnlichkeit wurde dieses aber komplett umgestaltet. So finden sich nun auf der rechten Seite zahlreiche zusätzliche Shortcuts zu häufig benötigten Speicherorten oder Programmordnern, während auf der linken Seite nach wie vor die am häufigsten genutzten Programme gelistet sind. Der «Ausführen»-Dialog wurde komplett gestrichen (ist aber optional wieder anzeigbar) und durch eine Schnell-Suchleiste ersetzt.


Die bereits erwähnte Suchleiste leistet hervorragende Dienste, wenn es darum geht, in den verschachtelten Strukturen des Startmenüs schnell die richtige Anwendung zu finden. Andererseits durchforstet sie blitzschnell auch Dokumente, Internet-Favoriten und sogar E-Mails. Und das führt mitunter zu einer Flut von überflüssigen Resultaten, die beispielsweise aus dem Spam-Ordner stammen und die das eigentlich Gesuchte fast untergehen lassen.
Die wichtigste Neuerung im Startmenü ist aber die Anzeige, die erscheint, wenn man den Button «Alle Programme» anklickt. In Windows XP und zuvor gab es hier ein Pop-up-Menü, das immer weiter in Unterordner kaskadierte und bei einer hohen Anzahl installierter Programme extrem unübersichtlich wirkte. An seine Stelle haben die Microsoft-Programmierer eine Struktur gestellt, die an den bewährten Ordner-Baum im Explorer erinnert: Klickt man auf einen Ordner, werden seine Inhalte und Unterordner fein säuberlich und leicht eingerückt darunter angezeigt. Hat man sich erst mal daran gewöhnt, geht der Aufruf von Programmen damit sehr flott von der Hand.




Was sich die Vista-Entwickler dagegen bei der Neuorganisation der Neustart-, Schlaf- und Ausschalt-Modi gedacht haben, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Sicher ist, dass das ganze unter Windows XP wesentlich eleganter gelöst war. Unter Windows Vista hat man im normalen Startmenü offensichtlich zwei Möglichkeiten, die mit entsprechenden Buttons visualisiert sind: Computer ausschalten oder sperren. Das Problem dabei: Der Ausschaltbutton mit dem typischen «Power off»-Symbol führt nicht zum Herunterfahren, sondern in einen Schlafmodus, der Sperr-Button mit einem Sicherheitsschloss führt dagegen zum erwarteten Ergebnis. Wer den PC tatsächlich herunterfahren statt in den Ruhezustand schicken will, muss relativ fummelig eine zusätzliche Option auswählen – genauso wie der, der bloss den Benutzer wechseln oder sich abmelden möchte.


Der Windows Explorer

Eine der wichtigsten Anwendungen eines Betriebssystems ist der Explorer, über den man jeden beliebigen Aspekt – seien es Einstellungen, Programme oder Daten – schnell erreichen kann. Microsoft hat diese Applikation für Windows Vista einer kompletten Renovation unterzogen.
Das beginnt schon mit der Oberfläche, die mit den Vorver­sionen nur noch wenig gemein hat und an die man sich zunächst gewöhnen muss. Auf die neu standardmässig versteckte Menüleiste (ALT zum Einblenden) wird man oft verzichten können, zumal die meisten Befehle auch im Kontextmenü mit der rechten Maustaste aufgerufen werden können. Ganz gut gefällt die nun kontextsensitive Explorer-Toolbar, über die je nach Art der Anzeige viele Optionen schnell erreichbar sind. Umgekehrt wird man erst mal lernen müssen, welche Optionen in welchem Explorer-Umfeld überhaupt verfügbar sind.



Gewöhnungsbedürftig ist auch die neue «Breadcrumb»-Navigation, die der Navigations-Metapher vieler Websites nachempfunden ist. Während in Windows XP an dieser Stelle der genaue Pfad zu einem Ordner oder einer Datei aufgezeigt wurde, werden nun «Knotenpunkte» im System aufgeführt, die die Navigation vereinfachen sollen. Statt C:\Dokumente und Einstellungen\mva\Eigene Dateien\Dokumente\ steht hier nun beispielsweise ‣ mva ‣ Dokumente ‣. Man beachte dabei vor allem die ‣-Pfeile zwischen den Knotenpunkten: Ein Klick darauf listet alle weiteren Punkte auf der entsprechenden Hierarchie-Stufe im Dateisystem, was die Navigation tatsächlich wesentlich erleichtert und zahlreiche Klicks auf Vor- und Zurück-Buttons überflüssig macht.




Neu gibt es verschiedene ein- und ausschaltbare Explorer-Bereiche, darunter beispielsweise einen Details-Bereich, der zusätzliche Angaben (Metadaten) zu einem Element anzeigt, und einen Vorschau-Bereich – letzterer arbeitet allerdings nur mit einigen wenigen Datentypen zusammen und ist standardmässig ausgeschaltet – kein grosser Verlust also.
Per Standard eingeschaltet ist dagegen der Navigationsbereich, der die Aufgabenleiste aus Windows XP ersetzt, tatsächlich aber eher ein Rückschritt als ein Ersatz ist. Wo in der Vorversion noch kontextsensitive Befehle (nun in die Explorer-Leiste verschoben), Links und Vorschauen zu sehen waren, bietet Vista jetzt eine (immerhin konfigurierbare) Link-Liste. Die Liste bietet standardmässig Links auf die Dokumenten-, Bilder- und Musik-Ordner, dazu welche auf die zuletzt geänderten Dateien und die letzten Suchvorgänge sowie auf öffentliche (freigegebene) Dateien und Ordner. Irgendeinem Oberflächen-Designer bei Microsoft mögen diese Links sinnvoll vorkommen – der Tester allerdings vermisst die direkten Shortcuts auf den Arbeitsplatz oder die Netzwerkumgebung, die hier früher zu finden waren, sehnlichst.


Nicht zuletzt bietet der Windows Explorer nun erweiterte Anzeigestile sowie neue Sortier- und Gruppierungsfunktionen. So lassen sich Elemente in einem Ordner nun nicht mehr nur nach Grösse, Art oder Änderungsdatum sortieren, sondern auch gruppieren – das heisst, dass man beispielsweise Dateien nach dem Alphabet sortieren und nach Typ gruppieren kann, wobei die alphabetische Sortierweise erhalten bleibt. In einem grossen Ordner mit unterschiedlichen Dokumenttypen erweist sich dies als sehr praktisch. Ähnlich funktioniert die neue Option «Stapeln nach», die virtuelle Ordner mit bestimmten Such- und Sortierkriterien erstellt und auf Wunsch permanent speichert.


Über all diesen Optionen steht natürlich die Frage, ob der Windows Explorer in Vista sich geänderte Anzeige-Optionen für Ordner endlich permanent merken kann (was unter Windows XP bekanntlich eher selten der Fall war). Kurz: Er kann. Während unseres Tests hat uns Vista nicht eine einzige User-basierte Ansicht in einem Ordner verhauen, noch nicht mal auf USB-Laufwerken. Das kann sich bei einer längeren Nutzungsdauer allerdings ändern.
Ein wichtiges neues Feature in Vistas Windows-Explorer ist schliesslich die Such-Leiste in der rechten oberen Ecke des Fensters, auf die wir im nächsten Abschnitt näher eingehen werden.


Erweiterte Suchfunktionalität

Erstmals beinhaltet nämlich ein Windows-Betriebssystem eine Suchfunktion, die diesen Namen auch tatsächlich verdient. Was ursprünglich auf WinFS (vgl. Kasten Seite 19) hätte basieren sollen, hat Microsoft nun auf konventionelle Weise (und ähnlich wie Apples Spotlight oder Googles Desktop Search) gelöst – und dabei das Kunststück vollbracht, dass kaum eine früher versprochene Suchfunktionalität fehlt.
In der Tat arbeitet die neue Windows-Suchfunktion sehr beeindruckend. Bereits während man einen Suchbegriff eintippt, erscheinen die ersten Resultate – und das, ohne dass man das System erst lange trainieren oder Indexierungsfunktionen einschalten müsste. Die Geschwindigkeit der Suchfunktion schwankt allerdings stark, je nachdem was gesucht wird und wieviele Festplatten/Partitionen dafür durchsucht werden müssen. In jedem Fall ist die Suche aber wesentlich schneller als unter Windows XP.
Über verschiedene Buttons, die sich per Klick auf «Erweiterte Suche» anzeigen lassen, können die Suchresultate weiter gefiltert werden, während man über die eigentliche «Erweiterte Suche» zahlreiche weitere praktische Filter- und andere Optionen erhält.
Ein Highlight für Poweruser ist die Möglichkeit, Suchabfragen zu speichern. Dabei werden sowohl die Suchabfrage als auch die Resultate in virtuellen Ordnern gespeichert. Das Prozedere ist absolut simpel und macht natürlich vor allem bei häufigen Suchen oder komplexen Suchkriterien Sinn.
Die neue Sofort-Suche ist unter anderem im Startmenü, in den Explorer-Fenstern, in der Systemsteuerung und sogar in einigen Anwendungen wie Windows Mail und dem Internet Explorer 7 zu finden. Problematisch dabei ist allenfalls, dass die Funktion nicht konsequent eingebaut wurde: Vor allem bei einigen Anwendungen wurde sie unerklärlicherweise «vergessen», so beispielsweise im Editor und in WordPad, wo eine Text-Suchfunktion mit vergleichbarer Funktionsweise und Geschwindigkeit anstelle der «alten» Dialog-basierten Suche höchst willkommen wären.


Erstaunlich performant

Microsoft nennt für Windows Vista zwei verschiedene Minimal-Konfigurationen: Für einen Windows-Vista-Capable-PC werden ein Prozessor mit mindestens 800 MHz sowie 512 MB RAM verlangt – damit stehen die meisten Grundfunktionen von Vista zur Verfügung, nicht aber die Aero-Ober­fläche. Wer diese nutzen will, benötigt in seinem Windows-Vista-Premium-Ready-PC eine CPU mit mindestens 1 GHz sowie im Minimum ein Gigabyte RAM, dazu eine Grafikkarte mit DirectX-9-Unterstützung, einem WDDM-Treiber und mindestens 128 MB Grafikspeicher.


Diese Anforderungen klingen gar nicht so exorbitant, bietet sie doch heute fast jeder Standard-PC – wie bei Microsoft gewohnt, handelt es sich dabei allerdings tatsächlich um die absoluten Minimal-Anforderungen. Wer eine ansprechende Performance erwartet, darf sich mit einer derartigen Konfiguration nicht zufriedengeben und sollte zumindest beim RAM kräftig aufrüsten.
Benchmarks, wie sie von verschiedenen Instituten und Medien durchgeführt wurden, zeigen, dass die Performance von Vista auf identischer Hardware in den allermeisten Fällen kaum hinter derjenigen von Windows XP zurücksteht. Das ist eine durchaus angenehme Überraschung und deckt sich auch mit unserer Erfahrung im Praxis-Test. Ausnahmen kann es beispielsweise bei einigen Spielen geben, die unter Vista tendentiell eher langsamer laufen – wer allerdings nicht gerade zu den Hardcore-Gamern gehört, wird davon wenig merken. Dafür kann man als Alltags-Anwender von den neuen Schlaf-Modi profitieren: Im Vergleich zu Windows XP startet ein Vista-Rechner in Nullkommanix aus dem Winterschlaf – so schnell, dass man noch nicht mal auf dem Weg zur Kaffee-Maschine ist.



Interessant dabei ist auch die Tatsache, dass Vista die beste Performance mit dem neuen Aero-Interface zeigt – macht man den Rückschritt auf die abgespeckten Benutzeroberflächen Vista Standard oder Vista Basic, verlangsamt dies das Arbeitstempo. Dieses Verhalten hat einen einfachen Grund: Beim Aero-Interface wird ein grosser Teil der Last an den Grafikprozessor auf der Grafikkarte ausgelagert, während bei den alternativen Oberflächen die Haupt-CPU die Arbeit erledigen muss; die entsprechenden CPU-Zyklen stehen damit anderen Tasks nicht zur Verfügung.


Windows Vista verfügt erstmals über einige clevere Verbesserungen, die der Performance zugute kommen (sollen). Da ist zum einen Windows ReadyDrive, ein Feature, das Hybrid-Festplatten mit integriertem Flash-Speicher als Cache nutzt und damit nicht nur den Systemstart, sondern auch generell die Performance beschleunigen soll. Zu testen gibt es hier noch nichts, weil erste Hybrid-Festplatten frühestens im Januar 2007 auf den Markt kommen werden.


Auf ganz ähnliche Weise funktioniert Windows ReadyBoost: Dabei nutzt Windows Vista freien Platz auf einem USB-Stick, um hier statt auf der Festplatte Daten zu cachen. Voraussetzung ist dabei einerseits, dass der USB-Stick gewisse (moderate) Mindest-Performance-Anforderungen erfüllen muss, die das Betriebssystem vorgibt; andererseits sollte der Stick über genügend freien Speicherplatz verfügen. Microsoft empfiehlt die ein- bis dreifache Menge des installierten RAM. Ausserdem wird verschiedentlich darauf hingewiesen, dass das Feature vor allem auf Systemen mit relativ wenig Haupt­speicher (512 MB bis 1 GB) einen grossen Nutzen bringt. In unserem Test (auf einem Asus-Notebook mit 2 GB RAM) produzierte ReadyBoost dementsprechend wenig überraschend keine messbaren Effekte auf die Systemperformance.



Ein weiteres Feature, das kaum messbare Resultate liefert, aber den Alltag performanter machen soll, ist Windows SuperFetch. SuperFetch überwacht permanent das System und «merkt sich», welche Anwendungen wann benutzt werden. Aufgrund dieser Daten wird dann das Applikationscaching im RAM optimiert und Anwendungen eine höhere Priorität als Hintergrund-Tasks gegeben, was insgesamt dafür sorgt, dass Anwendungen schneller reagieren.
Ein bekanntes Phänomen aller bisherigen Windows-Versionen ist die Tatsache, dass diese bei längerem Gebrauch zunehmend langsamer werden – die Festplatten-Fragmentation schlägt zu und bremst das System aus. Damit soll unter Vista endlich Schluss sein – Microsoft hat eine automatische Defragmentierung eingeführt, die standardmässig einmal wöchentlich für optimale Festplattenperformance sorgen soll. Ob dies tatsächlich die erwünschten Resultate bringt, wird sich allerdings erst über die Zeit zeigen.



Neben den konkreten Massnahmen zur Performance-Steigerung liefert Microsoft mit Vista auch einige Tools, um diese zu messen und zu überwachen. So gibt es beispielsweise einen übersichtlichen neuen Ressourcenmonitor, über den sich Flaschenhälse problemlos ausmachen lassen.
Eher ein Kuriosum in diesem Zusammenhang ist der Windows Experience Index, der eine Gesamtbewertung der Leistung von Rechner und Komponenten liefert. Ironischerweise wird dazu aber nicht der Durchschnitt der gemessenen Werte herangezogen, statt dessen basiert der Index auf dem schlechtesten gemessenen Wert. Und weshalb die möglichen Werte zwischen 1 und 5.9 (!) liegen statt auf einer vernünftigen Skala von 1 bis 5 oder 1 bis 10, bleibt wohl für immer das Geheimnis des mit der Entwicklung dieses Features beauftragten Microsoft-Programmierers. Der Experience Index soll künftig von Anwendungs- und Game-Herstellern genutzt werden, um transparenter zu machen, ob die Software auf einem bestimmten Rechnern läuft – bis dahin hat er noch keinen praktischen Nutzen


Kompatibilität durchzogen

Bisher gab es keine Windows-Version, die mit dermassen vielen Treibern ausgeliefert wurde wie Windows Vista. Nicht weniger als 31’200 Hardware-Treiber stellt Microsoft auf DVD und Online-Update zum Start zur Verfügung. Darunter finden sich auch zahlreiche Exoten – beispielsweise Treiber für die integrierte Webcam unseres Test-Notebooks –, dafür fehlen aber beispielsweise die Treiber für unsere Grafikkarte (ATI Mobility Radeon X1700). Wir konnten uns hier immerhin mit den mitgelieferten Treibern für die Mobility Radeon X1450 aushelfen, die dasselbe Chipset besitzt.




Grundsätzlich ist zu erwarten, dass sich die Treibersituation in den kommenden Monaten weiter verbessert. Ausserdem ist davon auszugehen, dass es bei künftiger Hardware eher selten Probleme mit Vista-Treibern geben wird, müssen diese doch einen umfassenden Test-Marathon bestehen, bevor sie zertifiziert werden. Und die Zertifizierung ist zwar noch keine zwingende Voraussetzung für alle Vista-Treiber (für 64-Bit-Treiber allerdings schon), wird von Microsoft aber angestrebt.
Auf der Software-Seite brachte unser Test gute Resultate. Der Grossteil der getesteten Anwendungen und Spiele lief auf Anhieb, Probleme machte dagegen beispielsweise ACDSee Pro, das partout nicht funktionieren wollte. (Erwartete) Probleme gab es auch bei einigen System-Utilities und Beta-Versionen von Antivirensoftware – Software, die systemnah arbeitet, muss in vielen Fällen noch an die veränderte Architektur angepasst werden.
Entsprechend lohnt es sich für jeden Anwender, vor dem Upgrade den Vista Upgrade Advisor von Microsoft laufen zu lassen. Details dazu finden Sie auf Seite 55.


Starke Sicherheit

Wenn er nur einen einzigen Grund für einen Vista-Upgrade nennen müsste, so wäre das die Sicherheit, sagte Microsofts Vize-Präsident und Vista-Verantwortlicher Jim Allchin anlässlich einer Konferenz. Dies zeigt, welch hohe Stücke Microsoft auf die neuen Sicherheitsfeatures legt – schliesslich ist es das erste Betriebssystem, das komplett nach den Richtlinien für den «Secure Development Life­cycle» entwickelt wurde.


In der Tat hat Microsoft einigen Effort an den Tag gelegt, um Vista so sicher wie nur möglich zu machen. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass einige der Sicherheits-Features von Vista wie beispielsweise das Security Center oder die verbesserte Firewall ihr Debüt im Service Pack 2 für Windows XP hatten. Für Vista hat Microsoft diese Features teils stark verbessert. So wurden etwa Security Center und Firewall stark überarbeitet und mit dem Windows Defender, einem Spyware-Filter, sowie einem Phishing-Filter ergänzt. Dazu kommen der «Protected»-Modus für den Internet Explorer 7 sowie eine überarbeitete Version von Windows Update, die allesamt für eine rudimentäre, aber dennoch recht starke Basis-Sicherheit des Systems sorgen.



Die offensichtlichste neue Sicherheitsfunktion in Vista ist allerdings die sogenannte «User Account Control» (UAC), eine Funktion, die den Anwender vor sich selber schützen soll. Microsoft hat nämlich festgestellt, dass die meisten User bloss einen Account erstellen und diesen dann mit Administratorrechten nutzen. Aus User-Sicht ist dies völlig in Ordnung, vereinfacht es den Umgang mit dem Betriebssystem doch wesentlich – andererseits öffnet es Angreifern Tür und Tor.


Deshalb hat Microsoft nach neuen Wegen gesucht, um das System auch dann zu sichern, wenn der User als Administrator angemeldet ist, und ist dabei auf eine Methode gekommen, die Unix-basierte Betriebssysteme wie Linux oder Mac OS X mit dem «Super-User» seit jeher beinhalten. In der Praxis heisst das, dass auch der Administrator-Account extrem eingeschränkt ist und das Betriebssystem für jede Konfigurationsänderung, Programminstallation und viele andere Aktionen mehr über ein Dialogfeld erst die explizite Erlaubnis des Anwenders verlangt. Dieses Verhalten mag nerven (und es lässt sich – wovon wir dringend abraten – über die Konten-Einstellungen auch ausschalten), es hat seinen grossen Nutzen für die Systemsicherheit unter Unix und Konsorten aber längst bewiesen. Und sind das System erst mal konfiguriert und der Grossteil der Programme installiert, wird man von der UAC auch nicht mehr allzu oft belästigt. In Firmenumgebungen lässt sich dieses tolle Feature übrigens auch nutzen, um unerwünschte Anwendungen wie Instant Messenger oder File-Sharing-Programme zu blocken.



Praktisch für Geschäftsleute, die auf ihren Notebooks üblicherweise massenhaft wertvolle Daten spazierenführen und die Laptops Untersuchungen zufolge öfter mal «verlieren», ist die BitLocker-Verschlüsselung für das Systemlaufwerk. Diese sorgt dafür, dass ein Finder (oder Dieb) eines Notebooks keinen Zugriff auf die Daten erhält – auch dann nicht, wenn die Festplatte ausgebaut wird. Allerdings stellt BitLocker recht hohe Anforderungen: Neben einem Trusted Platform Module (TPM) mit passendem BIOS für die TPM-Version 1.2 müssen zwei Parti­tionen vorhanden sein, die manuell zu erstellen sind. Alles in allem ist die Prozedur zur Einrichtung derzeit etwas umständlich und einigermassen langwierig.



Einige spezielle Sicherheitsfeatures sind leider nur in den x64-Versionen von Vista enthalten. Ein Beispiel ist der sogenannte Address Space Layout Randomizer, der dafür sorgt, dass System-Dateien beim Booten in zufällig bestimmte Adress-Bereiche geladen werden. Damit wird der grösste Teil möglicher Attacken schlicht dadurch ins Leere gehen, dass ein Angreifer nicht sichergehen kann, dass Systemdateien an einem bestimmten Ort zu finden sind. Weiter verfügt die 64-Bit-Vista-Version über die Kernel Patch Protection, die zuverlässig verhindert, dass der Vista-Kernel während der Laufzeit verändert wird – darunter leiden allerdings nicht nur Malware-Autoren, sondern auch die Hersteller von Sicherheits-Software und Microsoft selber... Bereits angesprochen wurde die Zertifizierungspflicht für 64-Bit-Treiber, und nicht zuletzt verzichtet Microsoft erstmals auf das 16-Bit-Subsystem. Damit sinkt zwar die Anwendungskompatibilität, dafür steigt die Zuverlässigkeit des Systems.


Was Windows Vista fehlt

Im Lauf seiner Entwicklung musste Windows Vista einige Einbussen hinnehmen. So gelten etwa verschiedene (eigentlich neue) Features als nicht mehr besonders cool – weil sie halt auch für Windows XP angepasst wurden. Dazu zählen beispielsweise die Windows Presentation Foundation (WPF) oder der Internet Explorer 7, die ursprünglich Vista hätten vorbehalten sein sollen. Nun gibt es beispielsweise von IE 7 exklusiv für Vista nur noch den «Protected Mode» – aber der hat es immerhin in sich.
Am meisten Schlagzeilen bei der Feature-Abspeckung machte aber WinFS (Windows Future Storage), ein System, das über dem Dateisystem sitzen und auf SQL basieren sollte. WinFS wurde erst auf später verschoben (Beta für RTM-Zeitpunkt von Vista versprochen) und dann komplett gekippt. Ein grosser Verlust ist es insofern nicht, als es Microsoft geschafft hat, die Funk­tionalität mit herkömmlichen Technologien zu bieten. Dennoch arbeitet der Redmonder Software-Riese an einer Nachfolge-Technologie zu WinFS – auch wenn diese dereinst ganz anders heissen wird.


Fazit

Es ist offensichtlich, dass in diesem Test trotz seines Umfangs nur ein Teil der sehr vielen Neuerungen und Funktionen von Windows Vista gestreift werden konnte. Auf etliche der Features werden wir in künftigen Artikeln zurückkommen und sie im Detail betrachten (vgl. dazu auch den Beginn unserer mehrteiligen Vista-Serie ab Seite 53). Anderes wird sich erst über die Zeit zeigen – so zum Beispiel, ob die neu integrierten Sicherheitsfunk­tionen und die verschiedenen Performance-Optimierungen halten, was sie versprechen.
Sicher ist aber, dass Microsoft mit dem neuen Betriebssystem – aller Abstriche zum Trotz – ein grosser Wurf gelungen ist. Ob sich damit allerdings die erwünschte Zahl Anwender dazu bewegen lässt, ihr altbewährtes Windows XP sausen zu lassen, wird sich zeigen. Wir können’s nur empfehlen.





So viel kostet Windows Vista





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