VP-Bank: Kundenverwaltung selbstgemacht

Beim Aufbau eines CRM stellt sich für jedes Unternehmen die Gretchenfrage: Massgeschneiderte Software oder Lösung von der Stange?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/19

     

Wie wichtig beim Aufbau eines CRM (Customer Relationship Management) eine gründliche Abklärung der internen Bedürfnisse und ein minutiöser Vergleich aller möglichen Lösungen ist, zeigt das Fallbeispiel der VP Bank: Die auf Vermögensverwaltung spezialisierte Privatbank hat es sich zum Ziel gesetzt, jede Kundin und jeden Kunden individuell und persönlich zu beraten. Um den Kundenservice weiter zu verbessern - und selbstverständlich auch, um die Akquisition neuer Kunden zu erleichtern - setzten sich die Verantwortlichen des Unternehmens bereits frühzeitig mit CRM auseinander.




Nach einer gründlichen Studie zum Thema kristallisierten sich die wesentlichen Anforderungen an eine künftige CRM-Lösung heraus: Gesucht wurde eine Realtime-Applikation, welche alle vorhandenen Kundeninformationen auf einer zentral verwalteten Plattform zusammenbringen würde. Daten aus sämtlichen Unternehmensbereichen sollten dem Beratungspersonal für die tägliche Arbeit ohne Verzögerung und in einem einheitlichen Format zur Verfügung stehen. Ausserdem sollte das neue Tool einfach anzuwenden und kompatibel mit den bereits bestehenden Applikationen sein. Verlangt wurden schliesslich modulare Erweiterungsmöglichkeiten und ein Roll-out innerhalb von sechs Monaten.


Aufwendige Integration

Grundsätzlich hatte man bei der VP Bank erwartet, eine Standardlösung zu finden, welche diese Kriterien erfüllen würde. Aber es sollte anders kommen: Sämtliche evaluierten Standardlösungen scheiterten am enormen Aufwand für die Integration in die bestehende IT-Infrastruktur der VP Bank. Prognostiziert wurden eine Projektdauer von mindestens 18 Monaten und Kosten in der Höhe von rund 10 Millionen Schweizer Franken. Die Integration einer Standardlösung würde laut Prognose nicht nur einen enormen externen Beratungsaufwand nach sich ziehen, sondern auch intern grosse Ressourcen binden. Ausserdem hätte man bei dieser Lösung keine Garantie, dass die Enduser nach der erfolgten Implementierung auch ohne Probleme mit den neuen Tools arbeiten könnten.





Lösung nach Mass

Gerhard Haering, CIO der VP Bank, blickt in seinem Referat am Financeforum zurück: "Es war für uns schlicht und einfach unvorstellbar, ein solches Projekt 18 Monate lang laufen zu lassen und während dieser Zeit mit CRM keinen einzigen neuen Kunden zu gewinnen." Gegen eine Standardlösung entschied man sich aber nicht nur wegen der langen Projektlaufzeit, sondern auch wegen der hohen Kosten. Für Gerhard Haering ist heute klar: "Es kann sich durchaus lohnen, selber eine CRM-Lösung zu bauen, statt ein Softwareprodukt von der Stange anzupassen."



Die individuelle Lösung für die VP Bank kam schliesslich von Ergon Informatik und gliederte die Einführung des neuen CRM-Systems in verschiedene Phasen: Innerhalb der ersten sechs Monate wurde ein eigens konzipiertes Erfassungssystem für die Kundendaten aufgebaut. Dieses massgeschneiderte System geht auf die konkreten Bedürfnisse der VP Bank ein und kommuniziert direkt mit den bestehenden Applikationen des Unternehmens. Die auf Java basierende Software ist heute im Testeinsatz und wird gemäss den Anregungen der Enduser weiter optimiert. Für Gerhard Haering ist das massgeschneiderte CRM-System seiner Bank eine echte Alternative zu Standardlösungen: "Unsere CuBe Solution (Customer's Benefit) erfüllte sämtliche Anforderungen, verursachte geringere Kosten und war viel schneller produktiv als jede angepasste Standardlösung."





Oder doch ab Stange

Bei Softwarefirmen, welche Standardprodukte für den Bereich CRM herstellen, sieht man die Sache naturgemäss etwas anders. Markus Kunz, CEO von E.piphany, weiss gleich von mehreren Fällen, wo eine Standardlösung im Vergleich zu Software nach Mass nicht nur wesentlich günstiger, sondern auch schneller produktiv war. Als Beispiel nennt er eine kürzlich für die Halifax Bank realisierte Lösung: "Die gesamte Realtime-Applikation für das Call Center des Unternehmens wurde in 18 Monaten implementiert. Zum Thema Kosten nur so viel: Dieser Kunde erzielte innerhalb von sechs Monaten einen kompletten Return on Investment."



Mit der Barclays Bank und Global One haben sich in den vergangenen Monaten zwei weitere renommierte Finanzinstitutionen für Standardprodukte von E.piphany entschieden - und beide Unternehmen sind mit der gewählten Lösung überaus glücklich. Markus Kunz zur Wahl der VP Bank: "Ich kenne die IT-Infrastruktur dieses Unternehmens nicht. Deshalb kann ich auch nicht schlüssig sagen, ob die Aufwandsprognose für die evaluierte Standardlösung richtig war - oder ob sich ein Softwareprodukt ab Stange am Ende doch gerechnet hätte."





Von Fall zu Fall

Die beiden unterschiedlichen Meinungen von Gerhard Haering und Markus Kunz zeigen, dass eine schlüssige Antwort auf die Frage "Standardsoftware oder Lösung nach Mass?" nicht möglich ist. Gerade im anspruchsvollen Bereich CRM muss jedes Unternehmen für sich selber die passende Lösung finden: abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse und unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Infrastruktur. Die Analyse dieser Bedürfnisse und die Evaluation möglicher Lösungen sind zwar oft zeit- und kostenintensiv - aber sie lohnen sich bei Projekten dieser Art auf jeden Fall.



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