Der Weg zur Auslagerung hängt von der Geldbörse ab

Damit sich KMU nicht mehr Probleme einhandeln, als sie auslagern, sollten sie sich gut auf das Outsourcing vorbereiten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/17

     

KMU, die ihre IT auslagern wollen, tun gut daran, erst ihre Informatik in Ordnung zu bringen, sich über die eigenen Bedürfnisse klar zu werden und dann ihren Partner sorgfältig auszuwählen. Dies der übereinstimmende Ratschlag von Fredy Frei, Senior Manager bei KPMG in der Abteilung Informations Risk Management, und von Patrick Püntener, CEO des Basler IT-Beraters IT-Systems. Frei zählt vor allem grössere Unternehmen zu seinen Kunden. IT-Systems ist auf kleinere und mittlere Firmen spezialisiert. Viele KMU wollen sich, unabhängig von ihrer eigenen Grösse, so wenig wie möglich mit IT beschäftigen. Dem Wunsch, die Informatikdienste einfach einzukaufen, steht aber viel Unsicherheit über die Risiken des Auslagerns entgegen. InfoWeek wollte von den beiden Beratern wissen, was sie ihrer Klientel bei der Suche nach dem geeigneten Outsourcing-Partner empfehlen. Dabei zeigt sich, dass für grössere und kleinere Unternehmen zum Teil ganz unterschiedliche Vorgehensweisen sinnvoll sind.



Der Outsourcing-Brei wird längst nicht mehr so heiss gegessen, wie er einst gekocht wurde. Fredy Frei spricht aus Erfahrung. Die Outsourcing-Thematik beschäftigt ihn seit seiner Zeit als Abteilungsleiter im Rechenzentrum einer Grossbank. Heute berät er grössere Unternehmen, die ihre IT auffrischen und vor allem auch Kosten senken wollen und dabei immer auch ans Auslagern denken. Dies ist aber längst nicht in allen Fällen sinnvoll.




Das Auslagern der gesamten IT wird heute praktisch nicht mehr praktiziert, so Frei. Die damit entstehende Abhängigkeit ist einfach zu riskant. In einzelnen Bereichen ist Outsourcing aber für viele Unternehmen der effizienteste Weg, um zu qualitativ guten Informatikdienstleistungen zu kommen. Zwei Dinge dürfen laut Frei bei einem Outsourcing-Entscheid jedoch nicht die Hauptgrundlage bilden: erstens das Sparen und zweitens das Loswerden bestehender IT-Probleme.


Nicht per se billiger

Obwohl das Sparen immer wieder als einer der wichtigsten Reize des Auslagerns angeführt wird, wird der Spareffekt und damit sein Stellenwert überschätzt. Zum einen ist Outsourcen nicht per se billiger als der Eigenbetrieb. Zum anderen zeigt eine Nutzwertmatrix (siehe Kasten), die beim Finden eines passenden Outsourcers hilft, dass die Kosten im Schnitt nur etwas mehr als einen Achtel zum Selektionsentscheid beitragen. Für Frei ist aus seiner Erfahrung klar, dass auch ein effizienter Sourcer IT-Dienstleistungen von gleicher Qualität nicht entscheidend billiger erbringen kann als eine gut organisierte Abteilung im Betrieb. Schliesslich werden Teile des Sparpotentials durch die nicht unerheblichen Transaktionskosten für die Verlagerung zum Dienstleister und durch zusätzliche Kommunikations- und Managementstufen wieder aufgehoben. Offshore-Outsourcing, zum Beispiel nach Osteuropa, bietet zur Zeit wegen der grossen Lohnunterschiede zwar theoretisch ein signifikantes Sparpotential. Gerade für KMU ist dieser Weg aber wegen der komplizierteren Kommunikation mit dem Anbieter nur in Spezialfällen ratsam. Zudem ist aufgrund des steigenden Wohlstands in den betreffenden Schwellenländern der Zeitpunkt absehbar, an dem die Preisdifferenz verschwinden wird.





Probleme führen zu Problemen

Vom Auslagern von IT-Problemen rät Frei dringend ab. Wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, die nötige IT-Leistungsqualität selber zu erbringen, wie soll es dann in der Lage sein, die Ansprüche gegenüber dem Sourcing-Partner besser zu formulieren und die Leistungen auch wirklich zu kontrollieren? Für Frei ist klar, dass eine funktionierende Outsourcing-Partnerschaft nur möglich ist, wenn der Abnehmer in jeder Beziehung auf gleicher Höhe mit dem Anbieter kommunizieren kann, und das bedingt, dass der eigene Laden grundsätzlich in Ordnung sein muss. Generell rät Frei, dass ein Outsourcing-Schritt schon im voraus gut durchdacht sein muss, zumal einige Anbieter Schwächen beim Kunden konsequent ausnützen, und das kann teuer zu stehen kommen. Bevor sich Unternehmen, die selber über ein begrenztes IT-Know-how verfügen, auf die Suche nach einem Sourcing-Partner machen, lohnt es sich für sie darum meist, externe Hilfe beizuziehen, folgert der Berater nicht ganz uneigennützig. Zusammen werden dann die Bedürfnisse und Möglichkeiten sowie die Mängel des Unternehmens im Detail abgeklärt und die Bereiche definiert, bei denen ein Einkauf der Dienstleistung Sinn macht (siehe Tabelle Seite 28). Auch muss immer daran gedacht werden, dass die Umstände irgendwann wieder ein Insourcing nötig machen könnten. Diese Umkehr sollte dann möglichst einfach und kostengünstig zu bewerkstelligen sein.



Auch Patrick Püntener rät kleinen Firmen dringend, erst die IT aufzuräumen, bevor ausgelagert wird. Muss der Outsourcer erst Ordnung schaffen, tut er das zu seinen Spezialisten-Stundenansätzen, was bei mindestens 150 Franken pro Stunde ein teurer Spass werden kann. Ein Total-Outsourcing aus Kostengründen macht auch für Kleine wenig Sinn. Auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt sind gut qualifizierte IT-Generalisten zu bezahlbaren Löhnen zu haben. Darum empfiehlt Püntener Unternehmen ab 10 IT-Arbeitsplätzen, das Tagesgeschäft selber zu besorgen. Externe Hilfe soll nur dann geholt werden, wenn die eigenen Kompetenzen und Ressourcen nicht mehr ausreichen. Insbesondere die Einführung neuer Systeme überfordere aber viele Einmann-IT-Abteilungen, wie Püntener aus Erfahrung weiss. Interessanterweise bauen heute auch viele Grossfirmen wegen des für sie vorteilhaften Arbeitsmarkts wieder eigene Supportabteilungen auf. Das arbeitsintensive Alltagsgeschäft kann auch ein gut organisierter Outsourcer nicht wesentlich effizienter abwickeln als eine eigene Abteilung, wie Püntener diesen Trend erklärt. Zudem sei beim Support die direkte Nähe zu den Endanwendern wichtig.





Wiedergeburt der ASP

Neben Neueinführungen wird für kleine Unternehmen aber auch das totgesagte ASP-Modell (Application Service Provider) neuerdings immer attraktiver. Laut Püntener macht dieses Modell bei relativ aufwendigen Applikationen Sinn, die kaum branchenspezifisch sind, wie beispielsweise E-Mail oder Sicherheit. Aber auch für extrem
branchenspezifische Anwendungen, wie beispielsweise die Ersatzteillagerverwaltung einer Garage, eignet sich die ASP-Anwendung für Kleinunternehmen. Für die Zukunft, wenn die entsprechenden Tools zur Verfügung stehen, erwartet Püntener, dass auch Monitoring- und Verwaltungsanwendungen von den Kleinen über ein ASP-Modell aus der Steckdose bezogen werden. Dafür müsste allerdings auch der wirklich breitbandige Internernetanschluss für die Kleinen noch billiger werden; eine Standleitung können sich die wenigsten leisten.





Unterstützung von aussen

KPMG-Mann Frei rät, zu Beginn der Outsourcing-Partnersuche verwandte Unternehmen nach ihren Erfahrungen zu befragen oder einen ausgewiesenen Marktkenner beizuziehen, der einem über die nirgends offiziell kommunizierten versteckten Stärken und vor allem Schwächen der einzelnen Anbieter aufklären kann. Generell sollte die Kernkundschaft des künftigen Geschäftspartners in der gleichen Grössenordnung liegen wie der eigene Betrieb. Ansonsten droht man bei Problemen immer auf die Wartebank gesetzt zu werden. Zudem muss der Outsourcer die Branche des Kunden und damit auch dessen spezifische Bedürfnisse kennen. Dies verhindert unnötige Missverständnisse und erleichtert im Problemfall die Kommunikation. Kommunikation ist überhaupt einer der wichtigsten Pfeiler einer erfolgreichen Partnerschaft. Das gegenseitige Verständnis wird in der Nutzwertmatrix (Kasten unten) durch die beiden Felder "Unterstützung Geschäfts-/IT-Strategie" und "Kulturstimmigkeit" abgedeckt. Diese machen zusammen mehr als einen Viertel der Entscheidungsgrundlage aus. Schliesslich ist auch eine ausgelagerte IT-Abteilung bis zu einem gewissen Grad immer noch ein Teil des Unternehmens. Die Partnerschaft funktioniert nur, wenn Richtung und Gewichtung die gleichen sind.



Bevor man schliesslich in konkrete Verhandlungen tritt, braucht man keine Hemmungen zu haben, die Kandidaten zu Workshops antanzen zu lassen, um ihnen gründlich auf den Zahn zu fühlen, rät Frei. Wird eine solche Schönheitskonkurrenz konsequent sachlich durchgeführt, offenbart sich meist, ob der Anbieter wirklich die Qualitäten besitzt, die ein Unternehmen von seinem zukünftigen Partner erwartet. Hilfsmittel wie die Nutzwertmatrix helfen einem dabei, kein grundlegendes Kriterium zu vergessen und die einzelnen Punkte richtig zu gewichten. Je nach internem Know-how lohnt es sich auch in dieser Phase, externe Hilfe beizuziehen. Und natürlich sollte man Referenzen anfordern, um von deren Erfahrungen profitieren zu können. Wer so vorbereitet in die eigentlichen Vertragsverhandlungen eintritt, wird auch aus diesen und der anschliessenden Partnerschaft das Optimum für sein Unternehmen herausholen können.





Sourcer und Berater in einem

Kleinere Unternehmen zwingt ihr kleineres Budget zu einem anderen Vorgehen. Für sie liegt das Engagement eines externen Beraters meist nicht drin. In der Realität übernimmt darum der Outsourcer in einer solchen Partnerschaft meist gleich auch noch die Rolle des Consultants. Dies ist laut Püntener ohne grössere Probleme möglich, weil die Komplexität der Unternehmen und ihrer IT genügend klein ist. Im Gegenteil: Die Abstimmung im Dreieck zwischen sich, einem externen Berater und dem Outsourcer überfordere meist die Organisationsstruktur von Kleinen, die sich aus ihrem normalen Geschäftsalltag den direkten, informellen Kontakt gewohnt sind, so Püntener.



Umso wichtiger ist aber die sorgfältige Auswahl des Sourcing-Partners. Und da erstaunt es auch nicht, dass Püntener eine stimmende Chemie als einen der wichtigsten Auswahlpunkte nennt. Dies erleichtert die Zusammenarbeit, da der Outsourcer selber möglichst viele Bedürfnisse des Kunden abdecken kann. Denn je mehr Drittfirmen involviert sind, desto mehr wird die eigene Organisation mit Koordinationsaufgaben belastet. Auch um die eigene Belastung so gering wie möglich zu halten, rät der Basler Berater seinen Kunden, darauf zu achten, dass der Partner ein einfaches und transparentes Kostenmodell hat. Insbesondere findet Püntener, dass man sich nicht auf Service-Abos einlassen sollte. Wenn man nur die Leistungen bezahlt, die man auch bezieht, kann man von Fall zu Fall entscheiden, ob der Dienst sein Geld wert ist oder ob man es selber versuchen will. Zudem kann ein Unternehmen so auch Kosten senken, indem es das interne Know-how mit der Zeit vergrössert.





Kollegen, Webpages, Schönheitskonkurrenz

Primäre Informationsquelle sind für kleine Firmen meist Bekannte aus der eigenen Branche. Dies ist auch bei der Auswahl eines Outsourcing-Partners nicht anders. Um herauszufinden, wer in der näheren Umgebung des eigenen Geschäfts überhaupt Auslagerungsdienste anbietet, stellt Microsoft zudem - zumindest für die überwiegende Mehrheit der Kleinunternehmen, deren IT auf Microsoft-Produkten basiert - unter http://directory.microsoft.com/resourcedirectory/Services.aspx eine Datenbank zur Partnersuche zur Verfügung. Um eine erste Auswahl zu treffen, rät Püntener, sich erst einmal die Webseiten der in Frage kommenden Anbieter anzuschauen. Ein unprofessioneller Webauftritt spricht nicht unbedingt für die erwartete Qualität der Dienstleistungen.



Ist die Auswahl auf zwei, drei Kandidaten eingeschränkt, sollten die Kleinen genau wie die Grösseren eine Schönheitskonkurrenz abhalten. Bevor jedoch die Sourcer zu Präsentationen eingeladen werden, muss das Unternehmen, so Püntener, ein detailliertes Pflichtenheft erstellen. Dieses muss nicht technisch sein, sondern die Business-Bedürfnisse formulieren. Es dient auch weniger der späteren Umsetzung der Partnerschaft als vielmehr der eigenen Entscheidungsfindung. Ein Pflichtenheft hilft, die meist sehr unterschiedlich aufgebauten Serviceangebote und Preismodelle überhaupt vergleichen zu können. Zudem ergibt sich aus der Art, wie die Offerten auf das Pflichtenheft eingehen, ein weiteres Selektionskriterium. Wenn ein Anbieter die formulierten Anforderungen einfach ignoriert und eine Offerte nach seinem Gusto abgibt, wäre dieser für ihn aus dem Rennen, so Püntener.




Nutzwertmatrix zur Beurteilung der Wichtigkeit einzelner IT-Kriterien



Was ausgelagert werden kann und was nicht



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