Apfel und Quark im Strudel
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/04
Apple Schweiz sieht Aufklärungsbedarf. Die Meldung, dass nach der Tamedia, der NZZ und Ringier aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Espace Media Groupe (EMG, Berner Zeitung), Jean Frey und die Basler Zeitung den Mac aus ihren Betrieben verbannen, hat offensichtlich viele professionelle Mac-User verunsichert. Jetzt plant Apple laut Länderchef Roger Brustio ein "grosses" Seminar im April, um die Gemüter in den Agenturen und Kleinverlagen wieder zu beruhigen und um das Commitment für die professionellen Anwender zu unterstreichen.
Eine Veranstaltung hat auch A+F Computersysteme AG, der mit Abstand bedeutendste Integrator in der schweizerischen grafischen Industrie, Ende März in Sursee geplant. Und die hat es in sich. Denn nicht nur Apple verliert bei den Verlagen an Boden, sondern auch für das Redaktionssystem von Quark (QPS) brechen harte Zeiten an. Sowohl Apple wie Quark hatten meist als Bündel bisher im Schweizer Verlagswesen einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Urs Felber, Geschäftsführer von A+F, rechnet für Apple durch den Ausstieg der Grossverlage in den nächsten drei bis vier Jahren mit einem Rückgang auf rund 50 Prozent. Da dürfte auch QPS einiges an Federn lassen, denn A+F will in der Stadthalle Sursee ihr "neues Redaktionssystem" vorstellen, und dies kann - weil neu - wohl kaum QPS heissen.
Gemäss Felber habe man schon vor einem Jahr angefangen zu evaluieren, als immer klarer wurde, dass die schweizerischen Grossverlage in Zukunft auf integrierte Verlagssysteme setzen und somit den einstufigen Redaktionssystemen den Rücken kehren. Interessant dürfte dabei auch sein, welches Layout-Tool das Rennen macht. QuarkXPress hat heute sicher noch die bessere Produktivität, in Sachen Funktionalität und Integration wurde es aber eindeutig von Adobes InDesign überholt. Kein Wunder wenn also Franz Bürgi, Informatikverantwortlicher der EMG, den Umstieg auf die Windows-Plattform auf in zwei bis drei Jahren festlegt, "wenn das gute, aber langsam in die Jahre gekommene QPS abgelöst wird."
Demgegenüber dürfte der Grossverlagsentscheid für Apple kaum schnell weitere Kreise ziehen. Für kleinere Verlage und Agenturen macht ein Umstieg wirtschaftlich weniger Sinn, es sei denn, sie werden von Grossabnehmern gedrängt. Zudem ist bei den Kleinen auch der entscheidende Geschäftsinhaber meist seit seinem Einstieg ins Arbeitsleben auf den Mac konditioniert. Dies bestätigt auch Fritz Maurer, Rektor der Abteilung Druck-, Gestalter- und Malerberufe der Berufsschule für Gestaltung in Zürich: "Wir haben zwar in den Weiterbildungskursen vermehrt Windows-Nutzer, aber es ist immer noch ein kleiner Anteil." Dies könnte allerdings auch daran liegen, dass die Zürcher ausschliesslich auf Mac ausbilden. Eine zweite Plattform liegt aus Kostengründen nicht drin, so Maurer in umgekehrter Übereinstimmung mit den Grossverlagen. Demgegenüber plant die Berufsschule, noch in diesem Jahr auch die Lehrlinge zusätzlich zu QPS auf InDesign auszubilden. Bisher wurde dies nur als Weiterbildung angeboten.
Negativ könnte sich für Apple über die Zeit allerdings auswirken, dass die Journalisten der grossen Publikationen nicht mehr auf Mac arbeiten. Damit könnte die überproportionale Berichterstattung über die Lifestylerechner in den nächsten Jahren automatisch auf ein dem Marktanteil entsprechendes Niveau absinken.
Der Entscheid der Schweizer Grossverlage gegen den Mac gründet auf einer gemeinsamen Untersuchung von Tamedia, NZZ und Ringier, an der die EMG und die Basler Zeitung als zugewandte Orte beteiligt waren. Laut dem CIO des Tamedia-Verlags, René Haiss, wurden die Mac- und die Intelplattform dabei anhand von 80 Kriterien verglichen, wobei für Haiss klar war, dass es in Zukunft keinen Parallelbetrieb mehr geben wird, weil dies zu hohe Supportkosten verursacht. Die Tamedia rechnet mit Umstiegskosten von 1,9 Millionen Franken. Der Upgrade auf Mac OS X würde demgegenüber nur mit 1,5 Millionen zu Buche schlagen. Die Differenz könne aber durch die Supporteinsparungen schon in einem Jahr wettgemacht werden, so Haiss.
Laut Franz Bürgi, Informatikverantwortlicher der EMG, war das schlagende Argument für Windows die eindeutige Aussage der entscheidenden Software-Hersteller zu Gunsten des PC-Betriebssystems, während OS X von vielen nur noch halbherzig unterstützt werde. Zudem sei die Enterprise-Strategie von Apple zu unklar, so Bürgi.
Aber auch andere Argumente sprechen gegen den Mac. Dazu gehören strategische Punkte wie die Linux-Unterstützung und die Outsourcing-Möglichkeiten. Dies könnte für den Tagesanzeiger schon bald von Bedeutung werden. Schliesslich ist der Verlag derzeit damit beschäftigt, die Auslagerungsmöglichkeiten abzuklären. Zudem will man im Serverbereich vermehrt auf Linux setzen.
Mit dem gemeinsamen Desktop-Plattform-Entscheid ist die schon länger andauernde Informatik-Zusammenarbeit zwischen Tamedia, NZZ und Ringier aber noch nicht beendet. Bezüglich Internet-Technologie seien erste Konzepte zur Vereinheitlichung der Plattformen ausgearbeitet worden, so Haiss.
Im nächsten InfoWeek vom 8. März 2004 erscheint ein Vergleichstest zwischen Quark 6 und InDesign CS.