Verkaufsargument Zertifikat
Für die grosse Masse der heimischen KMU ist Outsourcing zur Zeit kein vordringliches Thema wie unsere kürzliche Umfrage (InfoWeek Ausgabe 21/2003) ergeben hat. Schweizer Grosskonzerne mit stark amerikanisch geprägtem Management verordnen demgegenüber heute ihren IT-Abteilungen Offshore-Outsourcing teilweise von oben. Dabei geht es neben dem klassischen Hosting immer mehr auch um die Applikationsentwicklung. Als Trumpf ziehen dabei die vorwiegend indischen Offshore-Anbieter gegenüber den Schweizer Softwarehäusern die CMM-Level-5-Zertifizierung (Capability Maturity Model, siehe Kasten) aus dem Ärmel. Die heimischen Anbieter kommen mit ihrer Qualitätssicherung meist höchstens auf Level-3-Niveau. Zertifiziert ist dabei nach unseren Recherchen kein einziger.
Vital Meyer, bei der Zürcher Netcetera fürs Qualitätsmanagement zuständig, bestätigt den Trend. Qualitätszertifikate seien ein Thema, das man bei Netcetera in den letzten Monaten intensiver verfolge. Die verstärkte Präsenz von vorwiegend indischen Outsourcing-Anbietern, welche auf Level 5 zertifizierte Services anbieten, habe dabei auch seinen Einfluss, so Meyer. Grundsätzlich habe dies aber mehr mit Fortschritten in der Software-Entwicklung und mit einer Verbesserung ihrer (Qualitäts-)Standards zu tun. Allerneueste Technologien interessieren heute im Gegensatz zu den Internet-Boom-Zeiten nur noch am Rande. Qualität und Preis stehen heute im Vordergrund.
CMM als Richtschnur
Für Netcetera kommt im speziellen dazu, dass ein Teil der Codierarbeit von einer Tochterfirma in Mazedonien geleistet wird. "Das zwingt einem zu mehr Formalitäten und einer präziseren Definition der Prozesse", wie Meyer präzisiert. Eine Zertifizierung an sich sei für Netcetera zur Zeit aber kein akutes Thema. Man nehme CMM hingegen als Richtschnur, anhand derer die internen Prozesse optimiert werden.
Bei Projektvergabeentscheiden zählt heute praktisch ausschliesslich der Preis, konstatiert Stefan Arn von AdNovum. Prozesse und Qualitätssicherung müssen darum so schlank wie möglich und so effizient wie nötig sein. Zudem hätten alle in Frage kommenden Grosskunden heute eigene standardisierte Prozesse implementiert, an die man sich halten müsse. Qualitätssicherung und nachvollziehbare Entwicklungsprozesse seien von den Kunden zwingend gefordert, aber hätten sich an deren Abläufe und nicht an CMM zu halten. Der beträchtliche Zertifizierungsaufwand würde vor allem unnötigerweise die Kosten in die Höhe treiben, erklärt Arn weiter, warum sein Unternehmen vorderhand keine Zertifizierung im Auge habe.