Quantenhüpfer unter dem Zeigefinger

Über 20 Jahre brauchte Apple, um sich zu überwinden, eine Mehr-tastenmaus auf den Markt zu bringen, ohne Tasten zu verwenden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/17

     

Apple ist spätestens seit dem iPod nicht mehr nur als Design-Pionier, sondern auch als Entwickler von sehr benutzerfreundlichen Geräten bekannt, die auch von Computer-Laien problemlos bedient werden können. Doch ein wichtiger Bestandteil aus Apples Produktpalette wurde seit über 20 Jahren sträflich vernachlässigt: die Maus. Anfang August hat Apple überraschend eine neue Maus vorgestellt, die erste in der Firmengeschichte, die mit mehr als einer Taste daherkommt und sogar einen Scrollball mitbringt. Ihr Name: Mighty Mouse.


Bekanntes Gesicht

Wie auch bisher setzt Apple auf den designtechnischen Alleingang. Rein äusserlich unterscheidet sich die Mighty Mouse kaum vom Vorgänger, der Pro Mouse. Sie erinnert noch immer an ein langgezogenes Mozzarella-Stück. Das Kabel ist mit rund 80 Zentimetern auch für Notebook-Anwender nach wie vor zu kurz. Auf einzelne Tasten wird weiterhin verzichtet. Neu ist einzig ein kleiner Ball am Kopf der Maus. Die technischen Neuerungen muss Apple also unter der Oberfläche versteckt haben.


Fühlen statt klicken

Und tatsächlich, Apples Innovation findet man bei der Verarbeitung der Anwender-Aktionen: Klicks werden im Gegensatz zu den Nagern anderer Hersteller nicht mechanisch, sondern mit Hilfe von berührungsempfindlichen Sensoren ausgelöst. Das akustische Feedback erhält man entsprechend auch nicht von einer Mechanik, sondern über kleine, in der Maus versteckte Piezo-Lautsprecher, welche die klassischen Mausgeräusche imitieren.
Die Sensoren unterstützen am Kopf der Maus sowohl den bereits bekannten Eintastenmodus als auch den Zweitastenbetrieb für Rechts- und Linksklick. Der Scrollball kann als dritte Taste verwendet werden. Die Seitentasten, auf denen normalerweise Daumen und Ringfinger aufliegen, dienen als vierte Taste, wenn sie gemeinsam gedrückt werden, womit man die Maus quasi quetscht. Der Scrollball kann nicht nur vertikal und horizontal scrollen, sondern je nach motorischer Präzision des Anwenders auch diagonal.
Um den vollen Leistungsumfang der Mighty Mouse ausschöpfen zu können, muss wie bei allen modernen Mäusen zuerst die mitgelieferte Maus-Software installiert werden. Die Software nistet sich in den Systemeinstellungen ein und dient vor allem zur Belegung der Tasten. Im Vergleich zu den Softwarelösungen von Logitech und Co. ist das Apple-Programm eher spärlich. Neben Rechts- und Linksklick ist nur die Steuerung von Dashboard, Exposé, Spotlight und das Aufrufen anderer Programme möglich. Eine Funktion zur Belegung mit speziellen Tastenkombinationen sucht man ebenso vergebens wie Multimedia-Funktionen. Dafür kann man mit der Software sämtliche Mighty-Mouse-Funktionen deaktivieren und Apples neusten Nager in eine Pro-Mouse verwandeln. Doch ist der Sinn dahinter fraglich: Wer will für 75 Franken schon Clark Kent, wenn er Superman haben kann?


Oh, Schmerz!

Die Mighty Mouse ist angenehmer und einfacher in der Bedienung als beispielsweise die Mäuse aus den alten iMac-G3-Zeiten. Doch auch bei der Mighty Mouse wechseln sich Licht und Schatten in schneller
Folge ab.
Absolut zu überzeugen mag der Scrollball, der sowohl der Konkurrenz von Microsoft als auch Logitech überlegen ist. Er lässt sich sehr leicht, aber präzise steuern. Das diagonale Scrollen erfordert etwas Übung, ist aber schnell erlernt. Das Auslösen des Rechtsklicks ist vor allem am Anfang gewöhnungsbedürftig. Damit der Sensor erkennen kann, dass ein Klick ausgeführt wurde, muss man den Finger vor dem Klick zuerst anheben und dann wieder absenken. Ähnlich verhält es sich mit der Taste unter dem Scrollball, die man am Anfang gerne einmal statt der rechten oder linken Taste auslöst oder umgekehrt. Nicht zu überzeugen vermag dagegen die Seitentaste, für deren Auslösung schon ein erheblicher Kraftaufwand nötig ist.
Etwas gefährlich ist die Mighty Mouse für Anwender mit grossen Händen, da sie nicht nur flach, sondern auch 1 bis 2 Zentimeter kürzer als die Mäuse der Konkurrenz ist. Dies kann, besonders da man die Maus wegen der Seitentasten relativ weit hinten halten muss, über kurz oder lang zu Handgelenkschmerzen führen. Wer schon bisher immer zu den grössten Mäusen gegriffen hat, sollte die Mighty Mouse vor einem Kauf unbedingt für einige Tage ausprobieren.




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