Die sechste Raubkatze

Zweieinhalb Jahre Entwicklungszeit und sechs Monate Verzögerung haben hohe Erwartungen geschürt. Kann Mac OS X 10.5 alias «Leopard» sie auch halten?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/20

     

Apple verspricht mit Mac OS X 10.5 über 300 Neuerungen, die sich nebst ein paar grösseren Ergänzungen wie der Backup-Software Time Machine und der Neugestaltung des Finders vor allem auf Änderungen an bestehenden Programmen erstrecken.


Die markanteste Änderung an 10.5 ist sicher das neue Aussehen, das Apple «Leopard» an vielen Stellen spendiert hat. Besonders fällt dabei das neue Dock auf, das gleichzeitig die prominenteste Verschlechterung im Vergleich zur Vorversion darstellt. Das plane Dock mit dem einfarbigen, leicht durchsichtigen Hintergrund hat einem 3D-Aussehen mit vielen Spiegelungen Platz gemacht, bei dem die Icons in den Desktop hineinreichen. Die kleinen schwarzen Dreiecke, welche aktive Programme markiert haben, wurden durch glühende Punkte ersetzt. Dies alles hat dazu geführt, dass das Dock einerseits deutlich mehr Platz belegt als bisher und andererseits schwieriger zu erkennen ist, welches Programm gerade aktiv ist. Wer den alten 2D-Look mindestens teilweise zurückbekommen möchte, muss das Dock entweder an den Seiten plazieren oder zu einem Hack greifen.



Eine neue Funktion, die das Dock erhalten hat, sind die Stapel. Diese zeigen die Inhalte der auf dem Dock plazierten Ordner als einen Fächer oder – bei vielen Inhalten – als Matrix, wenn man auf sie klickt. Das Feature ist recht praktisch. Allerdings ist es schade, dass das alte Verhalten mit dem Finder-Fenster entfernt wurde. Schlecht gelöst sind die gestaffelten Icons der Ordner-Inhalte, von denen mehr als drei nicht zu erkennen sind. Auf dem Desktop wären die Stapel sicher auch eine interessante Ergänzung.


Die Menüleiste ist neu durchsichtig. Während der optische Gewinn durch die Änderung zweifelhaft ist, hat die Benutzerfreundlichkeit gelitten. Insbesondere unruhige Wallpapers können dafür sorgen, dass man die Menüeinträge kaum entziffern kann.


Besser geworden sind dagegen die Unterscheidung von aktiven und inaktiven Fenstern sowie das Styling einiger Programme wie Apple Mail, bei denen zudem Brushed Metal zugunsten eines Grau gewichen ist.


Organisierte Fenster

Für mehr Organisation bei Programmfenstern soll Spaces sorgen, nachdem Exposé bereits die Übersicht darüber verbessert hat. Mit Spaces, das an die Virtual Desktops von KDE und GNOME erinnert, kann man nun bis zu 16 unabhängige «virtuelle Desktops» anlegen und in jedem von diesen eine Auswahl von Programmen öffnen. Auf diese Weise lassen sich verschiedene «Workspaces» für unterschiedliche Aufgaben anlegen und zwischen ihnen hin und her wechseln.

Programme können allerdings mitsamt ihren Fenstern nur einem oder allen Spaces zugewiesen werden, was über die Systemsteuerung erfolgt. Zudem sind die Programmfenster überall identisch, so dass man in einem Space beispielsweise nicht ein bestimmtes Browserfenster offen haben kann und in einem anderen Space ein anderes.


Effektiver finden

Grössere Modifikationen hat auch der Finder erfahren. Er ist bei Netzwerkverbindungen, die langsam reagieren, angenehmer zu bedienen, da er durch die Nutzung separater Threads beim Warten nicht mehr blockiert wird. Die Icons repräsentieren nun auch den Inhalt von Textdateien und anderen Dateitypen, wobei sich selbst bei kleinen Icons noch die Struktur des Dokuments erkennen lässt. So lassen sich gesuchte Dateien meist schneller finden.


Wem das noch nicht reicht, für den hält der Finder Quick Look bereit. Quick Look zeigt eine Schnellvorschau der gewünschten Datei, indem man sie markiert und dann auf die Leerschlagtaste drückt. Es erscheint sofort eine Art Pop-up, das eine Vorschau des Dokuments zeigt. Drückt man nochmals die Leerschlagtaste, verschwindet es wieder. Dies funktioniert auch für mehrere Dateien. Dabei erhält man eine Leiste, die beispielsweise schon aus iPhoto bekannt ist, mit der man die Vorschauen als Dia-Show ablaufen lassen oder nebeneinander aufgereiht betrachten kann.



Spotlight wurde vom separaten Suchfenster erlöst, das zu wenig Übersicht bot und die Suche nach Dateien nicht gerade einfacher machte. Statt dessen kommt nun der Finder zum Einsatz. Dieser macht es dank den verbesserten Icons und Quick Look einfacher, die gewünschten Inhalte zu finden – auch bei E-Mails, was bisher mit der Sortierung nach Betreff selten klappte. Die Lösung ist zwar noch immer nicht optimal, aber immerhin ein Schritt vorwärts. Erhöht wurden ausserdem die Möglichkeiten zur Filterung der Suchresultate. Jetzt lassen sich Regelsätze anhand verschiedener Filter zusammenklicken, die Logik unterstützen. Die Suche auf gesharten Macs ist ebenfalls möglich.


Ein Feature, das in die Kategorie Geschmackssache fällt, ist Cover Flow, das nach iTunes nun auch den Finder erreicht hat. Es ermöglicht das Durchblättern der Ordner­inhalte und ist beispielsweise bei Fotosammlungen interessant. Ein Rohrkrepierer ist dagegen das Redesign der Ordner-Icons. Die auf ihnen «aufgeprägten» Symbole für spezielle Ordner wie «Programme» oder «Bibliothek» sind kaum noch zu erkennen.


Reise durch die Zeit

Um die Anwender zum Anlegen von Backups zu motivieren – nur vier Prozent von ihnen sollen dies gemäss einer Apple-Umfrage regelmässig tun –, hat Apple Time Machine entwickelt. Das Programm ist auf einfache Bedienung getrimmt, um jedem Anwender ein regelmässiges Backup einfach zu machen. Wer eine externe Festplatte einsteckt, wird sofort gefragt, ob er diese als Backup-Medium für Time Machine nutzen will – so ist es fast schwieriger, Time Machine nicht zu benutzen.



Die Konfiguration ist ungemein einfach: Hat man das Backup-Laufwerk – wobei nebst externen Festplatten auch entfernte Apple-Rechner zum Einsatz kommen können – ausgewählt, kann man noch die Dateien respektive Verzeichnisse auswählen, die man nicht gesichert haben möchte, und schon legt Time Machine los. Allerdings nicht gerade atemberaubend schnell: Mit der von uns getesteten LaCie D2 Triple Extreme, die über Firewire 800 angeschlossen war, lag die Transferrate im einstelligen Megabyte-Bereich. Die initiale Komplettsicherung brauchte über zwei Stunden, während beispielsweise SuperDuper (www.shirt-pocket.com, 28 Dollar) dies in weniger als einer Stunde hinkriegt.


Ökonomische Speicherung ...

Die technische Realisierung von Time Machine ist elegant einfach. Mit Hilfe des FSEvent-Framework werden Änderungen am Dateisystem über das auch von Spotlight verwendete /dev/fsevents auf Ordner-Ebene überwacht und, sobald man Time Machine startet, auf das Backup-Medium kopiert. Dank eines Logfiles erwischt Time Machine auch Dateien, die verändert wurden, als die externe Festplatte nicht angeschlossen war. Ist Time Machine aktiv, erfolgt die Datensicherung stündlich.



Die Daten werden für jeden Mac, der auf ein Backup-Medium sichert, in einem separaten Ordner und dort in nach Datum angeschriebenen Verzeichnissen abgelegt. Die Dateien sind dabei auch über den Finder zugänglich.


... mit Ausnahmen

Um Speicherplatz zu sparen, wird jede Version einer Datei nur einmal auf dem Backup-Medium abgelegt und bei künftigen Sicherungsvorgängen mit Hardlinks referenziert. Allerdings hilft dies nicht dagegen, dass Time Machine auch mehrere Gigabyte grosse Dateien nochmals komplett sichert, wenn auch nur die kleinste Änderung an ihnen vorgenommen wurde. Dies lässt in kürzester Zeit auch die grösste Festplatte vollaufen, wenn man nicht Dateien wie Images einer Virtualisierungssoftware oder die Datenbanken von Mail Clients wie Thunderbird oder Entourage, die alle Nachrichten in einer einzigen Datei speichern, vom Backup ausklammert.


Schade ist, dass man nicht beliebige Volumes oder Disk Images als Backup-Ziel verwenden kann. So ist es nicht möglich, Backups zu verschlüsseln oder beispielsweise auf SMB- oder NFS-Fileservern abzulegen. Wer jetzt verschlüsselte Backups will, braucht eine Festplatte, die Verschlüsselungsfunktionen mitbringt. Auch die Unterstützung einer Whitelist wäre praktisch, so dass man auf einfache Weise nur Teile einer Festplatte archivieren kann.



Möchte man eine gelöschte Datei wiederherstellen, braucht man nur auf das Time-Machine-Symbol im Dock zu klicken. Der Desktop verschwindet dann. Statt dessen wird ein Finder-Fenster mit einer Zeitleiste eingeblendet. Der Finder zeigt die Ordner-Inhalte zum gewählten Zeitpunkt, die dann mit einem Klick zurückgeholt werden können – einfacher geht es nicht. Bei einem Festplattenschaden ist ein System-Restore über das Setup möglich. Booten ab Backup geht leider nicht.


Mehr für Entwickler und die Systemsicherheit

Neuerungen hält Leopard auch für Entwickler bereit. So bringt es unter anderem Ruby On Rails von Haus aus mit und hat Objective-C-Bridges für Python und Ruby an Bord. So lassen sich nun auch die beiden Open-Source-Scriptsprachen ohne zusätzliche Installation zur Programmierung von Mac-Applikationen nutzen.


Ebenso ausgeliefert werden aktuelle Versionen der Scriptsprachen Python, PHP, Ruby und Perl. Für ein Paketmanagementsystem
à la MacPorts, mit dem sich weitere Software nachinstallieren liesse, hat es dagegen noch nicht gereicht. Apple Script unterstützt nun Unicode. Entwickler von Desktop-Programmen dürften sich über das Framework Core Animation freuen, mit dem sich jetzt auf einfache Weise Programme mit animierten Effekten versehen lassen. Das Debugging-Framework DTrace aus Solaris ist ebenfalls verfügbar und bietet Probes unter anderem für Java oder Python an. Mit Instruments ist sogar ein grafisches Front-end vorhanden.



An der Sicherheitsfront gab es ebenfalls eine Vielzahl von Neuerungen, von denen man sogar als normaler Anwender die eine oder andere zu Gesicht bekommen könnte. So wurden nicht nur die Kindersicherung erweitert, sondern auch Gäste-Log-ins hinzugefügt. Diese werden beim Log-in frisch erstellt und beim Log-out komplett entfernt. Mit Safari heruntergeladene Dateien werden mit Tags versehen, mit denen auch noch später eine Datei erkannt werden kann, die heruntergeladen wurde. Ausserdem lässt sich die Webseite anschauen, von der man die Datei heruntergeladen hat.


Wie bereits andere Betriebssysteme bietet Mac OS X nun Address Space Layout Randomization, das die Ausführung von Exploits erschweren soll. Die (optionale) Signierung von Applikationen soll dabei helfen, dass bekannte Anwendungen nicht durch Schadsoftware ersetzt werden. Ausserdem bietet Leopard nun eine Sandbox, die ähnlich wie SELinux einzelnen Applikationen bestimmte Tätigkeiten, beispielsweise Netzwerkzugriff, verbietet. Die Sandbox (/usr/share/sandbox) wird aber erst von einer Handvoll Applikationen genutzt, die zudem nur sehr rudimentär abgeschottet werden.


Ein Rückschritt scheint die neu entwickelte «Firewall» zu sein, die das bisher verwendete ipfw von FreeBSD ersetzt – ipfw ist noch vorhanden, aber auf Durchzug gestellt. Sie soll laut einer Untersuchung von Heise Security (www.heise.de/security/artikel/98090) teilweise unwirksam sein.


Viele Verbesserungen

Ansonsten hat MacOS X vor allem Detailverbesserungen erhalten, die das Leben angenehmer machen - eine Auswahl:




- Automator: Wurde um ein Command Line Interface und eine Funktion zur «Aufnahme» von Workflows ergänzt.



- Bootcamp: Ist wie Photo Booth und Front Row nun fester Bestandteil von Mac OS X und ermöglicht die Ausführung von Windows XP und Windows Vista auf x86.



- .Mac: Erlaubt mit «Back to my Mac» den Fernzugriff auf den Mac zu Hause oder im Büro von jedem anderen Mac mit Leopard.



- Mail: Bietet Unterstützung für RSS, kann Aufgaben und Notizen verwalten. Data Detectors können spezielle Informationen wie ein Datum in E-Mails entdecken und erlauben das einfache Anlegen von Kontaktadressen oder Terminen.



- Safari: Die Suchfunktionalität wurde an Firefox angelehnt und ist deutlicher geworden. Tabs lassen sich nun unter anderem neu gruppieren und gemeinsam als ein einziges Lesezeichen sichern.



- System: Mac OS X ist nun ein voll zertifiziertes UNIX-System und bietet volle 64-Bit-Unterstützung.



- Terminal: Wurde komplett überarbeitet und unterstützt neben diversen Themes auch Tabs und Bookmarks.


Achtung beim Update

Der Software Application Enhancer (APE) von Unsanity kann einen Mac nach dem Upgrade von 10.4 auf 10.5 lahmlegen und dafür sorgen, dass er nicht mehr bootet. Voraussetzung ist, dass man APE älter als 2.0.2 verwendet. Neuere Versionen von APE, die nicht mit Leopard kompatibel sind, erkennen das MacOS-Upgrade und deaktivieren sich selbstständig, sodass das Problem nicht auftritt. Apple beschreibt das Problem im Knowledge-Base-Artikel 306857 und erläutert, wie es behoben werden kann.

Auch Anwender, die sich nicht bewusst sind, dass APE installiert ist, sollten nach einer Installation suchen. Denn APE wird oftmals von Dritthersteller-Software installiert, beispielsweise dem Logitech Control Center, das zur Konfiguration von Logitech-Eingabegeräten verwendet wird. Es kann unter anderem durch USB Overdrive (www.usboverdrive.com, 20 Dollar) oder ControllerMate (www.orderedbytes.com, 15 Dollar) ersetzt werden, die problemlos mit Leopard zusammenarbeiten.


Software-Kompatibilität

Die meisten Applikationen, die sich bereits mit Mac OS X 10.4 verstanden haben, funktionieren auch mit 10.5. Zudem haben die meisten Hersteller bereits angepasste Versionen herausgebracht oder werden dies demnächst tun. Grössere Problemfelder sind Input Managers, deren Möglichkeiten von Apple eingeschränkt wurden, sowie Adobe-Programme (www.adobe.com/support/products/pdfs/leopardsupport.pdf), für die es teilweise keine Updates geben wird (CS2 und älter). Anpassungen für 10.5 benötigen auch Filemaker sowie die Software für die LaCie Safe Drives (lassen sich nicht entsperren). Eine Liste mit weiteren Applikationen, die sich noch nicht mit Leopard verstehen, hält guides.macrumors.com/List:Applications_Not_Compatible_with_Leopard bereit.




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