Apples Volks-Mac unter der Lupe

Mac mini und iWork 05 zeigen im Praxistest, dass die Billig-Kombo auch den Anforderungen eines potentiellen Windows-Umsteigers genügen kann.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/04

     

Als Steve Jobs den jubelnden Apple-Fans an seiner Keynote zur MacWorld in San Francisco den Mac mini präsentierte, stellte er nicht nur die von vielen Apple-Anhängern heiss ersehnte Symbiose zwischen G4 Cube und «headless» iMac vor, sondern auch ein Gerät, das den Mac als Plattform auch für den Durchschnitts-User erschwinglich macht. Dass damit vor allem Heimanwender angesprochen werden sollen, die durch den iPod bereits auf den Geschmack von Apples hoch integrierter Plattform gekommen sind, sieht man nicht nur am Preis, sondern auch an der Ausstattung. So wurde viel Wert auf umfangreiche Funktionalität zum moderaten Preis gelegt, die Leistung spielt dabei eine untergeordnete Rolle.




Quasi als perfekte Ergänzung hat Jobs nur wenige Minuten vor dem Mini ein schlankes Office-Paket, bestehend aus der Textverarbeitung Pages und der Präsentationssoftware Keynote 2.0, aus dem Hut gezaubert, das das mittlerweile betagte AppleWorks ablösen soll. Mit der Kombination aus Mac mini und iWork 05 erhält man schon für unter 1000 Franken einen PC samt schlankem Office-Paket. Grund genug für uns, das Produktgespann auf Herz und Nieren zu prüfen.


Der Mini mit dem grossen Auftritt

Apples Mac mini ist nicht nur wegen seiner Grösse äusserst attraktiv, sondern auch, weil viele Benutzer von Windows die vielen Probleme mit Viren und anderen Schädlingen langsam satt haben. Entsprechend haben wir das Gerät, das etwa so gross wie eine Keksdose und damit kleiner ist als die meisten Barebones der PC-Fraktion, vor allem auf seine Alltagstauglichkeit hin geprüft.



Der Mini wird zusammen mit einem an ein Brillenetui erinnernden externen Netzteil sowie einem DVI-VGA-Konverter ausgeliefert. Ansonsten finden sich noch ein paar CDs im Paket, die unter anderem für die Installation von Mac OS X, OS 9 und iLife 05 gebraucht werden. Für den Rest muss der Anwender selber sorgen, oder wie es der Apple-CEO nannte: «BYODKM… bring your own display, keyboard and mouse.»




Der Mac mini existiert in zwei Versionen: einmal mit einem 1,25-GHz-G4-Prozessor mit 40-GB-Festplatte sowie als Variante mit 1,4-GHz-Prozessor und einer 80-GB-Festplatte. Apple stellte uns für den Test das 1,4-GHz-Modell zur Verfügung, das mit 512 MB RAM (standardmässig 256 MB, maximal 1 GB) sowie mit den sonst optional erhältlichen AirPort-Extreme- und Bluetooth-Karten ausgestattet war. Bezüglich Anschlüssen ist der Mini ziemlich mager ausgestattet. So findet man gerade einmal zwei USB-2.0-Anschlüsse. Da man dort, sofern man nicht über Original-Equipment verfügt, mindestens Tastatur und Maus anschliessen muss, ist der Kauf eines USB-Hub fast unumgänglich. Einen Anschluss für ein Mikrofon, wie er beispielsweise für IP-Telefonie nötig wäre, sucht man vergebens. Allerdings lässt sich hier mit Hilfe eines USB-Hub und Lösungen von Drittherstellern einiges nachrüsten. Selbiges gilt für alle, die mehr Speicher oder zusätzliche optische Laufwerke wie einen DVD-Brenner benötigen, da der Mini bislang nur mit einem DVD-Laufwerk ausgeliefert wird, das auch CDs brennen kann.


Plug-and-Play in Reinkultur

Die Inbetriebnahme gestaltet sich ungewohnt einfach: Nachdem der Mini mit dem Stromnetz, Monitor und dem USB-Hub mit sämtlicher Peripherie inklusive Maus und Tastatur verbunden ist, kann es schon losgehen. Über DVI angeschlossene TFTs werden automatisch richtig konfiguriert. Wer seinen Bildschirm über VGA anschliesst, muss den Monitor selbst konfigurieren. Äusserst erfreulich ist die Unterstützung von Peripherie-Geräten. Sämtliche verfügbaren Geräte wie Scanner (HP Scanjet 4670), Tintenstrahler (HP Photosmart 7350), Laserdrucker (HP Laserjet 6L sowie 4050TN) liessen sich spätestens nach einer reibungslosen Treiberinstallation mit ihrem vollen Funktionsumfang betreiben.
Noch positiver sieht es für Besitzer von Digitalkameras aus. Denn was für iPod-Anwender iTunes ist, verkörpert iPhoto für die digitale Fotokamera. Fotos lassen sich ohne Treiberinstallation entweder mit Hilfe eines Kartenlesers oder direkt von einer kompatiblen Kamera auf die Festplatte des Minis importieren, bei etlichen neuen Modellen sogar im RAW-Format. Unterstützt wird dabei eine Vielzahl von Kameras, unter anderem von Herstellern wie Canon, Nikon, Sony und Kyocera.


Gute Anwendungsperformance

Dass der Mac mini mit aktuellen PCs von Dell und Co. nicht mithalten kann, dürfte klar sein. Doch die wenigsten Anwendungen brauchen die Leistung eines Pentium 4 mit 3 GHz. Die Ausstattung der beiden aktuell verfügbaren Modelle bietet, wie zu erwarten war, für Büro-Jobs sowie für die Software-Entwicklung und das Webdesign mehr als genug Leistungsreserven. Überraschend war zudem die Performance von Quark XPress 6.5 und Photoshop CS. Mit beiden Programmen liess es sich absolut flüssig arbeiten, ohne dass der Mini ins Schwitzen geriet. Hier profitierte das Gerät sicherlich von den zusätzlichen 256 MB RAM, auf die man nicht verzichten sollte. Erst als Photoshop CS mit einem hoch auflösenden Scan konfrontiert wurde, machte sich die limitierte I/O-Leistung des Mac mini bemerkbar.


Angenehm leise

Apples Versprechen, der Mac mini sei flüsterleise, wurde während des Tests nur selten gebrochen. Selbst wenn man das Gerät direkt neben der Tastatur stehen hat, hört man nur ab und zu, wie Daten auf die Festplatte geschrieben werden. Der eingebaute Lüfter macht sich nur bemerkbar, wenn man den Mini einmal richtig arbeiten lässt, was nur bei der Installation von Windows 2000 über Virtual PC der Fall war. Doch das Geräusch ist niemals wirklich störend, zumal der Lüfter ziemlich bald seine Arbeit wieder einstellt. Das optische Laufwerk ist ebenfalls ruhig und erzeugt beim Abspielen von Film-DVDs keine Vibrationen. Dies passiert erst bei der Installation von Software. Dann brummt der Mini mit Hilfe des Schreibtisches doch ganz schön heftig.




Last but not least ist zu erwähnen, dass der Mini auch ganz schön laut werden kann. Dann nämlich, wenn man die Soundausgabe mit einem Klinkenstecker vom Audioausgang abgreift. Hier bietet Apples Kleinster ganz manierliche Qualität, die so manchen selbst qualitativ guten OnBoard-Chip der PC-Fraktion um Längen schlägt.


iWork 05: Einfach und günstig

Mit iWork 05 hat Apple den lang erwarteten Nachfolger für das Office-Paket AppleWorks auf den Markt gebracht, mit dem schon zu Zeiten von OS 9 Briefe verfasst und mit Hilfe von Tabellen gerechnet werden konnte. Nun soll iWork 05 die Nachfolge übernehmen, was aber vorerst etwas schwierig werden dürfte. Dies, da es bislang nur aus zwei Applikationen besteht, die nur einen Teil der Funktionalität klassischer Office-Suiten abbilden. Dies wären Pages, eine Mischung aus Wortprozessor und DTP-Software, sowie die bereits seit 2003 bekannte Präsentationssoftware Keynote, die nun in der Version 2.0 vorliegt. Eine Tabellenkalkulation oder eine E-Mail-Applikation sucht man vergebens, wobei man bezüglich E-Mail schon auf das im Rahmen von OS X vorhandene Client-Programm zurückgreifen kann. Insofern kann man schon hier sagen, dass iWork 05 keinen vollwertigen Ersatz und damit auch keine Konkurrenz für Platzhirsch Microsoft Office darstellt. Vielmehr handelt es sich um eine Ergänzung oder eine besonders kostengünstige Alternative, denn iWork 05 kostet gerade einmal 109 Franken.


Zwitter zwischen Word und Quark

Wenn man Pages zum ersten Mal aufmacht, ist man fast ein wenig enttäuscht: Während man bei Microsofts Word von einer Vielzahl von Icons erschlagen wird, kommt die von den Keynote-Programmierern entwickelte Software mit gerade einmal deren 10 daher.


Simpel, simpler, Pages

Doch gerade diese Simplizität macht den Reiz der Software aus, die zudem ziemlich einfach bedienbar ist, womit vor allem Anfänger schnell zu guten Resultaten kommen dürften. So sind die meisten Funktionen auf das Nötigste beschränkt: Spalten sind gerade einmal vier möglich, für eine Tabelle muss man nicht erst auswählen, wie gross diese sein soll, es wird einfach ein Grundgerüst in der Seite plaziert. Wer Kopf- oder Fusszeilen haben will, muss sich nicht erst mit einem Kontextmenü darum streiten, sondern kann einfach auf den Kopf- oder Fussbereich der Seite doppelklicken und die gewünschten Inhalte einfügen. Ähnlich einfach lassen sich Bilder und Medienobjekte (sogar mit Integration in iLife) auf der Seite drapieren und mit Schatten versehen, Formen zeichnen oder sogar Audiodateien einbinden.
Wer ein neues Dokument starten will, wird zwangsläufig mit der Vorlagenauswahl konfrontiert, die den Anwender schon mit ihrem Umfang erschlägt: Ganze 40 verschiedene Vorlagen stehen einem zum Verfassen von Rundschreiben, Einladungen, Briefen und Lebensläufen zur Verfügung. Während man sich bei den meisten Wortprozessoren angewidert von den meist hässlichen Vorlagen abwendet, hat die Grafikabteilung bei Apple etliche ansehnliche Vorlagen ausgetüftelt, die zwar eher auf den US-Markt ausgerichtet sind, die aber eine gute Grundlage darstellen, die man schnell und sogar gerne auf die eigenen Bedürfnisse zuschneidet.




Summa summarum erinnert die Bedienung eher an ein Programm wie Microsoft Publisher, das auf dem Mac aber nicht verfügbar ist, als an einen waschechten Wortprozessor. Dies scheint auch der Grundgedanke bei Apple gewesen zu sein, womit geklärt wäre, wo die Vielschreiber-Funktionen wie eine brauchbare Rechtschreibhilfe samt Grammatikhilfe oder eine zuverlässige Silbentrennung geblieben sind. Den Thesaurus sucht man ebenso vergebens. Auch schade ist, dass eine Nachverfolgung von Änderungen nicht möglich ist, womit Pages vorerst mindestens für den Redaktorenalltag ungeeignet wäre. Positiver sieht es dagegen wieder beim Import und Export von Fremdformaten aus. Der Import von Word-Dateien gehört (im Gegensatz zu deren Export) zu den besseren auf dem Markt, der PDF-Export weiss abgesehen von der mangelnden Unterstützung von Hyperlinks zu gefallen.


Starke Präsentationen

Keynote konnte schon in der Version 1 überzeugen und steht im Gegensatz zu Pages schon eher auf Augenhöhe mit dem Microsoft-Office-Konkurrenten. Die Bedienung von Keynote ist sehr ähnlich zu Pages, womit man ebenfalls äussert schnell zu ansprechenden Resultaten kommt. Neu hinzugekommen sind acht Vorlagen, womit man nun auf deren 20 kommt. Die meisten davon erfüllen die Anforderungen an professionelle Präsentationen. Die vorhandenen Seitenraster befriedigen fast jeden Wunsch, so dass man nur selten von Hand nachhelfen muss. Die Übergangseffekte zwischen einzelnen Slides sind ansprechend und können ohne schlechtes Gewissen verwendet werden. Absolutes Highlight ist der Presenter, mit dessen Hilfe man sehr einfach festlegen kann, welche Informationen zu sehen sein sollen. Damit kann man zum Beispiel die aktuelle und die nächste Folie sowie die Keynote-Stoppuhr auf dem Bildschirm im Auge behalten, während das Publikum nur die aktuelle Folie sieht. Gepaart mit der Steuerung über ein Bluetooth-fähiges Mobiltelefon wird eine Präsentation zum Kinderspiel. Der PowerPoint-Import und -Export wurde im Vergleich zur Version 1 nochmals verbessert. Neu hinzugekommen ist zudem die Export-Möglichkeit in diverse Bild-Formate sowie nach Flash, wobei bei letzterem sogar einige der Übergangseffekte zwischen den Folien erhalten bleiben.




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