München legt Linux-Migration auf Eis

Die Brüsseler Softwarepatentrichtlinie soll Münchens Linux-Migration gefährden, die man nun zwecks Sonderprüfung auf Eis legt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/14

     

Auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen hat der Münchner Stadtrat die Ausschreibung des LiMux Base Clients, der Linux-Distribution, die auf sämtlichen 14'000 Rechnern der Stadt installiert werden sollte, zwecks Sonderprüfung aufgeschoben. Man will nun zunächst prüfen, ob die Brüsseler Softwarepatentrichtlinie, über die voraussichtlich im Herbst befunden wird, eine Gefahr für die Linux-Migration darstellt. Zudem wird gefordert, dass sich die Münchner Regierung aktiv bei der Bundesregierung in Berlin einsetzt, damit die Unterstützung für den vorläufigen Entwurf der Patentrichtlinie zurückgezogen wird. So erhält das Projekt, das als erster grosser Prüfstein für Linux auf dem Desktop gilt und sich grosser internationaler Beachtung erfreut, noch mehr Zündstoff.




Dass die Angst vor den Softwarepatenten gar nicht so unbegründet ist, zeigt eine erste Recherche des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII). Dieser Untersuchung zufolge ist allein der LiMux Base Client von rund 50 Patenten bedroht, welche das Europäische Patentamt bereits vergeben hat. Die nötige Brisanz erhält dieser Befund durch den Fall SCO sowie durch kontinuierlich auftauchende Memos von Managern grosser Technologiekonzerne wie HP, die davon sprechen, Microsoft wolle mit Hilfe von Patentklagen gegen Open Source vorgehen. Man fürchtet nun, dass München von Klagen überzogen und ganze Referate lahmgelegt werden könnten, sollte die geplante Patentrichtlinie durchkommen. So verwundert es wenig, dass die Grüne Fraktion nicht nur eine Sonderprüfung fordert, sondern auch vehement dafür einsteht, dass man sich in Berlin dafür stark macht, dass der jetzige Kurs bezüglich Softwarepatenten um 180 Grad gedreht wird. Denn sowohl Bundeskanzler Schröder als auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sehen Softwarepatente als eine Notwendigkeit an.






Florian Müller, Berater des Open-Source-Datenbankherstellers MySQL, sieht die Münchner Entscheidung als Weckruf für die Berliner Regierung an: «Die Entscheidung der Stadt München sollte alle Alarmsirenen in der Bundesregierung schrillen lassen. Das Bundesinnenministerium empfiehlt allen öffentlichen Verwaltungen den Umstieg auf Linux, und das Bundesjustizministerium macht das
Ganze zu einer Fehlentscheidung, die Milliarden von Euro kosten kann». In Berlin ist man dagegen der Meinung, dass die Münchner Befürchtungen unbegründet sind. Das Bundesjustizministerium erklärte gegenüber InfoWeek: «Die Bundesregierung kann keinen Zusammenhang zwischen dem gestoppten Open-Source-Projekt der Stadt München (LiMux) und dem Entwurf einer EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen erkennen. Die vorgebrachten Sorgen sind nicht berechtigt. Der Bundesregierung ist kein Fall in Deutschland bekannt, in dem freie Software in einem Patentverletzungsverfahren angegriffen wurde.»




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