Darwin macht Autos schnell
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/13
Formel-1-Autos erreichen weit über 300 Kilometer pro Stunde und sind nur dafür gebaut, eine gewisse Anzahl Runden auf einem Rundkurs zu absolvieren. Die Formel-1-Teams und die dahinter stehenden Konzerne pumpen jedes Jahr zwei- bis dreistellige Millionenbeträge in die Entwicklung ihrer Autos, um ein paar Hundertstel-, vielleicht ein paar Zehntelsekunden schneller zu werden, die über Sieg oder Niederlage entscheiden können. Und dies bei einem Fahrzeug, bei dem selbst kleinste Modifikationen grösste Veränderungen bedingen können. Forscher der Digital Biology Interest Group am University College London haben sich dieser Problematik angenommen und herausgefunden, dass sie die Autos massiv beschleunigen können, indem sie einen Computer und eine Rennsimulation zum «Ausbrüten» der Wagen verwenden.
Als Basis für die Tests wurde eine Rennsimulation von Electronic Arts verwendet, die auch die aktuellen Formel-1-Kurse beinhaltet. Die Wissenschaftler haben die Wagen in der Simulation mit 68 Parametern ausgestattet, die unter anderem die Aufhängung, Motorenperformance, Reifen- und Bremsdruck sowie Benzinverbrauch und die Lenkung beeinflussen. Diese «verkabelten» Wagen liess man dann gegeneinander antreten.
Nach dem Ende des Rennens wertet ein Computer die Resultate aus. Die Autos werden dann so behandelt, als wären sie wie ein Lebewesen mit genetischem Code. Diesen verwendet der Computer dann, um eine neue Generation von Rennwagen zu bauen, welche über die besten Eigenschaften der «Elterngeneration» verfügt. Dieser Prozess wird so lange wiederholt, bis das «ultimative Formel-1-Auto» entwickelt wird, so Peter J. Bentley, der Leiter der Forschungsgruppe.
Nach Abschluss des Evolutionsprozesses liess man das vom Computer entwickelte Auto gegen zwei von Menschen optimierte Wagen sowie gegen ein Standardauto des Rennspiels antreten. Das beste Resultat erzielte dabei das vom Computer optimierte Modell: Es absolvierte eine Runde auf der simulierten Strecke von Silverstone in 1:20.394, was fast eine Sekunde schneller als die schnellste in der Realität gefahrene Runde in Silverstone ist.