Editorial

Relationales Textfile auf Drogen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/06

     

Als ich im Jahr 2000 zum ersten Mal auf MySQL traf, hatte ich noch wenig Ahnung von PHP und keine Ahnung von Datenbanken. Aber MySQL ist cool, das wusste ich schon damals. Denn es war einfach zu installieren und, besonders wichtig, mit PHP absolut simpel anzusprechen. Statt sich mit Textdateien, flock(), file(), explode() und unzähligen Arrays herumschlagen zu müssen, hiess meine neue Lieblingsfunktion mysql_query(). Sie erlaubte mir, der da noch nie etwas von relationalen Datenbanken, geschweige denn von SQL gehört hatte, meine Daten schnell und einfach in einem System zu speichern, das mit Profi-Funktionen ausgestattet war. Zwar konnte MySQL nicht so viel, aber ich war zufrieden und konnte nicht wirklich verstehen, wenn die Experten «mein» MySQL als Karteikasten oder, noch schlimmer, relationales Textfile auf Drogen bezeichneten. Es kann doch alles!



Seitdem hat MySQL einen unvergleichlichen Siegeszug angetreten. Tausende von Scripts und Softwarelösungen verlassen sich auf die Datenbank aus dem hohen Norden, beinahe jeder Provider hat MySQL-Support in seinen Webhosting-Paketen drin, und sogar ein Fluginformationssystem an einem deutschen Flughafen soll seine Informationen aus MySQL beziehen. Da fragt man sich zwangsläufig: Warum bloss MySQL? Sind auch die Manager und CIOs auf Drogen, wenn gemäss ARM Research (vgl. Seite 7) MySQL, quasi ein Synonym für Open-Source-Datenbanken, in immer mehr Unternehmen ein Thema wird?




Ich behaupte nein. Denn MySQL hat einen neuen Markt geschaffen. Statt den Instant-Eistee, gibt es nun die Instant-Datenbank. Schnell, einfach, billig und löscht den Durst, sogar dort, wo man früher nur Wasser trank, um Kosten sparen zu können. Ob CMS, Diskussionsforum oder Mailserver, alles bezieht die Daten aus MySQL. Und seitdem MySQL mit der Version 4 begonnen hat, die viel gefragten und oft vermissten Funktionen wie Transaktionen oder Views mitzuliefern und die Replikationsfähigkeiten schon jetzt die meisten kommerziellen Lösungen übetreffen, wird es je länger je mehr in Mission-Critical-Umgebungen eingesetzt und die Hersteller kommerzieller Datenbanken müssen sich warm anziehen. Denn nachdem mit MySQL MaxDB sogar ein freies Produkt verfügbar ist, auf dem sich SAP-Applikationen fahren lassen, gibt es nicht nur Instant-Eistee, sondern auch in Wein verwandeltes Wasser.




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