Kooperativer Pinguin im Fenster

Wer auf Windows eine Unix-Umgebung braucht und wem Cygwin dabei zu wenig bietet, erhält mit coLinux die volle Pinguin-Dosis.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/16

     

Die meisten Open-Source-Programmiersprachen und
-Entwicklungssysteme fühlen sich auf Windows nicht wirklich zu Hause. Dies spürt man oft am reduzierten Funktionsumfang, einer komplizierten Installation oder daran, dass die gewünschte Umgebung gar nicht vorhanden ist.
Wer nun nicht das Betriebssystem wechseln will, hat verschiedene Möglichkeiten. Bekannt ist vor allem das Aufsetzen eines meist ziemlich unpraktischen Dual-Boot-Systems, die Nutzung einer Virtualisierungssoftware wie Virtual PC oder die Errichtung einer Unix-Umgebung unter Windows mit Cygwin oder Microsofts Services for Unix.


Kooperative Virtualisierung

Deutlich weniger bekannt ist coLinux. Bei coLinux handelt es sich um eine Mischung aus klassischer Virtualisierungssoftware und Cygwin. Es basiert genauer gesagt auf dem Konzept der Cooperative Virtual Machine. Dabei wird kein kompletter PC nachgebildet, sondern Wirt- und Gastsystem teilen sich die physikalischen Ressourcen. Für den Anwender bedeutet dies mehr Geschwindigkeit und dass er ein komplettes Linux-System erhält, das unter Windows läuft, und nicht nur eine Unix-like Umgebung wie Cygwin. Allerdings muss man auch mit ein paar Nachteilen leben. So bietet coLinux unter anderem keine Unterstützung für eine grafische Oberfläche, USB oder Sound. Und reisst Windows, sollte es einmal abstürzen, mit in den Orkus. Allerdings sollten sich die Auswirkungen dieser Unannehmlichkeiten auf einer Entwicklungsmaschine in Grenzen halten.


Schnell installiert

Die Installation von coLinux gestaltet sich einfacher als erwartet. Von der Projektseite ist ein Installer für Windows erhältlich, der einen durch den Installationsprozess leitet. Nach der Auswahl des obligaten Installationspfads braucht man nur zu sagen, welche der vorbereiteten Linux-Distributionen man nutzen möchte und von wo aus sie heruntergeladen werden soll. Bereit stehen Debian und Gentoo. Gegebenenfalls wird noch die WinPcap Library für die Nutzung von Bridged Ethernet benötigt, die man separat installieren muss. Ansonsten tut es auch der mitgelieferte TAP-Treiber, der coLinux via NAT ans lokale Netz hängt.



Neben den offiziell unterstützten Distributionen Debian und Gentoo findet man im coLinux-Wiki (http://wiki.colinux.org/wiki/Linux_Distributions) Links zu inoffiziellen Images und Anleitungen, wie unter anderem Fedora Core oder Ubuntu in coLinux zum Laufen gebracht werden können.
Bevor man sein coLinux zum ersten Mal booten kann, gilt es, das Betriebssystem-Image zu dekomprimieren und die Konfigurationsdatei vorzubereiten. Die Betriebssystem-Images wurden mit bzip2 komprimiert und lassen sich beispielsweise mit dem freien 7zip unter Windows entpacken. Dabei ist zu beachten, dass aus den wenige Megabyte grossen Paketen Images mit einer Grösse von 1 bis 2 GB werden.
Eine gut kommentierte Vorlage für die Konfigurationsdatei findet man im Installationsverzeichnis unter dem Namen default.colinux.xml. Es handelt sich um eine XML-Datei, von der man am besten eine Arbeitskopie (beispielsweise colinux.xml) anlegt und sie dann mit einem UTF-8-fähigen Editor wie zum Beispiel Weaverslave bearbeitet. Für einen erfolgreichen Start von coLinux muss man nur dafür sorgen, dass das erste coLinux-Laufwerk auf das Betriebssystem-Image zeigt und dass der Pfad zur (optionalen) Swap-Datei korrekt ist. Bei Bedarf kann man noch den verfügbaren Arbeitsspeicher erhöhen. Ein simples Konfigurationsbeispiel für Debian GNU/Linux ist im Kasten auf Seite 55
zu finden.


Startet die Motoren!

Nach erfolgreicher Konfiguration kann man coLinux zum ersten Mal starten. Zu diesem Zweck muss man sich der Eingabeaufforderung von Windows bedienen und ins Installationsverzeichnis von coLinux wechseln.

Dies startet eine coLinux-Instanz und verwendet als Konfiguration die vorbereitete colinux.xml. CoLinux öffnet ein neues Fenster und startet im Textmodus. Der Login erfolgt mit dem Benutzernamen root. Als Passwort kommt ebenfalls root zum Einsatz. Es empfiehlt sich, dass Passwort zu ändern (passwd) und zudem einen normalen Benutzeraccount anzulegen (adduser). Das Herunterfahren von coLinux erfolgt über die Linux-Shell (poweroff resp. shutdown -h now). Wer möchte, dass coLinux bei jedem Start von Windows hochgefahren wird, kann coLinux als System-Service einrichten.

Ohne Netzwerk geht wenig

Wer Dateien zwischen Windows und der coLinux-Instanz austauschen möchte, setzt dazu am besten auf Samba und Netzwerk-Shares. Samba ist äusserst zuverlässig, auch beim Zugriff auf NTFS. Allerdings benötigt man zur Verwendung von Samba Netzwerk-Support im coLinux. Die einfachste Lösung für Anwender mit einem lokalen Netz ist die Einrichtung von Bridged Networking. Dabei wird coLinux quasi wie ein eigenständiger Rechner ins lokale Netzwerk eingehängt und es teilt sich die Netzwerkverbindung mit dem Wirtsystem.
Um eine Netzwerk-Brücke aufzusetzen, benötigt man den WinPcap-Treiber. Ist dieser installiert, braucht man coLinux in der colinux.xml nur noch mitzuteilen, dass man eine Netzwerk-Brücke verwenden will und welcher phsyikalische Anschluss verwendet werden soll:



Windows-X-Server oder VNC für KDE und GNOME

Auch wenn coLinux, wie am Anfang des Artikels erwähnt, keine Grafikunterstützung bietet, heisst dies nicht, dass man auf Window-Manager wie KDE oder GNOME und damit grafische Applikationen verzichten muss. Allerdings muss man ein paar Tricks anwenden, um coLinux eine grafische Anzeige zu entlocken. Eine Möglichkeit ist die Installation eines X-Servers auf Windows, der dann mit coLinux verbunden wird und die grafische Ausgabe übernimmt. Einen X-Server erhält man beispielsweise in Form von X-Deep/32 von Pexus (www.pexus.com), der rund 50 Dollar kostet, oder kostenlos im Rahmen von Cygwin. Eine andere Möglichkeit ist die Nutzung eines VNC-Servers. Debian bringt verschiedene VNC-Server mit (apt-cache search vncserver), die sich einfach installieren lassen. Und für Windows existieren mit TightVNC oder RealVNC etliche kostenlose VNC-Clients. Konfigurationsunterstützung findet man wiederum im coLinux-Wiki.
Wem die ganze Konfiguriererei zu mühsam ist, erhält für rund 20 Dollar von



www.opensource.eu.com/colinux/ eine komplett vorkonfigurierte coLinux-Distribution samt VNC-Server und Netzwerkfreigaben mit Samba.




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