Apple: Mit Innovationen gegen den Strom

An der Macworld hat Apple eine ganze Reihe neuer Produkte vorgestellt. Mit einem neuen Browser und einer eigenen Präsentationssoftware will man sich von Microsoft lösen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/01

     

Wie immer anfangs Januar hat Apple auch dieses Jahr seine Jünger wieder zur Macworld Expo in San Francisco aufgeboten. Die Fans kamen in Scharen, um der Keynote ihres Propheten Steve Jobs zu lauschen. Und sie wurden nicht enttäuscht: Weder fehlten die klassischen Seitenhiebe gegen Erzfeind Microsoft, noch wurden sie enttäuscht, was die Präsentation neuer Hard- und Softwarelösungen betrifft; im Gegenteil, sie kamen voll auf ihre Rechnung. Jobs zog in seiner One-Man-Show denn auch alle Register, um die Herzen der Mac-Fans höher schlagen zu lassen.


King-Size-Notebook

Für das grösste Aufsehen sorgte wohl das PowerBook mit 17-Zoll-Screen. Die Weltneuheit erlaubt die Darstellung von 1440x900 Bildpunkten im 16:9-Format und wiegt voll ausgestattet - Aluminium macht's möglich - nur gerade 3,1 Kilogramm. Doch auch sonst bietet der Mobilrechner State-of-the-Art-Technologie: Dazu gehören WLAN mit 54 Mbps (802.11g) ebenso wie die neue Firewire-800-Schnittstelle.



Apple geht davon aus, dass sich das 17-Zoll-PowerBook nicht nur als Prestige-Objekt bewähren, sondern insbesondere auch als Desktop-Ersatz auf grosse Resonanz stossen wird. Andererseits dürften sich viele Anwender an den Jumbo-Abmessungen stören, zumal mit 39 mal 26 cm zwar noch keine Bügelbrett-Dimensionen erreicht werden, die klassische (und auch praktische) Notebook-Grösse aber doch deutlich gesprengt wird.




Weiter wurde ein kompaktes 12-Zoll-PowerBook präsentiert, das ebenfalls im futuristischen Alu-Look daherkommt. Zu einem für Apple vernünftigen Preis von rund 3000 Franken bietet der Mobilrechner Leistungsdaten, die für die meisten Anwendungen ausreichen dürften.




Erster wirklicher Mac-Browser

Auf der Software-Seite überraschte Jobs die Mac-Gemeinde mit dem ersten Webbrowser aus dem Hause Apple. Safari, wie der Browser heisst, basiert auf KHTML, der HTML-Bibliothek des in der Open-Source-Welt weitverbreiteten KDE-Desktops. Safari unterstützt alle gängigen Webstandards wie HTML 4, DOM, Java, JavaScript oder CSS. Safari ist laut Jobs drei Mal schneller als die Mac-Version von Microsofts Internet Explorer.



Wie Jobs stolz verkündete, hat Apple die KDE-Bibliothek aber nicht einfach übernommen, sondern auch erheblich verbessert. Dabei sollen die Erweiterungen wieder dem OS-Projekt zugute kommen. Anders als andere habe man keine Probleme mit Open-Source-Produkten, sondern finde das Konzept toll, liess sich Jobs (wohl mit Seitenblick auf Microsoft) verlauten.




Weitere Features betreffen die Integration von Google, ein Popup-Killer (beides auch beim Opera-Browser zu finden), eine User-freundliche Bookmark-Verwaltung oder die Einbindung des Adressbuchs von Mac OS X.



Mit der englischsprachigen Beta gäbe es zwar noch einige Probleme, doch habe man nicht sämtliche 10 Millionen Sites testen können, witzelte Jobs.



Dass sich Apple gerade zum jetzigen Zeitpunkt um einen eigenen Browser bemüht, erstaunt allerdings nicht weiter, wenn man bedenkt, dass das Technologieabkommen mit Microsoft im vergangenen Jahr abgelaufen ist.



Auch mit Keynote, der ersten Präsentationssoftware aus Applescher Küche will man sich von Microsoft lösen. Neben PowerPoint-, PDF- und QuickTime-Import/Export bietet die Software diverse grafische Effekte und exakte Positionierungsmöglichkeiten. Man habe Keynote speziell für ihn designt und er habe ein Jahr lang dafür als unterbezahlter Beta-Tester gearbeitet, gab Jobs bei der Präsentation zum Besten.



Last but not least wurde mit Final Cut Express auch noch eine abgespeckte Version der hauseigenen Videoschnittlösung präsentiert, die vor allem den Einsteiger ansprechen soll. Die Absicht ist klar: Man will mit dem Schritt möglichst viele Kunden auf die Vollversion locken, die zwar wesentlich mehr bietet, mit 1800 Franken allerdings auch nicht ganz billig ist.



Dass die Mac-Welt wieder mehr Beachtung findet, zeigt sich auch anhand einiger Ankündigungen von Drittherstellern: So will etwa Macromedia ihren Middleware-Server ColdFusion MX für Mac OS X aufbereiten und von der Open-Source-Bürosuite OpenOffice wurde eine Beta fürs Mac OS zum Download bereit gestellt.




Kritische Töne am Rande

Doch auch Apple macht die wirtschaftliche Flaute zu schaffen: Nicht nur, dass kurz vor Messe-Beginn bekannt wurde, dass die Macworld Expo in Tokio vom Veranstalter IDG World Expo wegen mangelndem Interesse von Seiten der Aussteller gecancelt wurde, auch äusserten sich Analysten recht kritisch zur neuen Produktstrategie.



Allen voran Michael Hillheymer von Merrill Lynch, der die Apple-Aktie aufgrund der neuen Produktstrategie umgehend zum Verkauf empfahl. Er bezeichnete das neue Produktportfolio als dürftig (skimpy) und rechnet mit sinkenden Marktanteilen. "Wir erwarten, dass Apple in fast allen Quartalen dieses Jahres Verluste einfahren wird."



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