Das SAN wird bezahlbar

Für ein KMU kam ein Speichernetzwerk bisher aus Kostengründen kaum in Frage. Das ändert sich mit standardisierten iSCSI-Geräten massiv.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/18

     

Ein SAN kommt teuer." Wer bloss die Anschaffungskosten der Komponenten berücksichtigt, hat mit dieser gängigen Ansicht durchaus recht, zumindest was die bisher gängigen Speichernetzwerke auf Fibre-Channel-Basis angeht. Mit Switch-Kosten ab rund 1000 Franken pro Fibre-Channel-Port, Host-Bus-Adaptern zu mindestens 1600 Franken für jeden Server und kostspieliger Spezialverkabelung liegt das Hardwarebudget für ein SAN schon mit wenigen Servern bei Zigtausenden - wohlgemerkt ohne ein Byte an Speicherplatz. Nicht zuletzt aus Kostengründen waren SAN-Installationen bisher Grossunternehmen und speziellen Szenarien vorbehalten, wo es auf höchste Performance und Verfügbarkeit ankommt.


Informationsflut nimmt überhand

Doch auch kleine und mittlere Unternehmen leiden zunehmend darunter, dass die Datenmenge mit traditionellen Mitteln nicht mehr zu bewältigen ist. Zwar ist Speicherkapazitzät heute billig: Selbst mit vergleichsweise teuren SCSI-Harddisks ist ein Gigabyte für rund zehn Franken zu haben; die günstigeren ATA-Platten kosten um die zwei Franken pro GB. Auch wenn zu den reinen Harddisk-Preisen noch Kosten für Gehäuse, Kabel und RAID-Controller dazukommen, kostet Speicherplatz nicht mehr alle Welt.



Technologien für den Speicheranschluss




Mit der einmaligen Speicherung ist es aber nicht getan. Sobald Daten unternehmensweit relevant sind, müssen sie gepflegt werden. Regelmässiges Backup, Replikation auf mehrere Storage-Einheiten zwecks Sicherheit und Verfügbarkeit sowie die inhaltsgerechte und altersabhängige Verteilung auf Online-, Near-Line- und Offline-Medien werden in einer Wirtschaft unentbehrlich, die auf raschen Zugang zu den richtigen Informationen angewiesen ist. Mit dezentral installierten, direkt an die Server angehängten Speichergeräten (Direct Attached Storage, DAS) ist ein solches Data Lifecycle Management praktisch unmöglich - und doch werden im KMU-Umfeld die meisten Daten noch in DAS-Medien gehalten.




Wer braucht ein SAN?

Der klare Vorteil eines Speichernetzwerks: Die Datenbestände werden prinzipiell allen angeschlossenen Servern zugänglich und müssen nicht mehrfach geführt werden. Storage-Operationen wie Backup, Replikation und Migration auf andere Speichermedien lassen sich zentral definieren und steuern. Fällt ein Server aus, kann sofort ein anderer mit den Daten weiterarbeiten - im DAS-Fall muss zuerst der Fehler beseitigt oder das Speichergerät physisch mit einem anderen Server verbunden werden.



Ralf Damerau, Managing Director beim Storage-Integrator Dicom Security Disec, will zunächst keine Einstiegsgrösse für SAN-Projekte nennen. "Es ist heikel, das festzulegen. Ich denke aber, ab einer Datenmenge von 300 bis 500 Gigabyte sollte man zumindest an ein SAN denken - vor allem dann, wenn sowieso ein bestehendes System ausgebaut oder ersetzt werden muss. Bei mehr als einem Terabyte wird ein SAN definitiv zum Thema."




Neben der Datenmenge ist die Anzahl beteiligter Server ein weiteres SAN-Killerkriterium. Thomas Madsen, Verkaufsleiter beim Storage-Spezalisten ProAct, nennt ähnliche Dimensionen wie sein Kollege von Disec: "Wir haben heute Kunden mit 5 oder 6 Servern und rund 300 Gigabyte Daten - darunter macht ein SAN keinen Sinn."



Das Fazit: Für die Kleinen unter den KMU, die vielleicht einen Mail, einen File- und einen Datenbankserver betreiben, braucht es nach wie vor kein SAN. Sobald aber mehrere Server und grössere Datenmengen involviert sind, steigt der Verwaltungsaufwand, und ein SAN bringt messbaren Nutzen.




IP-SAN im Vormarsch

SAN tut not, aber Fibre Channel ist teuer. Warum also die bewährte, kostengünstige und verbreitete LAN-Technik nicht auch fürs Speichernetzwerk einsetzen? Mit dieser Grundidee entstand schon vor einiger Zeit das iSCSI-Protokoll, das den für Serveranwendungen nötigen blockorientierten Datenzugriff im SCSI-Standard über IP-Verbindungen ermöglicht.



Die SCSI-Befehle und Daten werden dazu in sogenannte iSCSI Protocol Data Units (PDU) verpackt und mit dem TCP-Transportprotokoll übers Ethernet geschickt. Der verpackte SCSI-Inhalt wird wie jedes andere IP-Paket behandelt und lässt sich über gewöhnliche Ethernet-Switches vermitteln; sogenannte iSCSI-Switches dienen vornehmlich der Verbindung von Fibre-Channel- mit IP-SANs und werden im reinen IP-SAN nicht benötigt.
Spezielle iSCSI-Fähigkeiten braucht es nur im Server und im Speichergerät - beide müssen mit einem Ethernet-Interface, genügend Rechenleistung für die iSCSI-Verarbeitung und einem passenden Treiber, dem iSCSI-Initiator, ausgestattet sein.




Für eine von der IP-Adresse unabhängige Ansteuerung des SCSI-Zielgeräts sorgt ein für jedes Gerät einzigartiger, permanenter iSCSI-Name - die genauen Abläufe sind im iSCSI-Standard festgelegt, der im Herbst 2002 von der Storage-Industrievereinigung SNIA entwickelt und im Februar 2003 durch das Normgremium IETF offiziell verabschiedet wurde.



Erste iSCSI-Produkte, darunter eine Storage-Einheit von IBM, kamen lange vor der definitiven Version des Standards auf den Markt und verkauften sich entsprechend schlecht. Erst heute ist iSCSI so weit, dass sich die Hersteller auf breiter Basis dafür interessieren: Fast alle Storage-Hersteller bieten nun ihre Produkte auch iSCSI-fähig an, wie Damerau anmerkt: "An der SNIA-Konferenz war eine Aussage klar: iSCSI ist da, und iSCSI ist die Zukunft. Sämtliche Hersteller im SAN-Bereich, die bisher ausschliesslich auf Fibre Channel setzten, haben nun iSCSI-Geräte oder kommen demnächst damit. Disk-Hersteller wie HP, EMC und Hitachi rüsten ihre Hardware so auf, dass sie von der Firmware her auch iSCSI unterstützt."



Selbst Microsoft hat diesen Juli iSCSI-Treiber für seine Server-Betriebssysteme bereitgestellt. Die Industrie glaubt also an die neue Technik, ebenso die Analysten: Gartner Dataquest prophezeit, bis 2006 würden anderthalb Millionen Server in iSCSI-SANs eingebunden.




TOE oder not TOE?

Ein Problem stellt iSCSI allerdings: Die Verarbeitung der iSCSI-PDUs ist rechenintensiv. Wenn der iSCSI-Treiber per Software im Serverbetriebssystem realisiert ist, wird die Gesamtleistung des Servers empfindlich tangiert: Eine Faustregel sagt, dass jedes Megabit pro Sekunde an Datendurchsatz ein Megahertz an CPU-Power frisst.



Aus diesem Grund gibt es spezielle iSCSI-Netzwerkkarten, die mit Hilfe einer hardwaremässig implementierten TCP-Offload-Engine (TOE) der Server-CPU den Datentransport abnehmen. Eine andere Variante verfolgen zum Beispiel Adaptec und Intel, deren iSCSI-Karten auch gleich den iSCSI-Initiator enthalten und sich dem Betriebssystem nicht als Netzwerkkarte, sondern als SCSI-Interface darstellen.




Thomas Madsen relativiert die Notwendigkeit solcher Spezialkarten; sie seien nämlich fast genauso teuer wie Fibre-Channel-Adapter, wodurch der Preisvorteil eines IP-SAN schrumpft. Ausserdem: "Eine typische Datenbank von 40, 50 Gigabyte lässt sich auch ohne TOE locker über iSCSI betreiben - nicht zuletzt, weil ein Grossteil der verfügbaren Prozessorleistung sowieso nicht genutzt wird. An manchen Orten stehen Zweiprozessorserver herum, die die meiste Zeit zu vielleicht zwanzig Prozent ausgelastet sind."




Genügt Ethernet?

Ein herkömmliches 100-Megabit-Ethernet bietet für ein Speichernetzwerk kaum genügend Bandbreite - da müssen schon Gigabit-fähige NICs und Switches ran. Mit einem Gigabit pro Sekunde lassen sich dann aber schon fast alle Bedürfnisse befriedigen, findet Madsen: "Es empfiehlt sich, für das SAN einen separaten Ethernet-Strang zu betreiben. Dann genügt ein Gigabit vollauf, und auch Security-Bedenken sind überflüssig: Auf den SAN-Strang greifen neben den Servern nur die Administratoren zu."



Mit 10-Gigabit-Ethernet glänzt iSCSI noch mehr. Damerau: "Sobald 10 Gigabit Standard werden, reicht die LAN-Bandbreite vollends aus, um auf dem gleichen Kabel parallel Storage- und herkömmlichen Netzwerkverkehr zu fahren. Ein Fibre-Channel-SAN ist dann nur noch für wenige High-End-Szenarien Pflicht.




Das kann allerdings noch dauern - während Disec-Geschäftsführer Damerau meint, entsprechende Netzwerkkomponenten kämen in den nächsten Monaten auf den Markt, sind die Erwartungen von ProAct-Verkaufsleiter Madsen gedämpfter: "Das gibt es zwar schon im Labor, aber wir glauben nicht, dass 10-Gigabit-Ethernet mit Ausnahme von Interswitch-Verbindungen in den nächsten Jahren grosse Verbreitung findet. Die Geräte werden teuer sein - IDC sagt 10-GB-Ethernet für 2007 einen Marktanteil von nur 15 Prozent voraus."



Fibre Channel wird auch aus einem anderen Grund nicht so rasch sterben: Wo bereits ein SAN installiert ist, wird man kaum von FC auf iSCSI wechseln. Fibre Channel hat sich in den High-End-Umgebungen, in denen die ersten SANs installiert wurden, bewährt, ist mittlerweile reif und stabil, und das Know-how ist in diesen Unternehmen vorhanden. Im KMU-Segment, das erst jetzt auf den SAN-Geschmack kommt, wird sich iSCSI hingegen schnell durchsetzen.



Die Preisfrage



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