Flash MX 2004: Entwickler im Brennpunkt
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/17
Flash MX 2004 mit revolutionären Neuerungen: Anders als beim Übergang von Flash 5 zu Flash MX, der in erster Linie die Bedienung vereinfachte, bringt die aktuelle Neuauflage des Web-Entwicklungstools fundamentale Änderungen in Arbeitsweise und Architektur. Das Hauptmotto: Weg von reinen Timeline-Abläufen hin zur Anwendungsentwicklung im klassischen Rapid-Development-Stil.
Dazu kommt erstmals eine Trennung in die zwei funktional unterschiedlich ausgestatteten Versionen MX 2004 und MX 2004 Professional: Flash wird zur Produktfamilie. Der Wermutstropfen dabei: Die wichtigsten Verbesserungen finden sich nur in der Professional-Edition, die empfindlich mehr kostet als die Standardausgabe.
Passend zum Tool bringt der Hersteller gleichzeitig die siebte Ausgabe des Flash-Players auf den Markt, die zusammen mit dem überarbeiteten Compiler Flash-basierte Anwendungen schneller ablaufen lässt - laut Macromedia mit zwei- bis zehnmal mehr Speed, was sich in der Praxis vornehmlich bei komplexen Animationen zeigt.
An der Oberfläche ändert sich wenig. Das praktische, monolithische Interface der MX-Generation mit den flexibel zusammenstellbaren, im Normalfall aber am Hauptfenster angedockten Paletten bleibt. Neu erscheint auf Wunsch am Beginn der Flash-Sitzung eine Startseite. Sie stellt kürzlich geöffnete Dokumente zum Öffnen bereit, erlaubt das Anlegen neuer Dokumente verschiedener Typen - neben .fla-Files auch Actionscript- und JavaScript-Dateien - und präsentiert Vorlagen für gängige Anwendungen, die über das hinausgehen, was das bisherige MX-Produkt bot.
Der Rest der Neuerungen steht ganz im Zeichen der Arbeitserleichterung. Mit den Timeline-Effekten erledigt man manches in einem Zug, was bisher mehrere Schritte erforderte. Die Parameter für die Animation der Objekte auf der Flash-Bühne lassen sich über Assistenten kontrollieren; der Gesamteffekt kann später ohne kompliziertes Manipulieren von Keyframes abgeändert oder gelöscht werden. Möglich sind Effekte wie Transformation, Mehrfachkopien in ein Raster oder Explodieren. Flash erzeugt automatisch die nötigen Layers, Objekte und Keyframes und versteckt die Zwischenstadien.
Die neuen Behaviors - ähnlich von Dreamweaver her bekannt - erlauben einfache Interaktivität ohne Scripting: Der Code für Navigations- und Mediensteuerungselemente wird automatisch generiert. Neben den mitgelieferten können weitere Behaviors selbst geschrieben oder von der Macromedia-Exchange-Website heruntergeladen werden.
Verschiedene Detailverbesserungen umfassen den Import von PDF-Dateien und EPS-Files im
Illustrator-10-Format, einen Video-Import-Wizard mit elementaren Editing-Features, ein Polystar-Tool zum Erzeugen von Sternen und Vielecken mit beliebiger Anzahl Seiten, Publishing-Profile für unterschiedliche Endgeräte-Szenarien, ein Strings-Panel, mit dem alle Texte einfach in mehreren Sprachen lokalisiert werden können, ein History-Panel sowie ein neu gestaltetes Hilfe-Bedienfeld, das Produktmanuals und Tutorials zusammenfasst und auf Wunsch übers Internet automatisch aktualisiert. Dazu kommen haufenweise Arbeitshilfen, zum Beispiel die optionalen Hilfslinien, die beim Verschieben eines Objekts erscheinen, sobald es in die Nähe eines anderen Objekts gelangt - ein Segen für die manuelle Ausrichtung.
Unter der Haube ist mehr passiert: Wie Dreamweaver bringt auch Flash nun starke CSS-Unterstützung - eine bedeutende Neuerung: Erstens lässt sich das Erscheinungsbild von Flash-Text Movie-übergreifend vereinheitlichen und durch eine einzige Änderung an den Style-Definitionen modifizieren, zweitens kann man für den HTML-Teil der Website die gleichen CSS-Definitionen verwenden und sorgt so für vollständige gestalterische Integration von HTML- und Flash-basierten Web-Inhalten.
Das bedingt allerdings einiges an Programmierung und ist keineswegs so einfach wie in Dreamweaver: Die Styles müssen per ActionScript erzeugt oder von einer externen .css-Datei geladen, per ActionScript in ein Stylesheet-Objekt übertragen und der Style-Eigenschaft der betroffenen Textfelder zugewiesen werden. Zudem unterstützt Flash nur einen Teil der Style-Eigenschaften, die in der CSS1-Spezifikation definiert sind - das erinnert irgendwie an den ebenfalls unvollständigen Support von HTML-formatiertem Text. Der erfährt in der 2004er-Version leichte Verbesserungen; so können nun endlich externe JPEG-Bilder oder Flash-Movieclips mit HTML-Befehlen direkt in Textfelder integriert werden.
Nett, aber nicht sensationell - so lassen sich die Verbesserungen in der Standardausgabe zusammenfassen. Das eigentlich Neue behält Macromedia den Käufern der Professional-Ausgabe vor: eine formularbasierte Entwicklungsumgebung, dazu Komponenten für User-Interface-Elemente und Anbindung externer Datenquellen.
Mit dem formularbasierten Authoring entkommt der Flash-Entwickler erstmals der Timeline, die ursprünglich ja nur für Animationen gedacht war. Anwendungen mit starker User-Interaktion waren damit nur mühsam zu erstellen. Das hat jetzt ein Ende: Wählt man beim Anlegen eines neuen Flash-Dokuments die Option "Flash Form Application", wird die Timeline versteckt und es erscheint am linken Fensterrand eine hierarchische Darstellung der erzeugten Formulare. Diese entsprechen den Formularen oder Views, die man von den meisten grafischen Entwicklungsumgebungen wie Visual Basic her kennt.
Auf den Formularen lassen sich sowohl herkömmliche Flash-Symbole als auch die neuen Komponenten plazieren, die in drei Kategorien mitgeliefert werden: Neben User-Interface-Widgets wie Textfeldern, Aufklappmenüs und Checkboxen sowie Elementen zur Anzeige multimedialer Inhalte (diese sind auch in der Standard-Ausgabe verfügbar) bietet Flash MX 2004 Professional auch sechs Komponenten zum Zugriff auf externe Daten. Dazu gehören Connectors zu XML-Dateien, Datenbanken und Web Services, eine Dataset-Komponente zur Verarbeitung der Daten und der Dataholder, in dem beliebige Daten Session-intern gespeichert und bearbeitet werden können.
Die Anwendungslogik erstellt man durch Konfiguration der Komponenten im Inspector-Panel und durch Hinzufügen von ActionScript-Code. Einfache Vorgänge wie die Übernahme eines Eingabewerts lassen sich praktisch ohne Programmierung erledigen. Man muss jedoch genau wissen, was man tut - ohne detaillierte Kenntnisse der Funktionsweise der benutzten Komponenten steht man wie der Esel am Berg. Man verheddert sich auch rasch in den unzähligen Parametern und Eigenschaften. Besonders wichtig ist eine durchgängige, solide Benennung aller erzeugten Symbole und Objekte.
Angehende Flash-Anwendungsentwickler nehmen sich am besten zunächst die zahlreichen Tutorials vor, die auf der Macromedia-Website zum Download bereitstehen, und konzentrieren sich von Anfang an auf die 2004er-Version. Achtung vor älteren Flash-Beispielen - viele der dort enthaltenen Rezepte gelten nicht mehr, oder die entsprechenden Aufgaben können heute viel einfacher gelöst werden.
Die Professional-Variante bietet so viele Vorteile, dass der Kauf der Standard-Version nur absolut preisempfindlichen Anwendern zu empfehlen ist. Neben der Formular-Umgebung und den datengebundenen Komponenten wartet Flash MX 2004 Professional nämlich mit weiteren Exklusivitäten auf, darunter ein Projekt-Bedienfeld, mit dem sich alle Dateien eines Flash-Projekts zentral verwalten und den Projektteilnehmern zuordnen lassen. Dazu unterstützt das Produkt File-Locking auf Netzwerkebene und die Einbindung in Versionskontrollsysteme; die Integration in Microsoft-Visual-Source-Safe-Umgebungen ist von Haus aus vordefiniert.
Ein weiteres Zückerchen: Flash Professional bietet eine Funktion zum Erstellen von Slideshows samt Übergangseffekten. Damit wird Flash zwar nicht zum nächsten PowerPoint: Elemente wie Charts sind ohne Programmierung nur über separat zu erwerbende zusätzliche Komponenten möglich. Die bekannte Eleganz Flash-basierter Präsentationen mit Transparenz- und Animationseffekten ist nun jedoch wesentlich einfacher zu realisieren. Schade, dass gerade diese Funktion in der Standard-Version nicht enthalten ist.
Ebenfalls nur im Profi-Paket zu haben sind professionelle Videofunktionen, ein neuer Video-Encoder mit Optionen wie VBR und Bewegungserkennung sowie ein separater Encoder für Bildschirmaufzeichnungen, mit dem sich Software-Demos und andere Inhalte, die nicht auf fliessende Bewegung angewiesen sind, besonders schlank speichern lassen.