Surfer's Corner: Napster ade - das Urheberrecht kommt wieder zur Geltung

Urs Binder's Überlegungen zum Urheberrecht

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/06

     

Noch kein einziges Mal habe ich die Dienste von Napster genutzt. Ein Gericht in San Francisco hat soeben dafür gesorgt, dass ich das wohl auch in Zukunft nicht tun muss. Zwar wurde dem Unternehmen nicht verordnet, seine Website gleich ganz zu schliessen, nein, die gerichtlichen Anordnungen sind juristisch subtiler: Man habe dafür zu sorgen, dass via Napster-Service keine urheberrechtlich geschützten geistigen Eigentümer mehr ausgetauscht werden. Noch genauer betrachtet, muss eigentlich vor allem das Gericht, das Napster letzten Sommer temporär freisprach, sein damaliges Urteil unter dem genannten Aspekt nochmals unter die Lupe nehmen.



Das, so die lakonische Replik der Napster-Oberen, könne aber doch faktisch die Schliessung bedeuten. Dass Seniorpartner Bertelsmann dennoch nach wie vor auf einen auch künftig erfolgreichen, urheberrechtlich korrekt abgewickelten Dienst mit Millionen von Benutzern (und Einnahmen) hofft, macht das Problem wohl kaum geringer. Denn einzig die Gratis-Musik hat in der Vergangenheit den astronomischen Erfolg der Directory-gestützten File-Tauschbörse möglich gemacht - von allfälligen anderen Vorteilen des Peer-to-Peer-Filetransferverfahrens kann kein Napster leben.




Ein Grund, weshalb ich der goldenen Napster-Ära der letzten paar Monate nicht nachweine, liegt in meiner festen Überzeugung, dass das Urheberrecht durchaus einen Sinn hat, und dass es so etwas wie geistiges Eigentum gibt. Schliesslich verdiene ich als Journalist mein Geld mit ebensolchen Erzeugnissen und schätze es überhaupt nicht, wenn meine Artikel nach der Erstpublikation irgendwo sonst noch abgedruckt werden, und ich weiss nicht mal was davon; von einer Kompensation finanzieller Natur ganz zu schweigen. Ich verstehe deshalb Musiker nur allzu gut, die gegen Napster Sturm gelaufen sind.



Napster-Aficionados werden nun mit dem Argument der bedrohten Internet-Freiheit kommen. Pipifax. Auf eine Freiheit, die darauf beruht, sich Leistungen zu erschleichen, sollte auch der anarchistischste Internet-Purist verzichten können.


Technisch auf tönernen Füssen

Obwohl ich Napster selbst nie benutzt habe, konnte ich doch gelegentlich die verzweifelten Versuche von Napster-Fans beobachten, den gewünschten Titel von einem der momentan gerade zur Verfügung stehenden Anbieter-PCs herunterzusaugen. Das gelingt meist nicht beim ersten Versuch: Entweder ist die Verbindung trotz verheissungsvoll angekündigter "DSL"- oder "Cable"-Anbindung des als Server fungierenden PCs langsamer als eine sedierte Weinbergschnecke, oder der Gegenstelle fällt nichts Gescheiteres ein, als mitten im Download den PC herunterzufahren. Ehrlich gesagt fällt es mir sehr schwer, die allgemeine Napster-Faszination auch nur im Ansatz nachzuempfinden. Übrigens: Wer die direkte Verbindung zweier Rechner übers Internet zum Zweck des Filetransfers ausprobieren möchte, kriegt diese Möglichkeit auch mit dem guten alten Chat-Netzwerk IRC. Fortgeschrittene Chat-Clients wie Mirc haben eine Fileserver-Funktion eingebaut, mit der sich beliebige Ordner auf der Harddisk für den Peer-to-Peer-Verkehr freigeben lassen.





Der Napster, den ich meine

Allerdings fehlt bei IRC die Hauptkomponente von Napster: das zentrale Verzeichnis, aus dem jederzeit zu erfahren ist, welches File gerade wo zur Verfügung steht. Und das ist ja die eigentlich revolutionäre Idee der Napster-Börse, ohne die ein allgemein zugänglicher Filetransfer-Dienst keinen Sinn macht.



Wenn nun aber schon das Verzeichnis zentral geführt wird, der Dienst nur registrierten Members freisteht und die Urheber tantiemengerecht mitberücksichtigt werden sollen, warum nicht auch gleich die Inhalte selbst zentral lagern? Ein skalierbar ausgelegter Server in einem hochredundanten Rechenzentrum würde stabile Leistung und kontinuierliche Verfügbarkeit garantieren, auch wenn die Dateien gemäss der ursprünglichen Idee nach wie vor von der Benutzergemeinde beigetragen werden.




Und preislich attraktiver als die bisherigen Versuche der Musikindustrie, ihre Produkte als Internet-Downolads zu verbreiten, dabei aber keinen Rappen der durch den Wegfall von Produktion und herkömmlicher Distribution erzielten Ersparnisse an die Kunden weiterzugeben, wird auch ein kostenpflichtiger Abonnementsdienst auf jeden Fall werden - so gesehen, hat die Bertelsmann-Idee langfristig vielleicht doch Chancen.



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