Microsoft will offener werden

Mit vier Prinzipien der Interoperabilität wollen sich die Redmonder gegenüber Partnern und Konkurrenten künftig deutlich offener zeigen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/04

     

Im Rahmen einer kurzfristig einberufenen Telefonkonferenz verkündete Steve Ballmer gemeinsam mit Ray Ozzie vorletzte Woche einen Strategiewechsel bezüglich Interoperabilität an. Microsoft will seine Produkte weiter öffnen damit Entwickler, Partner und Wettbewerber besser mit diesen inter­agieren können. Die Strategie wird von vier Eckpfeilern getragen:



- Open Connections: Microsoft will APIs und Kommunikationsprotokolle, welche von anderen Microsoft-Anwendungen genutzt werden, offenlegen. Bislang hielt der Softwareriese den Grossteil seiner APIs unter Verschluss oder verlangte für deren Nutzung Lizenzgebühren. Unter anderem wurde der Konzern genau wegen dieser Praxis durch die EU zur Zahlung einer saftigen Busse verdonnert.



Entwickler erhalten via MSDN ab sofort Zugang zu 30’000 Seiten – bislang geheimer – Dokumentation über die Client- und Server-Protokolle von Windows. Ab Juni sollen weitere Dokumente für .NET, Windows Vista, Windows Server 2008, SQL Server 2008, Office 2007, Exchange Server 2007 und SharePoint Server 2007 folgen.


Eine zweigleisige Strategie verfolgt Microsoft bei der Nutzung von Patenten: In Open-Source-Projekte, welche nicht kommerziell betrieben werden, dürfen patentierte Protokolle gebührenfrei genutzt werden. Für die kommerzielle Nutzung will Microsoft künftig ein «faires und nicht diskriminierendes» Lizenzprogramm (RAND) mit niedrigen Gebühren anbieten. Die von RedHat, Ubuntu und anderen Linux-Herstellern geforderten Lizenzgebühren für verwendete Patente dürften damit also noch nicht vom Tisch sein.



- Support for Standards: Als Zweites verspricht Microsoft mehr Transparenz bei der Nutzung von Industriestandards. Verwendet Microsoft in seinen Produkten einen Standard, soll in Zukunft genau und wie bei den Protokollen für jedermann einsehbar dokumentiert werden, wie der Standard unterstützt wird und wie dieser mit anderen Implementa­tionen des Standards zusammenspielt.



- Data Portability soll den Datenaustausch zwischen Microsoft-Anwendungen und anderen Programmen fördern. Einerseits wollen die Redmonder generell standardisierte Datenformate unterstützen, andererseits sollen neue APIs für Office-2007-Anwendungen wie Word, Excel und Powerpoint zur Verfügung gestellt werden, auf deren Basis Entwickler Plug-Ins für fremde Dateiformate schreiben können.



- Open Engagement: Mit dem Start der Open Source Interoperability Initiative möchte man die Open-Source-Gemeinde stärker einbinden. Neben der Publikation von Dokumentationen und technischen Ressourcen sind im Rahmen der Initiative auch Veranstaltungen wie Labs und Plug Fests vorgesehen.


EU im Nacken

Die Gründe für den doch recht drastischen Strategiewechsel sind vielschichtig. Einerseits möchte man in Redmond mit Hilfe dieser neuen Doktrin einen Schlussstrich unter die Wettbewerbsverfahren mit der EU ziehen und drohenden Konflikten mit Regierungen anderer Länder entgegenwirken. Auf der anderen Seite scheint man auch beim Softwarekonzern allmählich zu begreifen, dass die Bestrebungen der Open-Source-Community aber auch die bessere Integration von Produkten der Konkurrenz und von Partnern eine Bereicherung für die eigenen Plattformen darstellt.


Verhaltene Reaktionen

Die EU-Kommission reagierte auf Microsofts Ankündigungen sehr zurückhaltend und will die einzelnen Punkte der Strategie erst im Detail prüfen. Was die laufende Beschwerde von Opera gegen die Verknüpfung des Internet Explorers mit Windows betrifft, so hat ein EU-Sprecher bereits betont, dass diese durch Microsofts neue Prinzipien nicht entschärft werde.
Aus der Open-Source-Community kamen gemischte Signale. Vorsichtig aber im Grundtenor positiv äusserten sich die Lager von OpenOffice, OpenExchange, Alfresco und Samba, welche nun die konkrete Umsetzung abwarten wollen. Bei Red Hat reagierte man eher skeptisch und forderte Microsoft in einem Statement auf, ihre Ankündigung mit konkreten Taten zu untermauern und nun das Open Document Format (ODF) statt Open Office XML zu forcieren.


Fazit

Eines ist sicher: Microsoft muss nach den Worten nun auch Taten folgen lassen, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Zu oft schon stellten sich Versprechungen aus Redmond im Nachhinein als halbherzig heraus. Mit der Veröffentlichung der Windows-Schnittstellen haben die Redmonder wenigstens schon einmal einen ersten Schritt gemacht.




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