Pragmatismus statt Dashboard-Hype

Integriertes IT-Management wird hierzulande durchaus diskutiert und auch umgesetzt. Dazu Stimmen aus der Schweizer IT-Praxis.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/21

     

In der letzten Ausgabe von InfoWeek wurde an dieser Stelle das Konzept eines Integrated IT-Management (IIM) vorgestellt. Der von den Marktforschern von Forrester Research erarbeitete Ansatz sieht dabei die Integration von Project Portfolio Management (PPM), Application Portfolio Management (APM) und Enterprise Infrastructure Management (EIM) vor – und zwar dergestalt, dass der Überblick über den Stand der gesamten IT eines Unternehmens jederzeit in einem flexiblen, rollenbasierten Armaturenbrett (Dashboard) sowohl für den CIO, Business-seitig aber auch für den CEO, möglich ist.


Applikations-Verwaltung: Hohe Dunkelziffer

Dass die Thematik rund um ein integriertes IT-Management die Gemüter bewegt, haben jetzt die Nachfragen von InfoWeek bei diversen Schweizer IT-Fachleuten und IT-Verantwortlichen gezeigt. Dieser Artikel soll deshalb die Frage klären helfen, wie die Profis den IIM-Ansatz von Forrester bewerten und wie sie IIM in der Praxis beurteilen. So konzediert beispielsweise Stefan Essi Fischer, CEO des Thalwiler IT-Dienstleisters 1eEurope, dass zahlreiche IT-Abteilungen in Unternehmen nicht durchgängig genug gemanagt würden und das Thema IIM deshalb durchaus Sinn mache. Das Hauptproblem liegt laut Fischer bei den heute im Einsatz stehenden Messinstrumenten, die eine zu wenig konsolidierte Sicht auf die gesamte IT erlaubten. Deshalb sieht er als erste Aufgabe für den Integrationsjob die Definition von Messgrössen.





Fischer betont aber, dass dies vielerorts bei der Projekte-Verwaltung (PPM) bereits weit fortschritten sei. Bei der Verwaltung des Applikationsportfolios (APM) und auch beim Infrastruktur-Management ortet er allerdings noch grossen Aufholbedarf. Vor allem beim APM sei die Dunkelziffer hoch. Oftmals wisse ein Unternehmen nicht genau, wie viele Applikationen, Versionen und Lizenzen es habe und wie diese genutzt werden. Die Folge davon sei, dass man für etwas bezahle, was man gar nicht brauche, so Fischer.
Fischer ist aber auch überzeugt davon, dass sich beispielsweise mit dem Microsoft Operations Manager (MOM), und auch mit Changepoint von Compuware diesbezüglich einiges erreichen lässt. Grundsätzlich geht er mit den Marktforschern von Forrester darin einig, dass sich in Sachen IIM in rund zwei Jahren mit weniger Aufwand mehr erreichen lassen wird als heute. Allerdings stellt er bereits jetzt eine steigende Nachfrage nach entsprechenden IT-Kontrollwerkzeugen fest. Er ist auch überzeugt davon, dass sich Key Performance Indicators – in der Betriebswirtschaft schon lange gang und gäbe – auch jetzt schon im IT-Management ein- und umsetzen lassen.






Ähnlich schätzt auch Marc Domenig, CEO des Basler Software- und Beratungshauses Canoo Engineering, die Lage ein. Als ehemaliger Leiter Systems Engineering bei der Schweizer Grossbank UBS verfügt er diesbezüglich über globale Erfahrungen. Er betont denn auch, dass es all das, was Forrester unter IIM zusammenfasst, bis zu einem gewissen Grad bereits gibt. Er zweifelt jedoch daran, ob das Idealbild der Vollständigkeit zu jedem Zeitpunkt, das Forrester zeichnet, möglich sein wird. Vor allem ist Domenig überzeugt davon, dass das viel beschworene Dashboard, das je nach Manager-Position und Rolle den totalen Überblick liefern würde, nicht wirklich realisierbar ist.
Diese Skepsis teilt auch Marko Radic, Head IT Processes & Governance bei Credit Suisse. Für ihn ist das von Forrester in den Vordergrund gerückte Dashboard als Tool eher sekundär. Wesentlich sei aber der IIM-Ansatz als solcher, betont Radic. Mit dem Aufbau eines übergreifenden integrierten IT-Managements hat Credit Suisse breits 1998 begonnen. Mittlerweile ist die Arbeit daran so weit gediehen, dass das Finanzinstitut laut Radic den IIM-Ansatz von Forrester bei der Credit Suisse IT in der Schweiz umgesetzt hat.
Die IT der Credit Suisse beschäftigt in der Schweiz gegenwärtig rund 3000 Mitarbeitende. Die Tatsache, dass die IT für eine Grossbank zum Kerngeschäft gehört, macht es laut Radic unbedingt erforderlich, dass das IT-Management einen viel höheren Reifegrad aufweisen muss als bei anderen und vor allem kleineren Unternehmen.



Die wichtigsten verfügbaren IIM-Komponenten


Credit Suisse: Vom PPM bis zum IIM

Laut Radic hat auch Credit Suisse beim Aufbau ihrer IIM-Struktur mit PPM begonnen, das seit 2000 im Einsatz ist. In diesem Zusammenhang vermerkt Radic, dass er durch seine Teilnahme an zahlreichen Roundtables und seine Mitgliedschaft in diversen Wirtschafts- und IT-Gremien festgestellt habe, dass noch viele – auch grosse – Dienstleister, Versicherungen und Logistikfirmen erst am Aufbau eines umfassenden PPM seien. Wie wichtig das PPM für Credit Suisse ist, zeigt Radic anhand eines entsprechenden monatlichen Reportings, welches das gesamte IT-Budget im Hinblick auf die Projekttätigkeit aufschlüsselt.
Eine Online- oder Echtzeitdarstellung, wie sie das idealisierte Dashboard-Konzept von Forrester darstellt, hält er in diesem Zusammenhang eher für den Versuch, ein Tool anstatt das IIM-Konzept in den Vordergrund zu stellen. Diesbezüglich möchte der IT-Governance-Verantwortliche von Credit Suisse hervorheben, dass der Abgleich von IT- und Business-Management etwa durch den Einsatz eines auf IIM abgestützten IT-Governance-Modells für die Bereiche PPM, APM und EIM oder durch eine Balanced Scorecard wesentlich wichtiger ist.


Vorsicht vor übertriebenen Versprechungen

Diese Beispiele zeigen: Unter den Schweizer IT-Verantwortlichen und
-Experten wird das Thema IIM mehr und mehr diskutiert. Sie verfolgen allerdings meistens einen pragmatischen Ansatz und zeigen sich skeptisch gegenüber Hypes wie «flexible Echtzeit-Dashboards». In diesem Punkt geben sich die Marktforscher von Forrester am Schluss ihrer Studie auch wieder moderater. In ihren Empfehlungen für die Vorbereitung einer IIM-Implementierung plädieren sie ebenfalls für eine pragmatische Vorgehensweise. Angesagt sei beim gegenwärtigen Stand der Dinge Evolution und nicht Revolution.
Die kommerziell erhältlichen Komponenten für die Realisierung eines IIM stecken laut Forrester noch in den Kinderschuhen. Die Analysten warnen deshalb folgerichtig vor Vertrauensseligkeit gegenüber allzu hochtrabenden Versprechungen gewisser Verkäufer. Oft verfügt ein Hersteller von PPM-Werkzeugen nicht über ergänzende APM-Tools, obwohl er möglicherweise behauptet, die ganze IIM-Palette anbieten zu können. Forrester gibt deshalb zu bedenken, dass die Hersteller erst damit begonnen hätten, die potentiellen Synergien zwischen PPM und APM auszuloten. Zudem weisen die Marktforscher darauf hin, dass Informationen über Referenzkunden bei neuen Software-Tools und Methoden wie PPM und APM nicht gerade breit gestreut sind.
Es sei nicht unbedingt schlecht, Beta-Anwender eines Produkts zu sein. Allerdings müsse der Hersteller in diesem Fall starke Vergünstigungen oder Zusatzleistungen bieten, so Forrester. Ausserdem soll man vom Anbieter Work-in-Progress-Referenzinfos verlangen, wenn er keine abgeschlossenen Referenzen angeben kann.




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