Kleine Linux-Firmen am Abgrund?

Linux-Pionier SFI musste die Tore schliessen. Wie schlecht steht es um Schweizer Linux-Firmen?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/12

     

Ein Schweizer Linux-Pionier hat die Segel gestrichen: Die Firma SFI Technology Services musste die Geschäftstätigkeit einstellen, was eine Schockwelle unter den kleineren Linux-Anbietern und -Verfechtern ausgelöst hat. Immerhin galt SFI nicht nur als Pionier, sondern auch als eine der wenigen echten Linux-Firmen des Landes.



Die Schliessung könnte nun Signalwirkung haben. Lässt sich mit Linux derzeit einfach kein Geld verdienen? Überlegen sich Linux-Spezialisten eine Firmengründung nun zweimal? Kommt der Linux-Erfolgszug ins Stocken? Peter Stevens, ehemaliger Geschäftsführer von SFI, winkt ab.


Zurückhaltung an allen Fronten

"Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Linux auch in der Schweiz gross Fuss fassen wird", schreibt er auf seiner Website. Gegenüber InfoWeek erklärt Stevens die Umstände der Firmenschliessung: "Der Fall ist einfach: Es gingen nicht genug Bestellungen ein, auch wenn das Interesse gross war. Wenn wir von Offerten leben könnten, wäre alles in Butter. Viele versprachen Aufträge für die zweite Jahreshälfte, bis dahin konnten wir aber nicht warten." Ob es anderen kleinen Linux-Firmen auch so gehe, sei schwierig zu sagen, weil es kaum Vergleichsmöglichkeiten gäbe. Er glaubt jedoch nicht, dass es sich ausschliesslich um ein Linux-Problem handelt. "Im Moment ist man mit Investitionen zurückhaltend - generell, nicht nur bei Linux", urteilt Stevens.



Etwas anderer Meinung ist hier Linux-Spezialist Andreas Heer. Er glaubt, dass Firmen in schwierigen Zeiten weniger experimentierfreudig sind und Linux unter diesem Umstand leide (siehe Kommentar).




Peter Stevens denkt jedoch nicht, dass die Schliessung seiner Firma Signalwirkung hat. "Klar habe ich viele Mails von Leuten bekommen, die schockiert waren, man darf aber die Bedeutung von SFI nicht überbewerten. Firmen wie IBM machen im Moment Millionenumsätze mit Linux. Oder sehen sie nur nach München, wo Linux auf 14'000 Desktops zum Einsatz kommen wird."



Warum haben dann Grossfirmen derzeit schlagenden Erfolg mit Linux, während die kleinen zu kämpfen haben? Stevens erklärt: "Grosse Firmen kaufen Linux bei grossen Firmen. Ein Grossunternehmen kann mit Linux über einen längeren Zeitraum gesehen viel Geld sparen. Bei kleineren Firmen hingegen - und damit meine ich Firmen bis 500 Mitarbeiter - dauert die Amortisation länger und das kurzfristige Sparpotential ist nicht so eindeutig, weil Migration und Paralellbetrieb auch bezahlt werden müssen. Zudem haben viele kleinere Unternehmen zurzeit weder das Geld noch die Kapazität für eine Umstellung. Sie können sich einen Return of Investment erst nach zwei oder drei Jahren nicht leisten." So würden halt viele Unternehmen ihre veraltete Infrastruktur beibehalten, solange sie ihren Dienst noch erfüllt. Ein zusätzlicher Punkt: Kleine Linux-Firmen würden vor allem von Services leben. Wenn jedoch IBM einige Linux-Server verkaufen kann, dann werden die Services als Zückerchen obendrauf gegeben. "Services werden zu billig verkauft - auch das ist ein generelles IT-Problem", klagt Stevens.



Er spricht aber auch einen geschickten Schachzug der Konkurrenz an. Microsofts neues Lizenzmodell (Licensing 6.0) habe die Schmerzgrenze der Kunden sehr geschickt ausgelotet. Viele Microsoft-Kunden hätten sich bei ihm über Licensing 6.0 beklagt, trotzdem seien die Mehrkosten, die das Modell mit sich bringt, nicht so hoch, dass ein Wechsel auf Open-Source vollzogen würde, weil dieser kurzfristig nicht unbedingt günstiger wäre.




Linux nicht verstanden

Joe Ammann, Präsident der Swiss Open Systems User Group (www.ch-open.ch), zeigt sich "sehr enttäuscht über die SFI-Schliessung." Jedoch kenne er derzeit keine ausschliesslich auf Linux spezialisierte Firma, der es wirklich gut geht. "Die Bereitschaft im Schweizer KMU-Markt, auf Linux zu setzen, ist noch kleiner als beispielsweise in Deutschland", so Ammann. Und weiter: "Linux hat - vor allem auf kleine bis mittelgrosse Firmen ausgerichtet - ein Marketing-Problem. Die Geschäftsmodelle von Open Source Software werden oftmals nicht verstanden. Unternehmen sind sich vielfach nicht einmal bewusst, dass Linux eine Alternative sein könnte."



Zudem spricht er auch ein von den Linux-Verfechtern hausgemachtes Problem an. Open-Source-Firmen würden nämlich, so Ammann, zu wenig längerfristige Supportverträge abschliessen können. Viele Unternehmen denken sich, wenn schon Linux, dann gratis. Doch wenn Linux-Firmen Chancen haben wollen, müsse sich ein Supportmodell durchsetzen. "Zudem muss auch mit der Illusion aufgeräumt werden, dass Linux 70 oder mehr Prozent der Kosten einspart. Realistisch sind vielleicht 20 bis 30 Prozent", urteilt Ammann abschliessend. So kommt es, dass seiner Meinung nach ein Open-Source-Spezialist kurzfristig gesehen vor allem im Engineering-Bereich Geld verdienen kann. "In diesem Umfeld kann man sich auch positionieren."




Und SFI-Geschäftsführer Peter Stevens? Hat er mit Linux aufgegeben? Es scheint nicht so: "Zuerst werde ich mir einen Sabbatical gönnen, dann aber werde ich mich zurückmelden. Ich bin überzeugt, dass es nach wie vor Arbeit im Open-Source-Bereich gibt."



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