Interview mit Magnus Sandberg, Googles Site Lead European Engineering Center, Zürich


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/09

     

InfoWeek: Und, wie gefällt Ihnen Zürich?

Magnus Sandberg: Hervorragend. Ich bin eigentlich aus Schweden und lebe seit 17, 18 Monaten in Zürich. Ich mag die Stadt wirklich. Es ist sehr nett hier.



Was macht Google eigentlich genau hier in Zürich?

Zürich war unser erster und ist unser grösster Entwicklungs-Sitz in Europa. Wir wollen den Standort weiter wachsen lassen. Im Zusammenhang mit Zürich denke ich gerne an eine Art "Mini-Mountain-View" (Standort des Google-Haupsitzes, Anm. der Redaktion). In diesem Gebäude soll eine allgemeine Research&Development-Niederlassung entstehen, wo an einer breiten Palette von Google-Produkten und Technologien gearbeitet und auch der europäische Markt beobachtet wird.



Wie viele Leute beschäftigt Google hier heute schon?

Im Moment haben wir rund 80 Leute hier, davon sind etwa 60 Mitarbeiter Ingenieure.



Und wie viele Mitarbeiter strebt man für den Standort Zürich an?

Wir haben kein eigentliches Ziel, vielmehr wollen wir so viele talentierte Leute engagieren, wie wir finden können.



Also soll Google in Zürich weiter wachsen?

Ja, absolut. Wir versuchen, Angestellte aus der Schweiz und aus ganz Europa hier hin zu holen. Schon heute versammeln sich am Standort 15 oder mehr Nationalitäten.



Ist es denn schwierig, fähige Mitarbeiter in Europa zu finden?

Nein, es gibt viele talentierte Leute auf dem Markt. Wir müssen teilweise aber noch herausfinden, wie wir diese erreichen können. Wir haben auch noch nicht so viel Erfahrung darin, Ingenieure in Europa zu finden. Das können wir in Zukunft sicher noch besser machen, indem wir uns verstärkt auf dem Job-Markt zeigen. Ich denke, viele Software-Ingenieure in Europa wissen gar nicht, dass Google in Zürich Leute sucht und einstellt.



Wie sieht es mit Schweizer Mitarbeitern aus. Genügen die hiesigen Ingenieure Googles Anforderungen und wie beurteilen Sie den Ausbildungs-Level von Schweizer Spezialisten?

Es ist kein Geheimnis, dass die Schweiz eine Reihe hervorragender technischer Universitäten vorweisen kann. Wir haben hier Mitarbeiter sowohl von der ETH Zürich wie auch von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne angestellt Dabei handelt es sich um sehr gute Ingenieure, keine Frage.



Und der Google Code Jam wurde nun lanciert, um weitere talentierte Mitarbeiter zu finden?

Talentierte Mitarbeiter zu finden, die interessiert sein könnten, für Google zu arbeiten, ist eines der Ziele, ganz klar. Ein anderes Ziel liegt darin, die Software-Ingenieur- und Programmierer-Communitys in Europa zu unterstützen und eine Langzeitbeziehung mit diesen zu etablieren.



Können Sie mir etwas über spezifische Projekte erzählen, an denen Google in Zürich arbeitet?

Zu einem gewissen Grad, ja. Als aktuellstes Beispiel haben wir jüngst Google Maps für einige europäische Länder wie Deutschland und Frankreich lanciert. Ein Teil des Teams, das für diese Projekt verantwortlich zeichnet, ist in Zürich zu Hause. Dies als Beispiel eines User-orientierten Produkts. Wir arbeiten auch an anderen Projekten, die mehr Infrastruktur-orientiert sind. So bauen wir hier teilweise die grundlegende Plattform, auf der unsere Produkte aufsetzen. Andere Teams beschäftigen sich mit der Suchqualität, um die Relevanz der Suchresultate zu verbessern. Dazu gehört auch das Lösen von spezifischen Problemen im Zusammenhang mit den verschiedenen Sprachen in Europa. Ein weiteres Projekt aus diesen Räumen, das bereits live geschaltet ist, ist Google Sitemaps - was trotz des ähnlichen Namens nichts mit Google Maps zu tun hat. Sitemaps ist für Website-Besitzer gedacht und bietet ihnen einen Weg, Google wissen zu lassen, welchen Content man auf ihrer Site findet. Wir versuchen also, direkter mit Sitebetreibern zusammenzuarbeiten. Mit Sitemaps kann sichergestellt werden, dass Google all den Content einer Site, der indexiert werden soll, auch indexiert und umgekehrt. (www.google.com/webmasters/sitemaps)



Was stellt Google den Sitebetreibern denn genau zur Verfügung?

Wir offerieren Tools, um Sitemaps zu kreieren, die wir dann abholen und benutzen können, um unsere Crawler zu steuern. Eigentlich muss der Sitebetreiber nur ein File auf seine Site schalten, das wir dann herunterladen können. Dabei unterstützen wir eine Reihe verschiedener Formate und bieten Werkzeuge, um diese Files zu erstellen. Ausserdem gibt es Tools von Drittentwicklern. Es gibt also verschiedene Wege, um diese Sitemaps zu erstellen. Alle Informationen dazu können auf sitemaps.google.com gefunden werden.



Und für welche Art Sites ist die Sitemap-Funktion konzipiert?

Eigentlich spielt es keine Rolle, um welche oder wie grosse Sites es sich handelt. Sinnvoll ist Sitemaps aber sicher für grössere Auftritte mit vielen Informationen. Aber jedermann ist eingeladen, die Funktion zu nutzen.



Google ist an vielen Fronten aktiv, arbeitet an vielen verschiedenen Projekten. Man findet einen E-Mail-Service, eine Foto-Software, Textverarbeitung, Maps und seit neuestem sogar das 3D-Modelling-Tool SketchUp. Mir ist nicht ganz klar, wie diese Palette von Produkten zusammenspielen soll beziehungsweise zusammenpasst.

In einem breiteren Sinn passen diese Produkte schon zusammen. In der einen oder der anderen Art behandeln sie immer Informationen. Google sieht sich selbst als Informationsverarbeitungs-Unternehmen. Unsere Mission ist es, Usern weltweit Informationen verfügbar und zugänglich zu machen. Es gibt nun mal viele verschiedene Arten an Informationen, weshalb wir an vielen verschiedenen Fronten tätig sind. Klar sind da Webseiten, doch darüber hinaus sprechen wir von Office-Dokumenten, Bildern, E-Mail - alles Informationen, mit denen wir uns beschäftigen, und die wir zugänglich und durchsuchbar machen wollen. Betrachtet man mehr die User-Interface-Seite, denke ich, dass Integration seine Zeit braucht. Wir haben bestimmte Philosophien und Standards, wenn es darum geht, User Interfaces zu kreieren, mit denen Google-User vertraut sind. Mit diesen sollen alle Google-Produkte über kurz oder lang ausgestattet werden.



Trotzdem, in SketchUp beispielsweise sehe ich den Informations-Gehalt nicht. SketchUp ist einfach ein Tool für die 3D-Modellierung, oder?

Nun, auch 3D-Modelle sind Informationen, richtig?



Nun gut, praktisch alles ist in irgendeiner Form Information. Also könnte Google was auch immer lancieren.

Ja klar, das ist eine breit gefächerte Mission. Ich denke aber, wenn man die Produktpalette als ganzes anschaut, bekommt "der Wahnsinn Methode", wie man so schön sagt.



Wo sehen sie derzeit die spannendsten Entwicklungen im Bereich Internet?

Schwierig. Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass das Vorhersagen des nächsten grossen Trends, des nächsten Durchbruchs, selten erfolgreich war. Anstatt zu versuchen, "the next big thing" zu prognostizieren, sollte man versuchen, eine Entwicklungs-Kultur zu unterhalten, die darauf abzielt, in viele verschiedene Richtungen zu forschen. Das ist etwas, das Google versucht. So können wir Teil von neuen Entwicklungen und neuen Trends sein, wenn diese durchstarten.



Trotzdem spürt man im Moment einen grossen Hype um Web 2.0 und AJAX. Ist dieser gerechtfertigt?

Sicher, gerade AJAX ist als Technologie in weiten Teilen sehr relevant und auch wichtig und wird - beziehungsweise hat bereits - Einfluss darauf, wie Webapplikationen ausschauen. Aber man muss die wichtigen Entwicklungen vom Hype unterscheiden, man muss erkennen können, was nur Hype ist und was nicht.



Das einzige Google-Produkt auf AJAX-Basis ist Writely.com, oder liege ich hier falsch?

Das kommt darauf an, wie man AJAX definiert. Viele unserer Produkte mit anspruchsvollen User Interfaces, beispielsweise Gmail oder Maps, nutzen AJAX-verwandte Technologien. AJAX ist ein breiter Begriff, eine klare Definition fehlt meiner Ansicht nach.



Ein anderer Trend scheinen im Moment Mashups zu sein. Vieles mutet hier aber noch als Spielerei an. Wo liegt der kommerzielle Aspekt hinter Mashups? Wie könnte eine Firma die Google-APIs nutzen, um sinnvolle Applikationen zu entwickeln?

Es steht ausser Frage, dass mit unseren APIs sinnvolle Produkte entworfen werden können. Es gibt bereits viele gute Beispiele. Ein Business-Nutzen ist beispielsweise durch Werbung gegeben, etwa durch Googles AdSense-Programm. So generieren wir den grössten Teil unseres Umsatzes und das ist bewiesenermassen ein erfolgreiches Business-Modell. Aber: Wer eine Lösung baut, die spannend genug ist, das Interesse der User zu wecken - und dabei ist es egal, ob es sich um ein internes Google- oder ein Drittentwickler-Produkt basierend auf der Google-API handelt - dann gibt es auch Wege, Geld mit dieser Lösung zu verdienen. Aber zuerst muss das sinnvolle Produkt entwickelt werden.



Bis jetzt habe ich aber wenig sinnvolle Lösungen basierend auf Google-APIs gesehen. Oder erachten Sie eine Landkarte des Planeten Mars basierend auf Google Maps als sinnvoll?

Nun, gerade auf Basis der Maps-API wurden einige interessante Services entwickelt. Ein frühes Beispiel, dass ich besonders cool finde, ist ein Apartment-Finder für die Bay-Area. Dabei werden die Daten über verfügbare Wohnungen aus einer Website ausgelesen und mit Maps kombiniert. So entsteht eine Karte, aus der ersichtlich ist, wo welche Apartments verfügbar sind. Man kann sie nach Preisen sortieren, oder eine Wohnung nach bestimmten Kriterien suchen. Ein sehr sinnvoller Service, der für Aufsehen gesorgt hat und der sicher auch in Geld umgewandelt werden konnte.



Ein Service, den man sicher auch in Zürich gebrauchen könnte. Eine Wohnung zu finden, ist hier ja auch nicht gerade einfach, wie Sie sicher wissen.

Absolut. Und nachdem der Map-Service jetzt kürzlich für europäische Länder lanciert wurde, können nun auch für Europa ähnliche Services entwickelt werden.



Handkehrum haben wir ja in der Schweiz mit map.search.ch bereits einen sehr guten Karten-Service.

Ja, da muss ich Ihnen Recht geben.



Herr Sandberg, ich danke Ihnen für das Gespräch.

(mw)


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