Innovationsmotor treibt IT und Business

In seiner Keynote anlässlich des Swiss IT Award formulierte der neue Group CIO der Deutschen Telekom, Peter Sany, wie Innovation nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg bringen kann. Eine Kurzfassung der Rede.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/17

     

«Innovation ist mehr als nur etwas Neues.» Dieses Zitat stammt von Sam Palmisano, dem CEO von IBM. Für mich gehört zur Innovation zwingend auch die Umsetzung einer Idee, damit am Schluss ein vermarktetes Produkt entsteht.
Die grosse amerikanische Firma mit den drei Buchstaben habe ich nicht aus Zufall an den Anfang meines Referats über Innovation gestellt. Diese Organisation erhält einerseits seit 20 Jahren Jahr für Jahr weltweit am meisten Patente zugesprochen. Der Vorsteher dieses Unternehmens muss offensichtlich über eine gewisse Kompetenz in diesem Thema verfügen.
Es gibt sehr viele Beispiele von umgesetzter Innovation. Die einen sind praktisch nur positiv konnotiert, bei anderen schwingen negative Untertöne mit. Ein bahnbrechendes Beispiel aus der Medizin sind die Antibiotika. Millionen von Menschen konnten seit ihrer Entdeckung geheilt werden. Bei der Entwicklung von Maschinen ist die Beurteilung schon nicht mehr uneingeschränkt positiv. Sie haben uns die Arbeit erleichtert und Wohlstand gebracht, aber auch Umweltverschmutzung.
Gentechnologie hinwiederum hat gewisse Krebsarten heilbar gemacht. Sie kann aber auch für ethisch problematische Manipulationen missbraucht werden.
Bei der Atomtechnologie überwiegen vielleicht sogar die negativen Aspekte. Zum einen ist sie als Energiequelle umstritten, zum anderen hat sie zur Atombombe geführt.


Innovation heisst Veränderung

Unabhängig davon, wie am Ende unser Urteil ausfällt, hat Innovation immer mit Veränderung zu tun. Veränderung gehört zu den fundamentalen Elementen, die das menschliche Leben ausmachen: Das Denken, das Vermögen, Strukturen zu erkennen und zu immer Neuem zu kombinieren und dieses Neue dann auch wirtschaftlich umzusetzen, sind meiner Ansicht nach tief im Menschen verwurzelt.


Beliebig vermehrbar

Über die ganze Menschheitsgeschichte gesehen, stellen wir Wellen von positiven und negativen Veränderungen fest, die durch fundamentale Innovationen initiiert wurden. Heute werden nicht nur die Abstände zwischen diesen Wellen immer kürzer, auch die Grundlagen unserer Wirtschaft haben sich verändert. Die bis vor kurzem bestimmenden Produktionsfaktoren Land, Arbeit und Kapital haben etwas gemeinsam: Sie können nicht einfach beliebig geteilt oder vermehrt werden. Wissen und Information, die Rohstoffe der heutigen Wissensgesellschaft, lassen sich aber praktisch beliebig teilen und vermehren, ja sie
können sogar beliebig zu etwas Neuem kombiniert werden.
Durch das Internet wurde nun
auch das Paradigma der Orts- und Zeitabhängigkeit aufgelöst. Informationen können heute jederzeit und überall auf der Welt verarbeitet werden.


Im Spannungsfeld zwischen drei Polen

Vor diesem Hintergrund befindet sich unser Umgang mit Innovation in einem Spannungsfeld zwischen den drei Polen Innovationsfähigkeit, Innovationsaversion und Innovationskultur. So wird alles, was theoretisch gemacht werden kann, früher oder später irgendwo auf der Welt in die Realität umgesetzt, wie die Klonierungsversuche zeigen. Andererseits zeigt die aktive Ablehnung der Klein- und Minicomputer-Innovation durch IBM in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts exemplarisch, wie fatal es sich auswirken kann, wenn der Aversions-Pol Überhand gewinnt. Der dritte Pol, die Kultur, zeigt sich beispielsweise darin, wer von unserer Gesellschaft als Held gefeiert wird. Sind es die Nobelpreisträger oder ist es eben doch ein Fussballstar, der alle drei Monate den Klub wechselt und – sie verzeihen diesen Basler-Touch – doch nie spielt?






Was aber ist Innovation? Auch wenn wir nur die wirtschaftlich relevante Innovation betrachten, gibt es verschiedene Arten. Die Informatik definierte sich viel zu lange über die rein technologische Innovation. Heute hat sich aber der Fokus von der Technik auf die Strukturen, die Prozesse und die Businessmodelle verschoben. IT kann Mehrwert schaffen, wenn sie dazu genutzt wird, innovative Prozesse zu entwickeln oder zu unterstützen. Dies umfasst Prozesse von der Modellierung detaillierter Versicherungsrisiken auf Hochleistungsrechnern über das internationale Rekrutieren von Personal über das Internet bis zur RFID-Technologie, mit der die Lieferkette automatisiert wird. Überall macht die Technologie völlig neue Prozesse möglich. Wer diese Prozesse im Griff hat, hat auch die Zukunft im Griff.


Neuartige Businessmodelle

Durch durchgängig digitale Prozesse werden vollständig neue Businessmodelle möglich, wenn beispielsweise mein Blutdruck oder mein Stuhlgang laufend analysiert werden. Der Arzt der Zukunft wird dann nicht mehr mit der heutigen Funktion vergleichbar sein. Auf der anderen Seite krempeln serviceorientierte IT-Architekturen ganze Industrien um. Nehmen sie Avaloq als Beispiel, die Schweizer Bankengesamtlösung. Durch solche Applikationen wird sich die Fertigungstiefe der Finanzinstitute massiv senken lassen, genau gleich wie dies die Automobilindustrie in den letzten 20 Jahren vorgemacht hat. Toyota macht heute nur noch 5 Prozent aller Teile und Arbeiten an seinen Fahrzeugen selber.
Ein anderes Beispiel aus meiner Berufserfahrung ist ein Knowledgespace, den wir bei Novartis
eingerichtet haben, um den Informationszugang- und Austausch zu verbessern. Dieser Raum integriert Informationen aus der Forschung, aber auch aus dem Internet über eine spezielle Schicht, wodurch Forscher aus den gleichen Ressourcen wie vorher messbar mehr Innovation generieren können.


Strukturiert stoppen

Innovationen fallen allerdings nicht vom Himmel. Um einen Innovations-Prinzen zu finden, muss man statistisch gesehen 200 Frösche küssen. Es gilt also, wer mehr übt, hat auch mehr Erfolg. Aber Übung alleine macht nicht den Meister. Wir brauchen auch strukturierte Prozesse, um Innovationen aufzufangen, weiterzutreiben und dann – und das ist zentral – im richtigen Moment zu stoppen. Denn wir sind alle schon in die Forschungsfalle gelaufen und haben die Entwicklung weitergetrieben und perfektioniert, bis Kosten und Nutzen aus dem Gleichgewicht gerieten. Ein strukturierter Prozess, wie und wann eine Übung abgebrochen und die Mittel auf erfolgsversprechendere Projekte umgeleitet werden, ist eine der fundamentalen Fähigkeiten, die wir im Umgang mit Innovation beherrschen müssen.


Mit Chaos umgehen

Daneben benötigen wir eine Art von Fuzzy Logic: Wir müssen mit dem Chaos umgehen können, damit unkonventionelle Ideen Raum haben, und wir müssen gleichzeitig strukturiert in Prozessen vorgehen, damit aus dem Chaos überhaupt etwas entstehen kann. Wir müssen Differenzen zulassen, denn in diesen Spannungsfeldern entsteht Neues. Wir müssen dazu Fehlertoleranzen festlegen, die es erlauben, kreativ zu spielen, ohne sich in einem selbstgefälligen Tüfteln zu verlieren. Einen weiteren Innovationshemmer können heute Best Practices darstellen. Diese sind zwar als Leitschnur sinnvoll, sie müssen aber weiterentwickelt werden, damit sie nicht zu einer Form von Zensur verkommen.


Kultur ist entscheidend

Die zentrale Komponente in einem Rahmenwerk für einen erfolgreichen Umgang mit Innovation ist für mich ganz generell nicht die Struktur, sondern die Kultur. Eine entsprechende Kultur macht ein Unternehmen innovativ, und nicht Service Level Agrements. Wie heisst es treffend: Die Schweiz ist eine Willensnation. Nicht die Gesetze in den Aktenschränken machen letztendlich unser Land aus, sondern der Wille der Bewohner, zusammenzuarbeiten. Es ist notwendig, dass wir nicht mehr Fehler bestrafen, sondern dass Erfolge belohnt werden. Die Schweiz muss lernen, auch unkonventionell zusammenzuarbeiten. Wir brauchen Netzwerke und nicht Uhrwerke.




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