NetWare 6.5 Beta: Das beste NetWare aller Zeiten

Novell hat seinem NetWare-Server zahlreiche Neuerungen und Verbesserungen angedeihen lassen, die den IT-Alltag komfortabler machen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/12

     

Es ist noch nicht allzu lange her, dass Novell in einer schweren Krise steckte. Mittlerweile sieht es etwas besser, wenn auch noch nicht rosig aus. Die Quartalszahlen zeigen langsam steigende Tendenz, und auch das Image von Novell wird wieder besser. Mit NetWare 6.5 scheint dem Unternehmen nun ein grosser Wurf zu gelingen - mit einem Produkt, das für viele Unternehmen Sinn macht. Ob es aber gelingt, damit wieder steigende Marktanteile zu gewinnen, muss sich erst zeigen.



Wenn man sich nicht gerade ausschliesslich für Microsofts Server-Produkte entschieden hat, dann sollte man sich NetWare 6.5 auf jeden Fall näher anschauen. Novell setzt damit kontinuierlich die Entwicklung der letzten Jahre fort und hat einigen proprietären Ballast über Bord geworfen, um sich so immer mehr als offene Integrationsplattform für heterogene Welten zu positionieren. Dabei stehen drei Themen im Mittelpunkt. Das erste ist die schon mit NetWare 6 propagierte Storage-Konsolidierung, das zweite Novells Hauptthema des Aufbaus von sicheren Infrastrukturen für heterogene Systemwelten. Das dritte Themenfeld ist ebenfalls von strategischer Bedeutung für Novell: Hier geht es um umfassende Dienste rund um das zentrale E-Directory.




Novells grosses Problem bei dieser Entwicklung ist sicherlich, dass NetWare immer noch den Ruch des Proprietären hat. David Ledbetter, der für die Produktentwicklung zuständige Vorstand bei Novell, hat dazu auch einmal angemerkt, dass es immer noch etliche Entwickler bei Novell gibt, die fest in dieser proprietären Welt verwurzelt seien. Der überwiegende Teil habe sich aber geöffnet und die Chancen erkannt, die der Abschied aus dieser Ecke und die Positionierung als Integrationsplattform bieten. Wer die Entwicklung von NetWare 4.2 über NetWare 5 und 6 bis zur aktuellen Version 6.5 genau betrachtet, merkt, dass die Zeiten des Proprietären bei Novell vorbei sind. Mit NetWare 5 wurde der Schritt von IPX zu TCP/IP vollzogen, mit NetWare 6 wurde es erstmals möglich, wesentliche Systemfunktionen auch ohne den NetWare-Client auf allen Systemen zu nutzen. Mit NetWare 6.5 wird dieser Weg nun nicht nur konsequent fortgesetzt - es gibt mittlerweile auch etliche Open-Source-Produkte, die auf NetWare laufen. Dazu gehören neben Apache, der schon früher auf NetWare portiert wurde, nun auch Tomcat, MySQL oder OpenSSH. Doch dazu und zu der Frage, wie diese Komponenten zu NetWare passen, später mehr.


Storage-Konsolidierung

Novell verwendet im Marketing für NetWare 6.5 das grosse Wort der "Business Continuity". Das ist vielleicht etwas hoch gegriffen, auch wenn man sich anschaut, was Novell dort subsumiert. Da finden sich ein Nterprise Branch Office ebenso wie der iManager 2.0 als Administrationsschnittstelle oder die Unterstützung von iSCSI.



Wenn man, wie bei NetWare 6, von Storage-Konsolidierung und von besserem Management verteilter Umgebungen spricht, passt das schon eher. Denn um diese beiden Themen geht es vordringlich.




NetWare hat seinen Ruf früher vor allem dadurch gewonnen, dass es ein sehr schneller und leistungsfähiger File-Server war. Die Datenvolumina, die heute von einem Server bewältigt werden müssen, sind aber ungleich grösser als vor zehn oder fünfzehn Jahren. Novell hat daher auch in diesem Bereich so ziemlich alles neu gemacht. Das klassische NetWare-File-System ist bei NetWare 6.5 in der Versenkung verschwunden. Standardmässig werden nur noch die Novell Storage Services (NSS) angeboten, die bisher mit dem klassischen Ansatz noch koexistierten. Diese arbeiten in allen Bereichen anders als das NetWare-File-System, was bis hin zur Autorisierung von Zugriffen geht. Das NSS ist für den Einsatz in Clustern optimiert und kann Daten im TeraByte-Bereich verwalten.



Ergänzt wird es durch drei wichtige Komponenten. Der Novell iFolder erlaubt den Zugriff auf Server-Daten von Browsern und von Windows-Clients aus. Die Informationen können mit dem iFolder auch auf die Clients synchronisiert werden. Noch wichtiger sind aber die NFAPs (Native File Access Packs). Mit diesen können Windows-, Apple- und Unix-Clients auf NetWare-Server ohne zusätzliche Software zugreifen - vor allem ohne installierten NetWare-Client. Genaugenommen handelt es sich bei diesen Packs um die Unterstützung der Protokolle CIFS/SMB (Common Internet File Services/ Server Message Blocks), AFP (Apple File Protocol) und NFS (Network File System). Der iFolder und die NFAPs sind bereits mit NetWare 6 eingeführt worden und auch als Add-on für NetWare 5.1 verfügbar. Sie wurden bei NetWare 6.5 "nur" optimiert.



Die Kommunikationsprotokolle für den File-Server-Zugriff sind aber nur ein Teil der Lösung. Das weitaus grössere Problem ist die Authentifizierung von Benutzern. Novell hat hier zum einen einen ganzen Strauss von Produkten für das Single-Sign-on und das plattformübergreifende Benutzermanagement, zum anderen aber auch als Basislösung die NMAS (Novell Modular Authentication Services).



In diesem Bereich gibt es bei NetWare 6.5 gleich zwei fundamentale Änderungen. So werden nun die vollständigen NMAS und nicht mehr nur eine Basisfunktionalität mitgeliefert. Damit kann beispielsweise auch eine mehrstufige Authentifizierung für den Zugriff auf besonders sensible Daten verlangt werden. Der Benutzer muss dann beispielsweise sowohl Benutzernamen und Kennwort eingeben als auch eine biometrische Authentifizierung durchführen.



Ein Problem dabei war bisher, dass NetWare die Kennwörter als Hash, also irreversibel speichert. Ab NetWare 6.5 werden nun starke Verschlüsselungsverfahren verwendet, so dass die Kennwörter wieder entschlüsselt und damit auch mit anderen Plattformen synchronisiert werden können. Die Konsequenz ist, dass es nur noch ein gemeinsames Kennwort für den Zugriff über den Novell-Client und über die NFAPs und nicht mehr wie bisher einerseits das NetWare- und andererseits das sogenannte "einfache" Kennwort geben muss.



Die Kombination aus NSS, NFAPs, dem iFolder, dem Novell WebStorage, iPrint für das Drucken über IPP, von leistungsfähigen integrierten Cluster-Diensten (Novell Cluster Services) und iSCSI führt im Ergebnis zu einer Plattform, die als File-Server für unterschiedlichste Clients im Netzwerk fungieren kann. Damit das auch in Windows-Umgebungen optimal funktioniert, hat Novell gleich noch das DirXML-Starter-Pack integriert, mit dem die Informationen in Windows-NT- und -2000-Domänen mit dem NDS eDirectory synchronisiert werden können - inklusive der Kennwörter. NetWare 6.5 kann damit als eine Art leistungsfähiger NAS-Server (Network Attached Storage) dienen.




Sichere Infrastrukturen

Das zweite Feld, das von Novell heute bestellt wird, sind Lösungen für den Aufbau sicherer Infrastrukturen. Dafür hat Novell mit dem NAM (Novell Account Management) 3.0, mit DirXML, mit iChain und mit Novell SecureLogin einige Produkte im Portfolio, die um das Novell eDirectory herum plaziert sind, in dem die Benutzerdaten verwaltet werden. Wichtige Teilkomponenten wie der Novell Certificate Server laufen ebenso wie die genannten Produkte nicht nur auf NetWare, sondern auch auf Windows- oder Linux-Servern. Insofern stellt sich die Frage, warum NetWare hier noch eine Rolle spielt - in der Praxis lassen sich diese Funktionen nämlich auch komplett ohne NetWare nutzen.



NetWare 6.5 ist aber im Vergleich zu früheren Versionen wieder eine echte Alternative in diesem Feld. Denn mit dem Apache-Server, der Unterstützung für Perl und PHP, mit MySQL und Tomcat und mit dem Novell exteNd Application Server lassen sich nun nicht mehr nur Sicherheitsinfrastrukturen für Netzwerk-Betriebssysteme, sondern auch für Web-basierende Anwendungen realisieren. Gerade im Zusammenspiel mit iChain als einer Lösung für das zentrale Management von Web-basierenden Anwendungen wird das interessant. Selbst hier gilt, dass man das auch auf Basis von Windows- oder Linux-Servern in der gleichen Weise machen könnte. Ein Vorteil von NetWare 6.5 ist aber, dass der exteNd Application Server kostenlos ist, während das Produkt auf anderen Betriebssystemen ebenso wie die meisten vergleichbaren Application Server Lizenzgebühren kostet. Der exteNd Application Server ist dabei nicht irgendein von Novell geschwind selbstgestricktes Produkt, sondern ein neuer Release der von Silverstream gekauften Lösung, die nun auch als J2EE-compliant zertifiziert worden ist.




Novells Chance und Hoffnung liegt dabei sicherlich nicht ausschliesslich darin, dass NetWare 6.5 der ideale Server für den Aufbau sicherer Infrastrukturen ist. Er ist aber zweifelsohne eine interessante Alternative zu anderen Server-Plattformen geworden - und NetWare als Basis hat sich ebenso wie das eDirectory in zahlreichen Unternehmen über viele Jahre bewährt.




Dienste für das eDirectory

Die neuen Open-Source-Server sind auch für das dritte Einsatzgebiet von NetWare 6.5 von grosser Bedeutung. Wo Novell von "End User Productivity" spricht, geht es eigentlich darum, Anwendungen für das eDirectory bei NetWare zu integrieren. Auf Basis der Novell Portal Services (NPS) können Benutzer virtuelle Team-Räume erstellen, auf den iFolder und auf iPrint zugreifen, E-Mails von Exchange-, GroupWise- und anderen Servern lesen oder mit Hilfe des eGuide auf Personendaten aus dem eDirectory und anderen Verzeichnissen zugreifen. Diese Funktionen lassen sich mit Hilfe eines eigenen Application-Servers und mit MySQL und anderen Produkten wesentlich leichter als bisher ausbauen. Bei NetWare 6.5 ist der wichtigste Schritt, dass damit bestehende Anwendungen von anderen Plattformen viel einfacher als bisher portiert werden können und dass für die Realisierung solcher Lösungen kaum noch Novell- oder NetWare-spezifisches Wissen erforderlich ist. Denn PHP, Perl, Apache oder MySQL funktionieren auf allen Plattformen gleich.



Richtig rund wird das Ganze, wenn man diese Funktionen im Zusammenhang mit zentralen Storage- und sicheren Infrastruktur-Diensten betrachtet. Dann lassen sich darauf individualisierte Lösungen für den Informationszugriff aufsetzen. Novell hat mit NetWare 6.5 die Basis gelegt, um Informationen sicher und plattformunabhängig verteilen zu können. Das wird heute noch kein Verkaufsargument sein - aber Novell könnte in den nächsten Jahren davon massiv profitieren.





Wie funktioniert das System?

NetWare 6.5 ist nicht nur auf dem Papier besser und interessanter geworden. Noch nie war ein NetWare so leicht zu installieren und zu konfigurieren wie dieser Release. Selbst für einen Tester, der im Laufe der letzten Jahre sicherlich weit mehr als fünfzig NetWare-Server aufgesetzt hat, ist NetWare 6.5 erfreulich. Das beginnt dabei, dass die Maus in allen Systemkonfigurationen zuverlässig auch mit X Window funktioniert, und endet bei einem einfacheren Überblick über IP-Adressen und Server-Ports als noch bei NetWare 6. Für viele Benutzer werden auch die vorkonfigurierten Server angenehm sein. Damit lassen sich unterschiedlichste Varianten vom klassischen NetWare-File-Server bis hin zu DNS-/ DHCP-Infrastruktur-Servern einrichten. Wenn Novell sich nun noch für Checkboxen entschieden hätte, so dass man mehrere Funktionen kombinieren kann, wäre die Installation noch einfacher geworden.
Bei der Nutzung gefällt vor allem die immer weiter wachsende Funktionalität der Browser-basierenden Administrationsschnittstellen iMonitor und NetWare Remote Manager. Aber auch die OpenSSH-Unterstützung ist gelungen. Gemeinsam mit der ConsoleOne lässt sich NetWare so sehr gut administrieren. In diesem Bereich sind es weniger die grossen Sprünge als vielmehr die kleinen Verbesserungen, die NetWare 6.5 zu einem so erfreulichen Produkt machen. Für den mit NetWare 6 vertrauten Administrator gibt es keine fundamentalen Änderungen. Dennoch hat man schon von den ersten Installationsschritten an das Gefühl, dass Novell wirklich gründlich über das Produkt nachgedacht und Schwachstellen beseitigt hat. So erfolgt die Auswahl zwischen SCSI und IDE zu Beginn der Installation automatisch. Und wer eine DOS-Partition für die Startdaten des Servers einrichtet, muss das System nicht neu booten, weil Partitionierung und Formatierung im laufenden Betrieb erfolgen.




Novell hat bei NetWare 6.5 unzweifelhaft einen guten Job gemacht. Für Unternehmen, die heterogene IT-Infrastrukturen oder vorhandene NetWare-Server haben, ist NetWare 6.5 eine interessante Option, weil sich gemeinsam mit anderen Novell-Produkten eine sichere, offene und zentrale Infrastruktur umsetzen lässt. Und für bestehende Anwender ist NetWare schon deshalb äusserst interessant, weil es der beste NetWare-Server ist, den es je gab. Wenn man sich dann noch das Potential von NetWare für die sichere Bereitstellung von Informationen betrachtet, dann gibt es für Novell zweifelsohne echten Grund zur Hoffnung auf deutlich bessere Zeiten.



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