Business Outlook: Domain-Namen als Qualitätslabel

In den meisten Anwendungsfällen werden die neuen Domain-Endungen aus Sicht der Wirtschaft vorerst bloss ein zusätzliches Risiko der Verletzung von Marken- und Namensrechten oder aber einen Mehraufwand darstellen, weil die Unternehmen ihre Namen und Marken präventiv registrieren werden, bevor es ein anderer tun kann.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/14

     

Von Dot-Com-Firmen will heute zwar am liebsten niemand mehr sprechen. Doch geht es um Domain-Namen, so ist für ein international tätiges Unternehmen eine Adresse mit der bekannten Endung nach wie vor Pflicht. Entsprechend voll ist das Dot-Com-Domain-Register. Der Handlungsbedarf wurde schon vor Jahren erkannt, und nach langem Hin und Her wurde im letzten Herbst von der Internet-Selbstregierung ICANN die Einführung von neuen Top-Level-Domains (TLDs) wie .biz oder .info verordnet. Zwar wollen einige "wilde" Registrierer andere neue Domain-Endungen gegen den Willen der ICANN einführen. Auch gibt es noch Gezänk um die Verträge der offiziellen Registrierer mit ICANN. Doch im Sommer sollen die ersten neuen "generischen" Endungen bereit sein.




Doch was werden sie bringen? In negativer Hinsicht wird es mehr Verwirrung sein, die zum Beispiel windige Firmen mit unseriösen Vorregistrierdiensten ausnutzen werden. Doch die neuen TLDs werden auch einige Probleme lösen und Bedürfnisse erfüllen, zum Beispiel, wo von mehreren Firmen mit demselben Namen nur eine die entsprechende Dot-Com-Adresse haben konnte. Für solche Unternehmen gibt es nun Alternativen. Auch erlauben die neuen Endungen interessante Adressnamen mit Gattungsbegriffen, wie etwa "wetter.info".


Primär ein Mehraufwand

Doch damit hat es sich schon. In den meisten Anwendungsfällen werden die neuen Domain-Endungen aus Sicht der Wirtschaft vorerst bloss ein zusätzliches Risiko der Verletzung von Marken- und Namensrechten oder aber einen Mehraufwand darstellen, weil die Unternehmen ihre Namen und Marken präventiv registrieren werden, bevor es ein anderer tun kann. Dot-Com-Adressen werden - nebst den Länderadressen - aber weiterhin dominieren. Das wird sich erst im Laufe der Zeit ändern, wenn Domain-Namen ihren Symbolwert verlieren werden und zu herkömmlichen Adressierungselementen wie Telefonnummern werden.



Das wahre Potenzial von Domain-Namen hat die ICANN aber noch nicht erkannt. Richtig eingesetzt, könnten Domain-Namen mehr als nur Adressierungselemente sein und auch eine Garantiefunktion übernehmen. Das gilt natürlich nicht für die heutigen Top-Level-Domains. In diesen kann sich heute mehr oder weniger jeder eintragen, der danach begehrt. Die Rede ist von TLDs, die nur an Personen vergeben werden, die ganz bestimmte qualitative und quantitative Kriterien erfüllen. Die Registrierstellen sind nicht mehr blosse Domain-Provider und Verzeichnisführer, sondern Zertifizierungsinstanzen.




Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte im letzten Herbst einen Vorstoss in eben dieser Richtung gewagt. Sie wollte die Top-Level-Domain .health für qualitativ hochstehende Angebote im Bereich der Gesundheit einführen. Anders als bei den bisherigen Labels, deren Träger dem Benutzer lediglich eine entsprechende, leicht zu kopierende Grafik auf ihrer Website zeigen können, bietet ein Domain-Name mehr Schutz vor Missbräuchen. Der Domain-Name kann - Hackeraktivitäten ausgenommen - nur von den dafür vorgesehenen Stellen aktiviert werden, die auch Prüfungen der Registrierwürdigkeit vornehmen können. Tun sie dies sauber und nach einem vernünftigen Prüfraster, so könnten Internetbenutzer künftig darauf vertrauen, dass Websites mit Domain-Namen der jeweiligen Top-Level-Domain - also etwa .health - grundsätzlich als seriös gelten. Das Verfahren hat also durchaus Ähnlichkeiten mit der Funktionsweise von Public-Key-Infrastrukturen (PKI), bei denen spezielle Stellen ebenfalls bescheinigen, dass ein bestimmter öffentlicher Schlüssel einer digitalen Signatur zu einer bestimmten Person gehört.



Vorerst ist das aber noch ein Wunschtraum. Die ICANN entschied sich im Herbst stattdessen für Top-Level-Domains wie .coop für Genossenschaften oder .museum für Museen und gegen den Antrag der WHO. Das mag die obsiegenden Antragsteller zwar freuen, doch die Entscheidung ist unsinnig. Wer etwas hinter die Kulissen der ICANN-Meinungsbildung blicken kann, ist allerdings nicht erstaunt darüber.



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