Business Outlook: Peer-to-Peer für Unternehmen und Freaks

P2P-Technik: Die Ideen bleiben dieselben, aber die Bezeichnungen kommen und gehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/08

     

Napster, Gnutella und Co machte sie bekannt: Die P2P-Technik war eine der vielzitierten "Ideen" des letzten Jahres, die angeblich die Internet- und Computerwelt revolutionieren sollten. Statt einiger weniger zentraler Rechner, die viele Benutzer versorgen, helfen sich beim P2P-Konzept die Computer der Benutzer gegenseitig aus.



Wird dieses Konzept die fehlenden Hierarchien des Internet aus den Angeln heben? Wohl kaum, und das aus verschiedenen Gründen. Zwar haben die Musiktauschbörsen das Konzept ins Gespräch eines breiteren Publikums gebracht. Vermutlich kennen heute mehr Leute Napster als Linux. Auch haben die Plattenfirmen mit ihrer Untergangsstimmung und Klagen gegen Napster und Co die Peer-to-Peer-Plattformen zu einer grossen Gefahr für eine ganze Branche hochstilisiert, so dass sie als Systeme zum effizienten Datentausch wenigstens an technischer Kredibilität gewonnen haben.




Freilich haben die Schlagzeilen über den Prozess die Peer-to-Peer-Technik zu unrecht nicht nur als neue Erfindung gepriesen, sondern sie auch in die Ecke der Freaks und Gesetzlosen gedrängt. Zwar gibt es auch etliche andere "legale" Peer-to-Peer-Anwendungen, die derzeit im Internet entwickelt werden. Ein Beispiel ist etwa das Suchsystem Padango, das einem Suchenden jene Seiten zu einem bestimmten Thema als erstes anzeigt, die die meisten der ans System angeschlossenen anderen Benutzer in ihren Bookmarks führen.



Das Beispiel zeigt aber auch die Schwäche des Systems: Es steht und fällt mit den Benutzern, die bereit sind, einen Beitrag ans Kollektiv zu liefern.


Egoismus statt Altruismus

Ich glaube nicht, dass es ein "kollaboratives" Suchsystem wie Padango ebenso leicht haben wird, an Millionen von Leute zu gelangen. Denn diese müssen auf ihrem PC eine fremde Software installieren, die ihre eigenen Bookmarks für Fremde auswertet, ohne dass der User davon etwas hat.



Das Business-Modell und die Motivation der Teilnehmer sind jedoch nicht die einzigen Probleme. Es kommen auch technische Schwierigkeiten hinzu. Peer-to-Peer-Systeme waren bislang nur beschränkt skalierbar: Bei zentral überwachten Formen wie Napster war der zentrale Steuerknoten der Flaschenhals. Bei Systemen ohne zentrales Verzeichnis wie Gnutella erdrückt das Transaktionsvolumen des immer grösser werdenden Gesamtsystems die einzelnen Elemente. Hinzu kommen Sicherheitsrisiken, die vielen erst jetzt bewusst werden: Seit kurzem dürfen Gnutella-Nutzer vor dem ersten Wurm zittern, der speziell für diese Plattform gebaut wurde und Rechner um Rechner infizieren kann.





Projekt "Farsite"

Dennoch gebe ich Peer-to-Peer-Systemen durchaus Chancen, und zwar nicht nur im Kreise einiger Freaks und Musik-tauschender Studenten. Die wirtschaftlich wichtigsten Anwendungen werden allerdings weitaus weniger spektakulär sein.



Da gibt es beispielsweise das Projekt "Farsite" von Microsoft: Forscher des Softwarekonzerns entwickeln ein verteiltes Dateisystem, bei dem die Daten nicht mehr auf einem zentralen Server wie üblich gespeichert werden, sondern verteilt auf einer Vielzahl von kleineren Rechnern. Das soll aber nicht im offenen Internet, sondern innerhalb von grossen Betrieben zum Einsatz kommen, in denen die Arbeitsplatz-PCs oft nur zu einem geringen Teil genutzt werden. Über ein intelligentes, fehlertolerantes und dezentrales System könnte daraus ein gigantischer Speicherapparat gebaut werden, ohne dass weitere Hardware gekauft werden müsste. Bei 100'000 Geräten, so wird vorgerechnet, könnte ein Speicher für etwa 10'000 Terabytes an Daten entstehen.




Kommerziell hat sich die Idee schon bewährt. IBM konnte auf diese Weise vor vielen Jahren durch die Vernetzung von Workstations in einem Betrieb so manchen Supercomputer punkto Preis und Leistung ausstechen. Damals hat aber noch niemand von Peer-to-Peer gesprochen. Im Internet wurde der Ansatz später dazu benutzt, um zu den Rechenressourcen zum Knacken von Geheimcodes zu gelangen oder Radioteleskopsignale aus dem Weltall zu analysieren. Was einmal mehr zeigt: Die Ideen bleiben dieselben, aber die Bezeichnungen kommen und gehen.



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