Heisse Köpfe an der JavaOne

Neben technischen Seminaren und Ankündigungen stand die Zukunft von Java, Sun und dem Java Community Process im Zentrum der mit 14'000 Teilnehmern grössten Entwicklerkonferenz.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/14

     

Die Diskussion, ob Sun die Kernbereiche von Java in die Open-Source-Welt freigeben soll oder nicht, fand erst am letzten Tag der Konferenz statt. Sun zeigte Stärke, indem sie die grössten Befürworter einer solchen Entwicklung eingeladen hat: Rod Smith (IBM), Brian Behlendorf (Apache), Lawrence Lessing (Jus-Professor und OSS-Advokat). Tim O’Reilly als Moderator gelang es, eine Gesprächsatmosphäre zu schaffen, welche eine Diskussion zuliess, ohne Argumente abzublocken.
Mit am interessantesten dabei waren die Reaktionen der Zuschauer. An einer Sun-Konferenz ist das Publikum natürlich keine repräsentative Auswahl der heutigen Java-Entwickler. Trotzdem überraschte die Eindeutigkeit, mit der eine Seite am meisten Applaus ernten konnte.





Rob Gingell brachte die Sichtweise von Sun auf den Punkt: «Wenn Open Source [für Java] die Lösung ist, was ist das Problem?» Ein spontaner Applaus war ihm sicher, und das nicht zu unrecht: Die Arbeit, welche Sun in letzter Zeit machte, war wirklich hervorragend, von den dahinter stehenden Investitionen ganz zu schweigen. Gegen diese Tatsache konnten sich Vertreter von Open-Source-Organisationen und von IBM nicht durchsetzen, zumal der gesamte Source Code inklusive der JVM’s bereits offen ist, wenn auch eben mit dem kleinen Unterschied, dass Sun sich das Recht vorbehält, zu entscheiden, was daran geändert wird und was nicht.






Auch im Java Community Process gab es diverse Verbesserungen und Mitarbeit nicht nur von den Java-Schwergewichten IBM und BEA, sondern mit Ausnahme von Microsoft und Red Hat vom fast ganzen «Who is Who» der IT-Branche. Das soll nicht heissen, dass weitere Verbesserungen – vor allem betreffend Beschleunigung der eingereichten «Specification Requests» – nicht wünschenswert sind, wohl aber, dass Sun zuhört und mit Nachhaltigkeit an einer guten Zukunft für Java arbeitet. Eine Frage bleibt allerdings im Raum stehen: Würde sich Sun auch ohne den nicht gerade kleinen Druck (durch .Net noch verstärkt) ebenso kooperativ verhalten?


Tiger: Aus 1.5 wird 5.0

Mit Tiger, neu mit der Versionsnummer 5.0 statt wie bisher kommuniziert 1.5 versehen, kommen die grössten Änderungen in der Sprache Java seit 1995: Generics (auch als Templates bekannt), echte Enums, ein neuer For-Loop,
Varargs, Autoboxing, Static Imports und vor allem Metadata, jetzt offiziell Annotations genannt. Damit lassen sich allen Definitionen zusätzliche Informationen in strukturierter Form mitgeben, direkt im Sourcecode. Der Kompiliervorgang wird dafür um das neue APT (Annotation Processing Tool) erweitert. Damit kann ein beliebiger Code bereits zur Kompilierzeit ausgeführt werden. Die Möglichkeiten sind immens: IDE’s und irgendwelche Tools können beliebige Verarbeitungen durchführen (z.B. ein WSDL generieren). Auch im J2EE-Bereich werden die Annotations rege Anwendung finden und die so oft bemängelte Komplexität von J2EE massgeblich reduzieren. Selbstverständlich können Annotations – falls entsprechend angelegt – auch zur Laufzeit abgefragt werden. Zudem bilden Annotations die bisher wichtigste Erweiterung an Java, welche dem Aspect-oriented Programming zugute kommt.






Aber auch sonst wurde fleissig gearbeitet: So wurde die Startzeit und der Speicher-Verbrauch von Hotspot weiter verbessert. Die Konkurrenz durch SWT (dem vor allem von IBM geförderten Standard Widget Toolkit) hat auch Swing zu neuem Leben verholfen. Insbesondere wurde stark daran gearbeitet, dass User- Interfaces auf Swing-Basis mit weniger Aufwand besser aussehen, und es ist wesentlich einfacher geworden, das Look-and-Feel von Swing an ein bestimmtes Betriebssystem anzupassen. Allerdings gibt es gerade bei Swing weiterhin diverse Kritikpunkte, welche nicht ausgeräumt werden konnten.
Lange muss auf Tiger nicht mehr gewartet werden: Im August soll ein Release Candidate verfügbar sein, im September folgt nach Plan die Freigabe, nach einer 30 (!) Monaten langen Reifezeit.


Dragonfly, Mustang und Dolphin

Gerade diese lange Zeitdauer zwischen grossen Versionen wurde denn auch vielfach bemängelt. Durch das lange Warten auf neue Features werde die Innovation blockiert. Sun hat darauf reagiert und den Zeitplan für die nächsten Versionen angepasst. Dragonfly (5.1) ist auf das erste Quartal 2005 geplant, Mustang (6.0) ein Jahr später und Dolphin (7.0) im dritten Quartal 2007. Erst auf Dolphin hin soll es wieder Änderungen an der Sprache geben und vermutlich nur noch unbedeutende.






Die vorherrschende Meinung innerhalb von Sun ist, dass die grossen Vorteile der Sprache Java wie die Übersichtlichkeit und Abgerundetheit nicht riskiert werden sollen. Stattdessen werden ganz offen andere Sprachen gefördert, welche ebenfalls Java Bytecode generieren und somit mit jeder JVM laufen. Als gutes Beispiel führt Sun «Groovy» an, eine Sprache, welche einiges an Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Sun verweist zudem auf mehrere Hundert Sprachen, welche ebenfalls auf JVM’s laufen, vermutlich um auf die allgemein bekannte Sprachvielfalt von .Net zu kontern.


Die Zukunft von Sun

Sun zeigt trotz den diversen Problemen Selbstbewusstsein und möchte in Zukunft mehr Kapital aus der Tatsache schlagen, dass sie eine der wenigen Firmen ist, welche Hardware, Software und Services weltumspannend anbieten kann. Zwei konkrete Produkte, welche dieser Idee entsprungen sind, kann Sun jetzt anbieten: Für 1500 Dollar gibt es ein umfangreiches Software-Bundle für Entwickler und ein Drei-Jahres-Abo des neuen Sun Developer Network. «Gratis» dazu erhält man eine schnelle Maschine auf Opteron-Basis. Zum anderen bietet Sun ihren Firmenkunden ein neues Nutzungs-Preismodell an: Hardware, zum Beispiel inklusive Star Office, kann pro GB und Zeiteinheit bezahlt werden.






Auch im Gaming-Markt will Sun einiges Aufmischen: Mit dem «Phantom Gaming Device» soll der XBox und der PlayStation Konkurrenz gemacht werden. Sun konnte einige betreffend Geschwindigkeit und Grafik beeindruckende Spiele zeigen, und – fast noch wichtiger – den Eindruck vermitteln, dass diverse Spiele-Schmieden an Produkten für diese Plattform arbeiten.
Ob Sun im harten Konkurrenzkampf gegen IBM, Microsoft, HP und andere Anbieter bestehen kann, wird die Zukunft weisen. Für Java jedenfalls sieht die Zukunft besser aus denn je.


Redaktor

Nicolas Guillet, ABACUS Research AG,
nguillet@abacus.ch




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