Editorial

Die Krux der Wirtschaftsaufpasser

Der Enron-Skandal sorgt seit Wochen für Schlagzeilen. Die Affäre zieht ihre Kreise über das Unternehmen und seine Partner hinaus. Sie hat Entwicklungen in Gang gesetzt oder verstärkt, die auch die Informatik und IT-Branche wesentlich betreffen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/07

     

Der Enron-Skandal sorgt seit Wochen für Schlagzeilen. Der US-Energiehändler hatte seine finanziellen Probleme aus den offiziellen Bilanzen ausgelassen, indem er sie durch Geschäftsbeziehungen mit Partnerunternehmen verschleierte. Doch die Affäre zieht ihre Kreise über das Unternehmen und seine Partner hinaus. Sie hat Entwicklungen in Gang gesetzt oder verstärkt, die auch die Informatik und IT-Branche wesentlich betreffen.



Dabei geht es weniger um High-Tech-Firmen wie Computer Associates und manche andere, die in den USA jüngst ebenfalls in den Verdacht der Bilanzmanipulation geraten sind. Es geht auch nicht um jenen Cisco-Top-Manager, der angeblich in ein krummes Geschäft im Zusammenhang mit einer Firmenübernahme verwickelt sein soll.




Abseits von diesen Schlagzeilen zeichnen sich andere Entwicklungen ab, die für die IT-Branche von nachhaltigerer Wirkung sein könnten. Der Auslöser war im Fall Enron die allseits bekannte Beteiligung von Arthur Andersen. Was auch immer die Andersen-Vertreter getan haben, so ist doch schon jetzt klar, dass die Affäre den Ruf der grossen Revisionsgesellschaften geschädigt hat.


IT-Beratung wieder eigenständig

Dieser Vertrauensverlust, vor allem aber die Angst vor Vorwürfen an die Adresse der Firmenverantwortlichen zeitigt Folgen. Denn nicht selten haben Unternehmen von ihren Buchprüfern weit mehr an Diensten bezogen, als deren Kernaufgabe - das Aufpassen - es an sich erlauben würde. Nicht nur liessen die Unternehmen ihre Bilanzen kontrollieren. Die Aufpasser stellten zugleich auch Beraterdienste zur Verfügung, und das gerade im Bereich Informatik und E-Business nicht zu knapp.



Doch mit diesem One-Stop-Shopping scheint jetzt zusehends Schluss zu sein. Firmen wie Walt Disney oder Apple bekannten sich schon offen dazu, ihre IT- und anderen Beratungsaufträge bewusst nicht mehr ihren Revisionsgesellschaften oder anverwandten Betrieben zu geben. Und immer mehr Unternehmen in den USA und Europa tun es ihnen gleich, um damit Angriffsflächen für Aktionäre und Aufsichtsbehörden zu vermeiden.




Damit machen sie zwar den Buchprüfern einen Strich durch die über Jahre gehegten und teilweise auch ausgelebten Expansionspläne; während einer gewissen Zeit haben Big-Five-Firmen IT-Consultants am laufenden Band eingestellt. Doch jetzt müssen viele wieder gehen - und die Aufträge kommen gezielt anderen IT-Beratern zugute. Ob diese Erscheinung eine nur vorübergehende ist, lässt sich noch nicht sagen. Es gibt keine Zahlen dazu. Setzt sich dieser Trend aber fort, dürften in den nächsten Jahren wieder verstärkt kleinere oder spezialisierte IT-Consultants im Beratungsmarkt zum Zuge kommen.




Mehr Konkurrenz

Das ist auch gut so. Für diese Anbieter wird die Abkehr von den grossen Beratungskonzernen eine Chance sein. Dabei haben sich auch die Rahmenbedingungen verbessert: Die Projekte sind kleiner, überschaubarer geworden - und damit auch für kleinere Berater handelbar. Auch investieren Kunden inzwischen weniger freizügig ins E-Business als noch vor zwei Jahren. Sie sind preisempfindlicher geworden, was die grossen, oft sehr teuren Beratungsgesellschaften besonders trifft. Die vielen kleineren Anbieter stehen dank günstigerer Strukturen besser da.



Umgekehrt sorgt die grössere Zahl von Anbietern auch für einen höheren Konkurrenzdruck und damit wiederum für tiefere Preise und eine bessere Qualität. Da viele IT-Projekte nach dem Abflauen des Internet- und E-Business-Hype bedachter umgesetzt werden, bleibt auch mehr Zeit für eine gute Partnerwahl. Der bereits eingeführte Big-Five-Player ist in der Teppichetage nicht mehr diskussionslos gleich auch als Berater in IT-Fragen gesetzt. Die vielen wohlklingenden "Allianzen" mit Soft- und Hardwarehäusern, mit denen gerade die grossen Beratungshäuser aufzuwarten pflegten, nützen da nichts mehr.




Die grossen Buchprüfungskonzerne haben natürlich reagiert. Einige haben schon in den letzten Jahren Teile ihrer Beratungsaktivitäten in eigene Firmen abgetrennt. Andere tun es noch. KPMG schuf so vor einem Jahr KPMG Consulting. Ernst & Young verkaufte das Consulting-Geschäft vor zwei Jahren. PWC plant in Kürze einen IPO mit ihrem Management-Consulting-Bereich und bei Deloitte Touche Tohmatsu ist ebenfalls eine Abtrennung geplant. Wo eine solche Massnahme aber letztlich nur Kosmetik ist und die Trennung zwischen der Aufpasser- und Beraterrolle nicht aufrechterhalten wird, ist nichts gewonnen. Die Verlockungen, sich gegenseitig Geschäfte und andere Gefallen zuzuhalten, ist oft sehr gross. Die betroffenen Firmen mögen noch so sehr betonen, dass sie unabhängig und sauber arbeiten. Zu guter Letzt ist es immer das dumpfe Gefühl der Aktionäre und Marktbeobachter, das entscheidet. Und da ist im Moment Trennung angesagt.



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