Mail-Clients für den Firmeneinsatz

E-Mail ist für viele User die meistgenutzte Anwendung. Die Wahl des geeignetsten Mail-Clients ist für die Effizienz sehr entscheidend.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/04

     

Auch wenn Outlook schon durch die Office-Integration das am häufigsten genutzte Mailtool ist - es gibt auch Alternativen. Diese hier vorgestellten Wahlmöglichkeiten gibt es für Anwender in Unternehmen oder, besser, für die Verantwortlichen, die über die einheitlich im gesamten Unternehmen genutzten Anwendungen entscheiden. Wesentlich mehr Möglichkeiten haben Endanwender, die mit ihren privaten PCs auf Mail-Server beispielsweise der Internet-Provider zugreifen.


Auf das Szenario kommt es an

Für den Umgang mit E-Mail gibt es eine beachtliche Zahl von Nutzungsszenarien. Das beginnt beim Zugriff auf Mail-Server, die nur mit Web-Clients arbeiten, wie es beispielsweise bei Hotmail der Fall ist. Viele Provider bieten ihren Nutzern aber auch an, eigene E-Mail-Konten zu erstellen, auf die diese dann zugreifen können. Dieser Ansatz ist deutlich komfortabler als die oft sehr langsame und umständliche Bedienung der Web-Clients. Insbesondere können die Mails aber auch auf dem eigenen PC gespeichert werden und liegen nicht nur auf dem Server. Benutzer von Notebooks können so beispielsweise auch im mobilen Einsatz ihre Mails bearbeiten und, wenn sie wieder mit dem Internet verbunden sind, auch senden.



In Unternehmen gibt es dagegen typischerweise zentrale Mail-Server. Dabei lassen sich wiederum zwei Szenarien unterscheiden. Sehr häufig wird mit einem System gearbeitet, das Groupware- und Mail-Funktionen kombiniert. Die typischen Beispiele dafür sind Microsofts Exchange Server, Lotus Domino und Novells GroupWise, wobei sich die ersten beiden der Hersteller den Grossteil des Marktes teilen.




Das zweite Szenario sind Mail-Server, die eine reine Mail-Funktionalität über offene Standards wie POP3 oder IMAP4 und natürlich SMTP bereitstellen. Solche Lösungen gibt es beispielsweise von CriticalPath, von iPlanet und von vielen weiteren Anbietern.



Im ersten Fall werden typischerweise auch die Mail-Clients der jeweiligen Hersteller eingesetzt. Wer den Exchange Server einsetzt, nutzt fast immer flächendeckend auch Microsoft Outlook als Client. Bei Lotus Domino ist Notes der dominierende, wenn auch zunehmend nicht mehr einzige Mail-Client, bei GroupWise ist es am häufigsten der GroupWise-eigene Client. Allerdings gilt sowohl für Lotus als auch für Novell nicht diese Ausschliesslichkeit, da beide Hersteller auch Lösungen anbieten, mit denen sich Microsoft Outlook in optimal integrierter Weise mit den jeweiligen Server-Plattformen verbinden kann. POP3, IMAP4 und andere offene Standards unterstützen die Hersteller ohnehin alle.



Wieviel Freiraum man bei der Auswahl des E-Mail-Clients hat, hängt damit sehr stark von dem Einsatzszenario ab, in dem die Software genutzt werden soll. Nicht immer kann man frei zwischen den verschiedenen Alternativen wählen.




Mail und mehr

Kaum eines der Systeme ist heute noch ein reiner Mail-Client. Outlook, GroupWise und Notes sind Groupware-Clients, die neben der Mail-Funktionalität auch Kalenderfunktionen, Aufgabenmanagement und Integrationsfunktionen zu anderen Groupware-Funktionen unterstützen. Bei Lotus Notes geht das bis hin zur Ausführung von umfassenden Anwendungen, da der Mail-Client nichts anderes als eine Notes-/Domino-Anwendung ist, die eben auf dem lokalen System ausgeführt werden kann. Outlook Express ist dagegen der Internet-Client für den privaten Anwender, bei dem neben Mail noch der Zugriff auf News eine zentrale Rolle spielt. Der Mail-Client von Netscape ist schliesslich Teil des Browsers und damit auch ein Element in einem umfassenderen Konzept. Das macht die Vergleichbarkeit der verschiedenen Produkte etwas schwierig. Denn Aufgabenmanagement und Kalenderfunktionen spielen für einen privaten Nutzer eine deutlich geringere Rolle als für den Anwender, der den Client im Unternehmen einsetzt.





Die Bedienung

Die Bedienerfreundlichkeit von Clients zu beurteilen, ist schwierig, da die Kriterien doch eher subjektiv sind und auf persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten basieren. Dennoch gibt es Bereiche, in denen man die Systeme auch objektiv unterscheiden kann. Dazu zählen beispielsweise die Konfigurationsoptionen. Microsoft Outlook und Outlook Express verfolgen hier den gleichen Ansatz. Die Konfiguration erfolgt über das Menü Extras und dort den Befehl Optionen. Hier werden in verschiedenen Registern eine Vielzahl von Einstellungen angeboten, um den Browser zu konfigurieren.



Lotus folgt bei Notes dem gewohnten und systemimmanenten Ansatz der Konfiguration über Dokumente, die wiederum in Notes-Datenbanken des Systems verwaltet werden. Ebenso wie jede einzelne Mail als Dokument behandelt wird, werden auch die Konfigurationsinformationen in Dokumenten gespeichert. Dieser Konfigurationsansatz ist wie der Umgang mit den unterschiedlichen Standorten zum Teil recht gewöhnungsbedürftig.




Bei Netscape ist die Konfiguration über den Befehl Einstellungen im Menü Bearbeiten erreichbar. Der gewählte Ansatz für die Konfiguration ist zwar anders als die üblichen Register, weil in einer Liste auf der linken Seite die einzustellenden Optionen gewählt werden müssen, aber durchaus handlich. Auch der GroupWise-Client steht den anderen Lösungen in der Administration nicht nach.




Funktionsumfang

Zunächst einmal sind alle Systeme Mail-Clients. Dort beherrschen sie die Grundfunktionen des Sendens und Empfangens von Mail von verschiedenen Servern. Der GroupWise-Client profitiert insbesondere von der spezifischen Leistungsfähigkeit des GroupWise-Servers und bietet mit seiner Inbox nicht nur den Zugang zu Mails, sondern auch zu Dokumenten. GroupWise hat ein relativ hohes Niveau im Dokumentenmanagement und einen sehr guten Integrationsgrad.



Bei Outlook sind es insbesondere die Kalender- und Task-Management-Funktionen, die neben der reinen Mail-Funktionalität ins Auge stechen. Eher schwach gelöst sind dagegen die Notizen, die nicht einmal eine Bildlaufleiste unterstützen. Interessant ist hingegen das Journal, mit dem Aktivitäten im Zeitablauf protokolliert werden können. Auch die Kontaktverwaltung kann gefallen - insbesondere seitdem sie mit Outlook 2002 doch deutlich besser mit den Adressbüchern integriert wurde.




Notes orientiert sich in der Funktionalität stark an Outlook. Adressverwaltung, Aufgaben- und Terminmanagement sowie Mail gehören zu den Funktionen der Anwendung. Darüber hinaus ist Notes eine leistungsfähige Anwendungsplattform, auf der schon auf Basis der Standard-Templates manche leistungsfähige Anwendung wie beispielsweise ein Diskussionsforum erzeugt werden kann - aber eher für die Kollaboration mehrerer Benutzer als für den Einzelnen. Seine Stärken kann Notes als Standalone-Lösung schlicht nicht ausspielen. Denn dort interessiert die Multiplattform-Fähigkeit, die umfassende Programmierbarkeit oder die Fähigkeit, unterschiedlichste Anwendungen darauf auszuführen, kaum - die gewöhnungsbedürftige Bedienung aber schon.



Netscape Mail und Outlook Express sind dagegen die beiden Low-end-Lösungen mit einer Funktionalität, die sich vor allem auf Mail und News und, im Falle von Netscape, noch auf den Browser erstreckt, den Microsoft aber ohnehin mit dem Betriebssystem auch mitliefert. Hier fehlen sowohl Kalender als auch das Aufgaben- und Kontaktmanagement in umfangreicherer Form. Wer aber rein auf die Mail-Funktionalität aus ist, hat damit dennoch eine gute Lösung.




Erweiterbarkeit

Die meisten Anwender sind zufrieden, wenn ihr E-Mail-Programm zuverlässig arbeitet. Aber gerade in grösseren Unternehmen spielt auch die Anpassbarkeit eine wichtige Rolle. In diesem Bereich kann Outlook seine ganze Stärke ausspielen. Die Funktionalität der Anwendung kann in gleicher Weise wie bei anderen Office-Anwendungen erweitert werden.



Bei Notes gilt das zwar im Prinzip in gleicher Weise, aber mit einem wichtigen Unterschied: Die eigentliche Mail-Funktionalität darf nicht angefasst werden. Das Template für die Mails könnte zwar im Prinzip genauso verändert werden wie jede andere Anwendung für Notes. Das führt aber zu nicht beherrschbaren Problemen bei Versions-Updates, weshalb es eine eiserne Regel bei Notes-Entwicklern ist, diese Funktionalität nicht zu modifizieren. Die anderen Lösungen bieten keine offenen Schnittstellen, über die mit leistungsfähigen Programmiersprachen zusätzliche Funktionen für die Mail-Clients realisiert werden können.





Standard-Unterstützung

Was vor wenigen Jahren noch eines der wichtigsten Themen war, spielt heute kaum noch eine Rolle als Differenzierungskriterium. Die zentralen Standards im Messaging, also POP3, IMAP4 und SMTP, werden von allen Produkten unterstützt. Die Offenheit geht bis dahin, dass bei Outlook sogar integriert auf Web-Mail-Systeme wie beispielsweise Hotmail zugegriffen werden kann. Auch S/MIME für das sichere Versenden von Mails wird von allen Systemen gleichermassen unterstützt. Nicht standardisiert, aber reizvoll ist die Unterstützung für Web-Mail-Systeme durch Netscape und Outlook 2002. Letzteres kann eine optimale Integration dann bieten, wenn die Server WebDAV unterstützen, weil dann einzelne Dateien vom Server geladen und an diesen gesendet werden können. Allerdings hat sich die Implementierung im Test doch noch als recht wacklig und unzuverlässig erwiesen - oft war der Zugriff über den Browser auf Hotmail dann doch die bessere Alternative.





Die richtige Wahl

Die Auswahloptionen für E-Mail-Clients beschränken sich letztlich auf vier Produkte. Denn wer keinen GroupWise-Server hat, wird auch keinen GroupWise-Client nutzen. Das ergibt sich schon aus der Lizenzierungspolitik von Novell, die auf den Server fokussiert ist. Auch Notes kostet Lizenzgebühren. Lotus hat das Produkt zwar für geraume Zeit für private Nutzer kostenlos angeboten, aber der Zielmarkt sind auch hier primär die Unternehmenskunden.



Die drei anderen Produkte sind alle mehr oder minder kostenlos. Während Outlook eben mit dem - nicht kostenlosen - Office-Paket kommt, ist Outlook Express ein Bestandteil des Betriebssystems, und Netscape kann samt dem Browser kostenlos aus dem Internet geladen werden. Diese drei Lösungen werden daher auch erste Wahl für die Anwender sein.




Den grössten funktionalen Umfang bietet dabei Outlook durch die Kalender- und Aufgabenverwaltung. Gut gefällt hier auch die ab der Version 2002 verfügbare Integration von Web-Mail-Systemen - eine Funktion, die auch Netscapes Mail-Produkt kennt. Wer ohnehin Office nutzt oder mit seinem System geliefert bekommen hat, fährt mit Outlook insgesamt auch am besten. Es ist ein leistungsfähiges und zuverlässiges Produkt. Bei den beiden Einstiegsprodukten macht dagegen die Lösung von Netscape, nachdem auch die anfänglichen Probleme der Version 6 inzwischen im Griff sind, den insgesamt besseren Eindruck als Outlook Express.



Wer also kein Geld ausgeben möchte, wird wohl am ehesten zu Netscape greifen. Ansonsten wird es Microsoft Outlook sein, das alles in allem heute der wohl beste Mail-Client ist - und zwar weniger als reiner Mail-Client, sondern als Software mit dem breitesten Funktionsumfang.



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