Editorial

Microsoft umgarnt die Grossen, schröpft die Kleinen

Dass nicht einmal ein Quasi-Monopolist wie Microsoft mit seiner Kundschaft machen kann, was er will, hat sich letzte Woche klar und deutlich gezeigt. Der Softwareriese hat die Frist für die Einführung des neuen Lizenzmodells 6.0 vom 28. Februar auf den 31. Juli 2002 verschoben.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/36

     

Dass nicht einmal ein Quasi-Monopolist wie Microsoft mit seiner Kundschaft machen kann, was er will, hat sich letzte Woche klar und deutlich gezeigt. Der Softwareriese hat die Frist für die Einführung des neuen Lizenzmodells 6.0 vom 28. Februar auf den 31. Juli 2002 verschoben. Mit blumigen Worten wollte Microsoft vertuschen, was dieser Schritt genau bedeutet: Nämlich, dass der Softwaregigant eine Riesenschlappe erlitten hat. Firmen rund um den Globus liefen Sturm, nachdem Microsoft zum ersten Mal die Pläne für die neue Lizenzpolitik vorgestellt hatte, da sie erhebliche Mehrkosten auf sich zukommen sahen (Seite 7).



Microsoft war selbstverständlich ganz anderer Meinung und wies immer wieder darauf hin, dass die meisten Firmen vom neuen Lizenzmodell profitieren würden. Auch in der Schweiz war vom Unmut der Firmen über das Lizenzmodell zu hören, wenn auch nur äusserst verhalten. Dass viele stumm blieben, hat nicht zuletzt auch mit einem absurden Gentlemen-Agreement zu tun, das hierzulande oft angewendet wird: Die meisten Grossfirmen wollen jeweils nicht zum Geschäftsgebaren eines Lieferanten und Partners Stellung nehmen. Man will ja nicht die Beziehung trüben und hofft wahrscheinlich auf die Kraft von bewährt schweizerischen bilateralen Verhandlungen. Zudem ist anzunehmen, dass die strategisch wichtigen Kunden von Microsoft mit Sonderkonditionen umgarnt werden. Umso erfrischender war es deshalb, dass wenigstens im angelsächsischen Raum und übrigen Europa die Meisten kein Blatt vor den Mund nahmen und mit Microsoft hart ins Gericht gingen. Nun haben die Firmen zumindest ein paar Monate mehr Zeit, sich mit dem neuen Lizenzmodell anzufreunden, die Zielrichtung bleibt indes dieselbe: Mit der Software Assurance wird der Druck erhöht, jedes Update mitzumachen, und die Kosten nehmen zu. Trotzdem hat der Protest der Kunden wenigstens etwas ausgelöst, und das stimmt zuversichtlich.




Weniger Zuversicht herrscht unter den Privatanwendern. In diesem Umfeld dauert eine ähnlich hitzige Debatte nach wie vor an. Das Thema: Die Einführung der Produktaktivierung bei Windows XP. Mit dem Umstand, dass jene, die einen PC inklusive Betriebssystem kaufen, und das sind rund 80 Prozent, vom neuen Kopierschutz kaum etwas spüren werden, hat Microsoft den Kritikern ein wenig den Wind aus den Segeln genommen (Seite 8).



Nicht ganz nachvollziehbar bleibt, wieso Microsoft Unmengen von Geld investiert, um das Betriebssystem und die Applikationen im Privateinsatz besser gegen unerlaubtes Mehrfachinstallieren zu schützen. Es macht den Anschein, als ob der Softwarehersteller auf dem Rücken einer kleinen Zahl von Anwendern versucht, eine Technologie auszuprobieren, die dann später auch in andern Bereichen eingeführt wird, sofern der "Feldversuch" für Microsoft erfolgreich verläuft. Mehr als 30 Prozent der Lizenzverstösse erfolgen nämlich im Unternehmenseinsatz. Das scheint aber zumindest vorerst ein Kavaliersdelikt zu bleiben, dem Microsoft noch nicht so rigide entgegentritt - abgesehen von mittelalterlich anmutenden Schauprozessen wie auf dem Zürcher Helvetiaplatz, bei denen die Business Software Alliance, der Microsoft ebenfalls angehört, Raubkopien öffentlich mit Bulldozern plattwalzte.




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