«Ohne die EDV würde bei uns alles stillstehen»

Motorex hat IT-mässig ein paar strenge Monate hinter sich. Die Kern-IT inklusive ERP/CRM wurde grundlegend erneuert und modernisiert. Nun läuft wieder alles wie geschmiert.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/07

     

Swiss IT Magazine: Motorex dürfte vielen Leserinnen und Lesern ein Begriff sein. Erklären Sie uns einleitend aber doch noch ganz kurz, wer Motorex ist.


Niklaus Ammann: Die Firma Bucher AG Langenthal, Motorex-Schmiertechnik, wie der Betrieb heute heisst, wurde 1917 gegründet. Wir sind ein vollständig unabhängiger Familienbetrieb und bieten als Vollsortimentanbieter rund 2500 Artikel an, vom Schmiermittel für Zweiräder, Autos, Jetskis, Traktoren oder Schiffe bis hin zu speziellen Schmierstoffen für den Industriebereich oder Reinigungsprodukte. Hergestellt wird alles an unserem Hauptsitz in Langenthal von rund 250 Mitarbeitenden.


Wo überall setzt Motorex heute IT ein?
Das ist eine gute Frage. Ich würde sie umkehren und fragen: Wo nicht? Wenn ich unsere Prozesse anschaue, vom Aussendienst, der vom Kunden den Auftrag entgegennimmt, über den Innendienst, die ganze Produktion sowie die Logistik beziehungsweise den Transport, so sehe ich eigentlich keinen Bereich, in dem keine IT zum Einsatz kommt. Klar gibt es in einzelnen Bereichen eine weniger grosse Durchdringung und Vernetzung. Aber eigentlich ist die IT überall und unverzichtbar für unser Unternehmen.


Die IT ist in Ihrem Betrieb überall, äusserst unternehmenskritisch. Sie haben also bestimmt auch eine grosse IT-Abteilung?
Nein, unsere IT-Abteilung ist sehr klein. Neben mir besteht sie nur noch aus zwei weiteren Mitarbeitern. Sie betreiben die gesamte Infrastruktur, inklusive unseren eigenen Rechenzentren, machen den Second-Level-Support und sind in der Projektbegleitung, beispielsweise bei der Anschaffung von neuer Hardware oder Software, tätig. Natürlich lösen wir nicht alles selber, einiges bestreiten wir mit externen Partnern.


Wie heissen die externen Partner, mit denen Sie derzeit fix zusammenarbeiten?
Im Bereich Infrastruktur sind das die Wagner AG aus Kirchberg, ein IBM-Premier-Partner und IBM selbst. Dann haben wir mit der Firma EFP Consulting noch einen dritten Partner, der uns im Bereich Business Software – wir haben erst kürzlich ein neues ERP und CRM eingeführt – unterstützt. Zu diesen drei kommen sporadisch, je nach Projekt, natürlich jeweils noch weitere Spezialisten hinzu.

Sie haben Ihre Infrastruktur angesprochen. Wie sieht die in den Grundzügen aus?
Unsere IT-Abteilung betreut aktuell rund 30 PCs, 60 Laptops plus 60 NC-Stationen sowie zwei Rechenzentren mit elf iSeries-, 19 VMware- und acht Windows-Servern. Die Zahlen zeigen, dass bei uns lange nicht jeder einen eigenen PC hat und braucht, aber fast alle Zugriff auf eine Arbeitsstation haben – dies auch in der Produktionsabteilung. Weiter ist aus diesen Zahlen ersichtlich, dass wir eine grosse Menge Aussendienstmitarbeiter haben, die alle mit einem Notebook ausgestattet sind und via VPN Zugriff auf unser Netzwerk haben.


So weit zur Hardware. Welche Software wird bei Motorex eingesetzt? Welche Betriebssys-teme zum Beispiel?
Auf den PCs und den meisten Notebooks läuft derzeit noch Windows XP. Seit ein paar Monaten setzen wir auch Windows 7 ein: Alte Geräte, die wir laufend durch neue ersetzen, statten wir seit Anfang Jahr standardmässig mit dem neuen OS aus. Vista haben wir übersprungen. Ansonsten ist auf unseren PCs die Microsoft-Office-Palette installiert, inklusive Outlook. Hinzu kommen die erwähnten ERP- und CRM-Systeme von SAP. Daneben existieren je nach Abteilung noch Speziallösungen, beispielsweise in unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung, in der Produktion oder im Kundendienst. Und im Marketing findet man auch Mac-Rechner.


Wie sieht es bezüglich Datensicherheit und Rechenzentren aus? Haben Sie als Öl-Verarbeiter da spezielle Massnahmen getroffen?
Sie meinen in Bezug auf Feuer oder Explosionsgefahr? Nein, denn wir legen ohnehin im gesamten Betrieb grossen Wert auf Sicherheit. Wir sind uns weiter sehr wohl bewusst, dass, wie in vielen anderen Unternehmen auch, sehr viele Kenntnisse und wichtige Daten, auf die die Firma angewiesen ist, auf unseren Sys-temen sind. Mit unserer Backupstrategie und Hochverfügbarkeitslösung sorgen wir dafür, dass das Ausfallrisiko gering gehalten werden kann. Und die Bereiche, die explosionsgefährdet sind, befinden sich in eigens dafür eingerichteten Räumen. Diese sind natürlich nicht direkt neben den Rechenzentren.


Wie sorgen Sie für die gewünschte, grosse Daten- und Ausfallsicherheit?
Wir haben zwei standortunabhängige Rechenzentren. Eines davon ist direkt in unserem Gebäude und darüber betreiben wir die Produktiv-Systeme. Alle unternehmenskritischen Daten werden von diesem RZ mit einer Hochverfügbarkeitsspiegelung direkt ins zweite, unser Backup-RZ übertragen, das etwas ausserhalb unserer Gebäude steht. Ausserdem sichern wir die Daten täglich, wöchentlich und monatlich noch auf Tapes, die an einem dritten Ort aufbewahrt werden. Zugang in die Rechenzentren haben nur wenige Mitarbeitende, und zwar mittels Batch. Dadurch können wir die Zutritte loggen und nachverfolgen.

Sie haben vorhin ein Grossprojekt im Bereich ERP und CRM angesprochen. Können Sie darüber noch etwas mehr erzählen?
Als ich 2007 bei Motorex meine Stelle als IT-Leiter antrat, wurde ich sogleich mit der sehr wichtigen, bereits geplanten Einführung eines neuen ERP- und CRM-Systems beauftragt. Es gab zwei Probleme: Unsere damalige und in die Jahre gekommene Lösung bestand aus verschiedenen, isolierten Systemen. Eine Vernetzung untereinander, beispielsweise von der Produktion bis hin zur Buchhaltung, war nur beschränkt möglich. Zum anderen gab es viele Bereiche, in denen das Wissen vor allem in den Köpfen der Angestellten war. Auch das wollten wir ändern und dieses Know-how breiter abstützen.
Es war nicht einfach, ein ERP/CRM zu finden, das alle unsere Bereiche, in denen wir tätig sind, und unsere Wünsche optimal abdeckte. Branchenlösungen deckten zwar den produzierenden Teil unserer Firmen sehr gut ab, hatten aber Defizite im Bereich des Handels. Also blieben am Schluss nur noch wenige, die unsere Anforderungen abdecken konnten. Zusammen mit unserem Partner EFP Consulting haben wir schliesslich Expert Process und Expert CRM auf der Grundlage von SAP Business All-in-One beziehungsweise SAP CRM eingeführt.
Implementiert wurden die Systeme durch unseren Partner Wagner, und zwar auf einem neuen IBM Power6 Plus Systems 550 Server. Zudem haben wir für die Datensicherung und Notfallwiederherstellung einen neuen IBM Power Systems 525 Server beschafft. Gleichzeitig haben wir noch zwei IBM System x3850 Server implementiert. Auf denen haben wir 19 vormals physische Server, zum Beispiel für Exchange, Ablage oder Druck, konsolidiert und mit VMware-Technologie virtualisiert. Anfang 2009 ging das Ganze dann live.


Haben Sie nach Abschluss der grossen ERP- und CRM-Einführung bereits andere Projekte in Angriff genommen?
So ganz ist unser Grossprojekt noch nicht abgeschlossen, das wird es wohl auch nie sein. Wir werden immer daran weiterentwickeln und das System da und dort verbessern, damit es letztlich optimal auf die Bedürfnisse des Betriebes und die internen Abläufe abgestimmt ist. Neue, grosse Projekte laufen im Moment keine. Wir wollen nach einem Projekt dieser Grössenordnung auch nicht gleich das nächste starten. Das könnten wir als Unternehmen nicht verkraften und es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nicht zumuten. Die letzten zweieinhalb Jahre waren sehr intensiv, wir wurden alle ziemlich gefordert.
Es gibt aber durchaus ein paar kleinere Projekte, die aktuell laufen: Unsere bestehenden Citrix-Server für die Applikationsbereitstellung werden durch die neuesten Versionen abgelöst. Ausserdem sind wir, wie bereits angetönt, laufend am Ablösen von Arbeitsstationen und Laptops durch neue Geräte mit Windows 7. Weiter ist eine neue Archivierungslösung angedacht.
Ein weiteres Projekt, das wir gestartet haben, ist die bessere Integration unserer externen Partner und Kunden. Sie sollen in Echtzeit elektronisch mit uns Geschäfte abwickeln können und in unsere Systeme eingebunden werden. Ein Beispiel, das bereits umgesetzt wurde: Wir überwachen die Tankanlagen bei Kunden via GSM-Netz und können bei Bedarf direkt eine neue Lieferung auslösen.


Wie sieht Ihr IT-Budget aus? Wurde es durch das Grossprojekt arg strapaziert?
Genaue Zahlen zum IT-Budget kann ich Ihnen nicht nennen. Aber es ist schon ein beträchtlicher Betrag und er liegt derzeit sicher höher als früher, natürlich auch aufgrund des Gross-projektes. Ich denke aber, dass sich das Budget nun tendenziell wieder stabilisieren wird.

Haben Sie schon daran gedacht durch Green IT Kosten zu sparen, beispielsweise durch das Reduzieren des Stromverbrauchs?
Die IT ist in unserem Industriebetrieb nicht der grösste Stromfresser. Green IT ist für uns aber doch ein Thema. Nicht in der Art, als dass wir gerade ein grosses Green-IT-Projekt laufen hätten. Vielmehr bei der Ablösung von alter Hardware und bei Neuanschaffungen. Letztlich muss sich für uns auch Green IT rechnen und finanzieren lassen.


Blicken wir noch etwas in die Zukunft: Sie haben viele Aussendienstmitarbeiter und führen derzeit neue Notebooks ein. Sind in Zukunft vielleicht auch Smartphones mit speziel-len Apps ein Thema?
Die Kernkompetenz unserer Aussendienstmitarbeiter ist das Verkaufen. Die Informatik muss dafür sorgen, dass dieser Prozess so reibungslos wie möglich ablaufen kann. Notebooks und Handys sind also Hilfsmittel, deren Verwendung selbstverständlich immer wieder neu überdacht werden muss.
Unsere Aussendienstmitarbeiter können sich bei unserem Mobilfunkpartner Swisscom aktuell grundsätzlich das Handy kaufen, das ihren Bedürfnissen am nächsten kommt, also auch Smartphones wie beispielsweise das iPhone. Wir bieten allerdings nur für einige Marken und Modelle Support und Hilfe an. Ausser dem Zugriff auf die E-Mails mittels Exchange bieten wir unseren Mitarbeitenden derzeit noch keine weiteren, Business-relevanten Funktionalitäten an wie beispielsweise Apps für Bestellungen oder Zugriffe ins CRM/ERP. Es könnte aber in Zukunft durchaus möglich sein, dass wir so was einführen. Konkrete Pläne gibt es aber noch keine.


Wie sehen Sie die Zukunft der IT ganz allgemein? In welche Richtung geht es?

Es gibt aus betrieblicher Sicht zwei Bereiche, in denen die IT gefordert ist und weiter gefordert werden wird: Die IT muss sich als Dienstleistungsbetrieb verstehen. Früher hat die IT definiert, was der Benutzer braucht, heute muss die IT das liefern, was der Benutzer benötigt. Es gilt auf Bedürfnisse zu hören und dann bestmögliche Lösungen dafür zu entwickeln. Hinzu kommt, dass der Benutzer heute – und in Zukunft noch viel mehr – auf einem ganz anderen Stand des Wissens ist und Diskussionen auf einem ganz anderen Niveau geführt werden können.
Eine weitere Herausforderung ist die stark voranschreitende Vernetzung. Grenzen zwischen Arbeitsplätzen inhouse oder ausserhalb, Handheld-Geräten oder PCs und auch die Grenzen zwischen geschäftlichen oder privaten Daten verschwinden zunehmend und stellen eine grosse Herausforderung an die Datensicherheit dar. Es gilt zu lernen, damit umzugehen, und die neuen Möglichkeiten optimal zu nutzen.

(mv)


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