Windows Vista wie es hätte sein sollen

Was folgt auf Vista? InfoWeek hat die Betaversion des nächsten Microsoft Betriebssystems Windows 7 getestet und zeigt, worauf man sich gefasst machen muss.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/02

     

Noch für ganz kurze Zeit kann man sich die erste und einzige Beta von Windows 7 sichern. Am 10. Februar läuft die Frist ab; bis dahin werden weltweit bereits Tausende wenn nicht sogar Millionen von Menschen einen ersten Blick auf das kommende Microsoft-Betriebssystem geworfen haben. Auch InfoWeek gehört dazu und hat die Windows 7 Beta einem grossen Test unterzogen. Was kann das neue OS, welche Business-relevanten Neuerungen bietet es und wie schnell ist es?


Die vermutlich grösste Neuerung in Windows 7 ist das komplett überarbeitete User Interface. Dabei sticht vor allem eines direkt ins Auge: die neue Taskbar. Seit Windows 95 hat Microsoft erstmals wieder grundlegend Hand an die damals eingeführte Taskleiste gelegt. Rein optisch sieht die «Superbar» nun aus wie das vom OS X her bekannte Dock. Technisch geht Microsoft einen Schritt weiter: Hinter den Symbolen kann sich nicht nur eine Verknüpfung zum Programm verstecken; es werden darunter, sobald ein Programm gestartet wird, auch alle aktuell geöffneten Fenster oder Tabs zusammengefasst. Die Anzahl und ob es überhaupt offene Fenster gibt, erkennt man einerseits an ganz feinen Strichen in der Taskleiste oder beim Darüberfahren mit der Maus. Hier popt umgehend ein Fenster mit den Miniaturansichten der geöffneten Sachen auf. Neue Applikations-Verknüpfungen lassen sich mit der Option «pin» in die Superbar integrieren. Allerdings verschwinden sie dann aus dem Startmenü. Ein Rechtsklick auf das jeweilige Symbol liefert eine sogenannte «Jump List» mit den zuletzt verwendeten Dateien.


Die Vermischung von Verknüpfungen und laufenden Anwendungen in der Taskleiste ist im ersten Moment gewöhnungsbedürftig. Es geht ein wenig der Überblick verloren, was man alles geöffnet hat. Doch man gewöhnt sich schnell daran und möchte die aufgeräumtere und ruhiger wirkende Taskleiste dann nicht mehr missen. Wer es doch lieber traditionell mag, kann weiterhin die alte Task-leiste benutzen.


Auch die rechte Seite der Taskbar, der Infobereich mit den unzähligen kleinen Icons von Programmen, wurde entschlackt und alles im «Action Center», das durch ein Fähnchen symbolisiert wird, zusammengefasst. Dort sind die Icons gesammelt, können aber auf Wunsch auch weiterhin einzeln unten angezeigt werden. Die Benachrichtigungen dieser Programme, zum Beispiel des Virenscanners oder Netzwerk-Managers, werden neu ebenfalls vom Action-Center gesammelt und in einem speziellen Fenster angezeigt. Das sorgt für eine bessere Übersicht und mehr Platz.


Mehr Platz gibt es auch auf dem Desktop. Die mit Vista eingeführte «Sidebar» wurde komplett gestrichen. An deren Stelle treten neue Desktop-Minianwendungen, die einzeln und frei auf dem Bildschirm platziert werden können. Ein weiteres nettes Feature, das man nach dem Windows-7-Test auf einem 24 Zoll grossen Bildschirm nicht mehr missen möchte, ist die «Aero Snap»-Funktion. Zieht man ein beliebiges Fenster nach links oder rechts an den Rand des Bildschirms, kann man es automatisch auf die halbe Bildschirmgrösse einpassen lassen. Zieht man dasselbe Fenster nach oben, wird es maximiert. Auch die anderen Aero-Features, wie «Aero Peek», das die Fenster durchsichtig macht und einen Blick auf den Desktop gewährt, machen Spass und laufen einwandfrei und schnell. Ausserdem hält sich der Ressourcenverbrauch gegenüber Windows Vista in Grenzen.


Überarbeitet hat Microsoft in Windows 7 auch den Explorer. Mit ihm hält eine neue Ordnerstruktur Einzug, die sich «Library» oder auf Deutsch «Bibliothek» nennt. Sie ersetzt den Ordner «Eigene Dateien». Dabei handelt es sich um ein Konstrukt mit mehreren «virtuellen» Ordnern, in die man reelle eingliedern kann. Vorgegeben ist zum Beispiel eine Bibliothek «Bilder». Dieser gibt man als Input andere Ordner auf der Festplatte oder von externen Laufwerken an; die werden dann dort subsumiert und ihre Inhalte gemeinsam angezeigt. Das ist ganz praktisch und läuft eigentlich einwandfrei ab. Die Inhalte der einzelnen Bibliotheken können neu auch nach Metadaten wie Autor oder Song-Titel geordnet werden und also von der bisherigen Ordner-Struktur nach Namen und Ort weggelöst werden. Eine Möglichkeit, die uns im Test mehr verwirrt als geholfen hat. Die Lösung brachte «zurück», womit man jederzeit wieder zum Bewährten wechseln konnte. Mit ein bisschen Angewöhnung lässt sich der neue Ansatz aber bestimmt gut nutzen.


Nachdem wir ein paar Aspekte angeschnitten haben, auf die sich die Anwender gefasst machen dürfen oder müssen, wollen wir natürlich auch schauen, was Windows 7 für die IT-Verantwortlichen und Unternehmen zu bieten hat.


Datenschutz wird im neuen Betriebssystem weiter grossgeschrieben. Die von Vista her bekannte BitLocker-Funktion wurde um die Möglichkeit, auch externe Speichermedien zu verschlüsseln, erweitert. Dort liegen heute ja immer mehr sensible Firmendaten meist ungeschützt herum. Im Test liessen wir einen USB-Stick mit 4 GB Speicherkapazität und 800 MB an Daten verschlüsseln. Das geht einfach durch einen Rechtsklick auf das betreffende Laufwerk und das Register «Bitlocker». Das Verschlüsseln dauerte gut 25 Minuten. Danach ist der Stick geschützt und kann nur durch das festgelegte Passwort (oder einen zur Sicherheit definierten Wiederherstellungs-Code) geöffnet werden. Auf einem PC mit Windows 7 erhalte ich Schreib- und Lese-Zugriff auf das USB-Laufwerk, auf allen anderen Systemen nur Lese-Zugriff.


Ein weiteres aus Vista bekanntes Sicherheits-Feature wurde angepasst: Die von den Anwendern wenig geliebte User Access Control (UAC) lässt sich nun vierstufig einstellen. Tatsächlich gibt es weniger nervende Benachrichtigungen, im Test und Standard läuft das System auf Stufe 3. Schön ist in Windows 7 ausserdem, dass für Recovery-Zwecke keine DVD mehr benötigt wird. Die nötigen Daten legt Windows direkt auf der Harddisk ab. Dafür benötigt das komplette OS aber auch 16 GB Speicherplatz ...


Windows 7 soll bekanntlich sehr ressourcen-schonend sein und sogar auf Netbooks laufen. Natürlich haben wir auch das eingehend getestet (siehe Kasten auf nächster Seite). Sollte das System trotzdem zu wenig schnell sein, kann man die ReadyBoost-Funktion aktivieren. Sie wurde mit Vista eingeführt und ausgebaut. Neu können mehrere Geräte gleichzeitig zur Beschleunigung genutzt werden; neben USB-Speichergeräten neu auch SD-Speicherkarten. Zur Beschleunigung trägt auch «SuperFetch» bei, ebenfalls aus Vista bekannt. Das Werkzeug, das mein Verhalten analysiert und proaktiv Applikationen in den Hauptspeicher lädt, um diese schneller starten zu können, stürzte in den Tests aber leider ab und zu und ohne erkennbaren Grund ab. Kurze Zeit später startete das Tool dann wieder neu. Ein Bug, der sicher noch behoben wird, weil die Fehlermeldungen mit der Zeit nerven.


Windows 7 positioniert sich auch als «grünes» OS. Möglich machen soll das ein überarbeitetes Powermanagement. Das Betriebssystem befindet sich standardmässig im Modus «balanced». Darin analysiert das System automatisch die Auslastung der Hardware und ihren Energieverbrauch und wählt die bestmögliche Balance. Zum Start gibt es nur noch einen zweiten vorkonfigurierten Modus, «power saver». Administratoren haben in Windows 7 die Möglichkeit, via Policies selber Stromverbauchsmodi zu erstellen, die dann zum Tragen kommen.


In Unternehmen heute immer häufiger gefragt ist der Multimonitor-Einsatz, zum Beispiel mit Notebook-Bildschirm und PC-Monitor. In Windows 7 wurde der Dialog dazu verbessert. Im Test funktionierte das ganze einwandfrei und ganz flüssig.


Für die Netzwerkadministratoren bietet Windows 7 nicht viel Neues gegenüber seinem Vorgänger Vista. Die grösste Neuerung betrifft die Privatanwender und heisst «Home Group». Damit soll sich unter allen Computern zu Hause auf einfache Art und Weise ein Heimnetzwerk einrichten lassen. Tatsächlich kann man seine PCs innert kürzester Zeit in die Gruppe einfliessen lassen, die Passwortgeschützt ist. Automatisch werden dann ohne etwas zu tun alle anderen der Gruppe zugeordneten PCs erkannt. Noch hat das ganze einen Haken: Die Zusammenarbeit klappt nur mit Windows-7-Rechnern, alle anderen können nicht integriert werden. Das wurde im Test zu einem konkreten Problem: Habe ich Ordner freigegeben und bin in der «Home Group», haben die anderen Rechner ohne Windows 7 keinen Zugriff darauf.


Was im Netzwerkbereich weiter aufgefallen ist, dass die Erkennung von Wireless-Netzwerken deutlich schneller erfolgt. Kleine Hänger oder 5 bis 10 Sekunden dauernde Suchen sind Vergangenheit. Netze in der Umgebung werden im Nu erkannt.


Zum Schluss wollten wir auch noch wissen, wer schneller ist, Vista oder 7? Wir haben die 64-Bit-Versionen von Windows Vista und seinem Nachfolger Windows 7 verglichen und zwei Tests sowie einer Boot-Zeit-Messung unterzogen. Natürlich sind Performance-Tests für Betaversionen immer heikel, sind sie doch auf eine möglichst grosse Stabilität und weniger auf Schnelligkeit bedacht. Getestet haben wir die beiden Betriebssysteme auf einem HP Pavilion Elite m9090.ch Rechner mit Intel Core 2 Quad Q6600 (4x2,4 GHz) Prozessor, 4 GB RAM und einer Nvidia Geforce 8600GT Grafikkarte. Das System wurde jeweils auf einer von zwei gleich grossen Partitions (je 250 GB) einer 500-GB-Sata-Disk installiert. Wie unser Vergleich zeigt, ist bereits die Beta von Windows 7 um einiges schneller als sein Vorgänger (für detaillierte Resultate siehe Tabelle auf Seite 15). Auch gegenüber Windows XP, das wir nicht explizit gemessen haben, ist ein deutlicher Performance-Unterschied erkennbar.


Gute Performance alleine macht noch keine schnellere Arbeit aus. Doch auch die geht mit Windows 7 schneller von der Hand. Die neue Taskliste, die Aero-Snap-Funktion oder die einfachere Benutzerkontensteuerung (UAC) und einiges mehr sowie ein in der Summe einfach flüssig und praktisch ohne Fehler laufendes, stabiles System sorgen für schnellere und angenehmere Arbeitsabläufe.


Last but not least verspricht uns Microsoft mit Windows 7 auch markante Verbesserungen für die Touch-Bedienung. Dieses Feature setzt allerdings die nötige Hardware voraus und die ist (noch) äusserst dünn gesät. Wir haben deshalb auf einen «Touch-Test» verzichtet.

(mv)



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