Wachstumsschub für Open Source in der Schweiz

Von Dr. Matthias Stürmer und Dr. Marcus M. Dapp

Die Ergebnisse der Open Source Studie 2015 zeigen auf, dass der Einsatz von Open Source Software in der Schweiz seit 2012 substantiell gewachsen ist. Aufholen könnten die Behörden, wie die Analyse der Viel- und Wenignutzer zeigt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2015/06

     

200 Mitglieder von swissICT und der Schweizerischen Informatikkonferenz SIK beantworteten im Rahmen der Open Source Studie 2015 Fragen über Einsatz, Nutzen und Hinderungsgründe von Open Source Software (OSS). Die Resultate bestätigen in mehreren Punkten die Erkenntnisse der OSS-Umfrage 2012: Open Source Software wird heute in praktisch allen grösseren Behörden und Unternehmen eingesetzt. 93% aller teilnehmenden Organisationen setzen solche ein, 80% von diesen sogar in mehr als drei Anwendungsgebieten wie Webserver, Content Management Systemen oder Network Monitoring.

Die wichtigsten vier OSS-Einsatzgebiete in der Schweiz sind nach wie vor (vgl. Figur 1): Web-Server (+23% im Vergleich zu 2012), Programmiersprachen (+20%), Datenbanken (+19%) und Server-Betriebssysteme. Die vier konnten ihre Position gar deutlich ausbauen: Heute setzen im Schnitt 70% der Nutzer dafür Open Source Software ein, also rund 20% mehr als vor drei Jahren. Server-Betriebssysteme auf Open Source-Basis verzeichnen mit 36% den grössten Zuwachs. Das regelmässig beschworene »Jahr des Linux-Desktops« lässt aber auf sich warten: Desktop-Betriebssysteme, nach denen erstmals getrennt gefragt wurde, landeten auf Rang 13.

Mehr Security dank Snowden


Auch die nächsten vier Anwendungsgebiete im Ranking sind bis auf einen »Aufrücker« dieselben wie 2012. Grob die Hälfte setzt auf OSS-Lösungen bei Content Management Systemen (+23%), Applikations- und Portalservern (+5%), Software-Komponenten (+18%) und – erstmals – Sicherheitsanwendungen. Mit 36% verzeichnen Sicherheitsanwendungen den grössten Sprung seit 2012. Im Hinblick auf die durch die Snowden-Enthüllungen losgetretene breite gesellschaftliche Diskussion ist dies nicht verwunderlich.
Unter allen Gebieten sticht das Trendthema Cloud Computing mit 42% Wachstum hervor. Die Zunahme deckt sich mit der Prognose des »Linux Jobs Report 2015« der Linux Foundation, in welchem das Thema an erster Stelle bei Einstellungen von Linux-Experten steht. Die andere grosse Bewegung ist die Internettelefonie mit +25%, ein Bereich, der durch die neue Open Source Technologie «webRTC» viel Bewegung erfährt, die vom World Wide Web Consortium als offener Standard entwickelt wird. Am Ende des Rankings fällt Enterprise Resource Planning (erstmals separat erhoben) in der Schlusslichtposition auf. »SAP« und sein Einsatz scheint vorerst die letzte grosse Bastion ohne nennenswerten Open Source Alternative zu sein.

Dienstleistungsbedarf unterschiedlich

Das helle Balkendiagramm rechts in Figur 1 zeigt den erwarteten Bedarf nach Open Source Dienstleistungen in den kommenden drei Jahren. Diese neu gestellte Frage lässt präzise Antworten zu, weil direkt nach dem Bedarf pro Anwendungsgebiet gefragt wird. Vergleicht man den Dienstleistungsbedarf mit dem tatsächlichen Einsatz (rote Balken) stellt man fest, dass sich unter den Top 4 viel Übereinstimmung findet: Wo OSS am meisten eingesetzt wird, ist auch der Bedarf an Dienstleistungen am höchsten. Es fällt aber auf, dass bei Datenbanken (38,5%) und Server-Systemen (35%) im Verhältnis zum Einsatz mehr Bedarf an Dienstleistungen besteht als bei Web Servern, dem ersten Anwendungsgebiet.



Am auffälligsten ist das Thema Sicherheit: Als Anwendungsgebiet ist es auf Rang 7 (+ zwei Ränge) und als Dienstleistungsthema gar an vierter Stelle. Die Zahlen deuten darauf hin, dass mit deutlichem Mehreinsatz und -bedarf zu rechnen ist, was wohl nicht nur am »Snowden-Effekt« oder entdeckten SSL-Sicherheitslücken liegt, sondern auch in der relativen Komplexität des Themas Verschlüsselung.
Ähnliche Konstellationen, in denen der Dienstleistungsbedarf im Verhältnis zum Einsatz höher ist, lassen sich bei den anderen »Hype«-Themen erkennen: Virtualisierung/Cloud (Dienstleistung Rang 6 vs. Einsatz Rang 10) sowie Identity and Access Management (Rang 9 vs. 14). Neben der engen Verwandtschaft zum Thema Sicherheit spielt auch die Komplexität hier eine grosse Rolle – die durch die zunehmende Vernetzung noch weiter steigen wird.

Behörden nutzen Open Source relativ selten

Eine neue Auswertung erlaubt erstmals genauer zu untersuchen, wer die Open Source-Vielnutzer sind. Dazu wurde zunächst der »Open Source-Einsatzgrad« als die Summe aller Anwendungsgebiete definiert, in der eine Organisation OSS einsetzt. Um eine Einteilung in Viel-, Durchschnitts- und Wenignutzer vornehmen zu können, wurde der Durchschnitt gebildet, um welchen herum eine Standardabweichung nach oben bzw. unten einen Korridor öffnet: Alle oberhalb des Korridors sind Vielnutzer, sie setzen in 13 oder mehr der 25 Anwendungsgebiete Open Source Software ein; innerhalb des Korridors sind die Durchschnittsnutzer mit vier bis 12 Anwendungsgebieten; und unterhalb sind die Wenignutzer (Einsatz in drei oder weniger Gebieten).
Figur 2 zeigt somit, dass sich die Population ganz grob in je ein Viertel Viel- (23,5%) und Wenignutzer 20,5%) und etwas mehr als die Hälfte (56%) Durchschnittsnutzer aufteilen lässt. Interessant ist die Aufschlüsselung nach Sektorgruppen: Hier stellt sich – nicht ganz überraschend – der ICT-Sektor mit rund einem Drittel Vielnutzer als intensivster Nutzer heraus. Am anderen Ende stehen die Behörden mit nur einem knappen Prozent Vielnutzer. Auch die «übrigen Sektoren» haben im Verhältnis noch doppelt soviele Vielnutzer wie die Verwaltungen.


Dr. Matthias Stürmer ist Oberassistent, Dr. Marcus M. Dapp wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern

Zur Studie/Download:

Die Studie wurde von swissICT und /ch/open bei der Universität Bern in Auftrag gegeben und vom Bund, Kanton Bern, educa.ch und Open Source-Anbietern finanziert.
Kostenloser Download unter www.swissict.ch/oss2015 oder Bestellung: swissICT, OSS 2015, info@swissict.ch.



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