Start-up E-Mergency: Notfall- und Krisen­management via App
Quelle: E-Mergency

Start-up E-Mergency: Notfall- und Krisen­management via App

Im Ereignisfall sind rasches Handeln und ein kühler Kopf gefragt. E-Mergency hat eine Lösung entwickelt, die individuell anpassbare Handlungsanweisungen und Ereigniskommunika­tion über mehrere Kanäle in einer Smartphone-App vereint.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2020/09

     

Niemand möchte einen erleben, aber Notfälle geschehen. Solchen extremen Situationen adäquat zu begegnen und sie zu bewältigen, erfordert Vorbereitung und bedingt das Vorhandensein klarer Prozesse. «Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber man kann sich so gut wie möglich auf Notfälle und Krisen vorbereiten», sagt Andrin Spring. Er ist Geschäftsführer des Baarer Start-ups E-Mergency, das eine gleichnamige Notfall-App entwickelt hat. Diese vereint zentrale Funktionen für das Notfall- und Krisenmanagement in einer Cloud-Lösung und richtet sich generell an Unternehmen, Behörden, Bildungsinstitutionen und Organisationen jeder Grösse.

Notfallprozeduren digital

Die App und das dazugehörige Cockpit wurden ursprünglich 2014 von der Firma Exanic in Zusammenarbeit mit der Bildungsdirektion Zürich, der Kantonspolizei Zürich und der Fachstelle für Gewaltprävention der Stadt Zürich entwickelt. Wie Spring erklärt, habe man nach dem Rollout aber bald festgestellt, dass auch andere Kantone und Unternehmen von der App profitieren könnten, weil diese nicht branchenspezifisch aufgebaut ist. «Man hat sich deshalb dafür entschieden, die Rechte am Produkt vom Kanton zurückzukaufen, um es auch anderen Organisationen zur Verfügung stellen zu können», so Spring. Schliesslich wurde die Lösung 2019 in das Spin-off E-Mergency überführt und wird seitdem laufend weiterentwickelt und den sich verändernden Anforderungen an das Notfall- und Krisenmanagement sowie den aktuellen Bedürfnissen der Kunden angepasst.

In vielen Unternehmen sind die Notfallprozeduren noch in physischen oder elektronischen Dossiers abgelegt, die von speziell geschulten Mitarbeitern verwaltet werden, während sich die Belegschaft in Notfallsituationen in der Regel an Merkblätter oder aber an Beschilderungen in den Firmengebäuden halten muss. Das ist nicht zeitgemäss, weshalb E-Mergency sich zum Ziel gesetzt hat, eine Lösung zu entwickeln, in der alle die für Notfallszenarien relevanten Prozesse und Dokumentationen digital abgebildet und über ein Smartphone rasch und unkompliziert abgerufen werden können. Darüber hinaus ist die App in der Lage, Alarme über verschiedene Kanäle abzusetzen.


Wie Laura Nägeli, Lead Business Development und Customer Success Management bei E-Mergency, ausführt, kommen die Mitglieder des Teams aber nicht etwa aus dem Sicherheitsbereich, sondern sind hauptsächlich in der IT heimisch. Durch die Arbeit an der Lösung und den intensiven Austausch mit Fach­experten und Kunden habe man sich aber auch als digitaler Lösungsanbieter ein breites und tiefes Know-how auf dem Gebiet des Sicherheitsmanagements angeeignet. Neben Laura Nägeli und Andrin Spring zählt noch Patrik Theiler zum Kernteam von E-Mergency. Er kümmert sich um das Product Management. «Hinzu kommen noch die Entwickler. Deren Zahl schwankt je nach Bedarf. Hier agiert Exanic als Lieferant und stellt uns die benötigten Ressourcen zur Verfügung. In der Regel arbeiten zwischen zwei und sechs Entwickler an der Lösung», so Spring. Die Roadmap von E-Mergency wird einerseits durch die Bedürfnisse der Kunden geprägt, andererseits aber auch durch interne Ideen. «Gerade wenn es darum geht, die Möglichkeiten der Digitalisierung auszuloten, entstehen viele Ideen für neue Features in unserem Team, da wir in diesen Belangen oft das grössere Know-how haben als unsere Kunden», erklärt Laura Nägeli. «Unter ihnen gibt es viele Bildungsinstitutionen wie auch Unternehmen. Spannend ist, dass viele Ideen für die Weiterentwicklung der Lösung, die von Bildungsinstitutionen an uns herangetragen werden, oft auch für Unternehmen interessant sind und umgekehrt. Unsere breite Kundenbasis hilft uns somit, auch ein breites Spektrum an Bedürfnissen und Funktionen abzudecken.»

Eine flexible Lösung für jedes Budget

E-Mergency ist nicht das erste Produkt seiner Art, am Markt gibt es bereits diverse Notfall- und Krisen-Tools, wie Nägeli sagt. Diese richten sich aber hauptsächlich an Enterprise-Kunden oder decken nur einen Teil der Features von E-Mergency ab. «Wir wollten mit unserer App eine ganzheitliche Lösung entwickeln, die sich auch kleinere und mittlere Unternehmen leisten können, mit der sie ihre Handbücher und Sicherheitskonzepte digitalisieren können, ohne tausende von Franken ausgeben zu müssen. Ein weiterer wichtiger Aspekt war, dass die Lösung möglichst vielfältig eingesetzt werden kann. Sie sollte also nicht branchenspezifisch sein. Auch sollte sie einfach zu nutzen sein, ohne allzu lange Schulungen vorauszusetzen», so Nägeli.

Deshalb stellt E-Mergency seinen Kunden initial 16 Good Practices für Notfall­szenarien zur Verfügung, die von Sicherheitsexperten ausgearbeitet wurden. Sie richten sich an die Ersthelfer, beispielsweise Mitarbeiter in einem Unternehmen, die als erste an eine Notfallsituation geraten und handeln müssen. «Die Kunden haben dann die Möglichkeit, diese Ereignissituation anzupassen und eigene Szenarien hinzuzufügen, aber auch einzelne Teile davon zu löschen, um ihr eigenes Notfallkonzept bestmöglich in der App abzubilden», erklärt Laura Nägeli.


Der zweite Bereich der App dreht sich um die Alarmierung und die Ereigniskommunikation. E-Mergency gibt dem internen Krisenteam eines Unternehmens die Möglichkeit an die Hand, die App in einer Ereignissituation als Kommunikations-Tool zu verwenden. «So kann beispielsweise über die App die gesamte Belegschaft über den Notfall informiert oder eine Evakuation angeordnet werden», so Nägeli. Dabei können in der App verschiedene Kanäle für die Verbreitung der Informationen gewählt werden, unter anderem SMS, Push-Nachrichten oder Sprachanrufe. So können beispielsweise auch Durchsagen gemacht oder Telefonanrufe an mehrere Geräte gleichzeitig getätigt werden.

«Die gesamte Lösung ist cloudbasiert», wie Andrin Spring betont. «Dennoch sind alle Handlungsanweisungen für einen Notfall selbstverständlich auch offline verfügbar, falls einmal das Mobilfunknetz nicht erreichbar oder das Internet ausgefallen ist.» Sind jedoch alle relevanten Kommunikationsstrukturen kompromittiert, sprich das Internet und der Mobilfunk, dann ist auch die Kommunikation über die App nicht mehr möglich, wie Spring zugibt: «Das ist allerdings ein Edge Case, der sehr schwer abzudecken ist. Auch deshalb, weil es kaum möglich ist, Zugang zu den Notfallfrequenzen zu erhalten, weil diese den Blaulichtorganisationen und den Behörden vorbehalten sind.» Darum betont Spring, dass es nach wie vor wichtig ist, neben der App auch alternative, redundante Sicherheitssysteme wie bauliche Massnahmen, Notfallzettel und dergleichen zu pflegen.

Darüber hinaus verfügt E-Mergency auch über die Möglichkeit der Anbindung an Drittlösungen. Und auch der Datenschutz ist laut Spring gewährleistet. Die Daten werden in einem ISO-27001-zertifizierten Rechenzentrum in der Schweiz gespeichert und die Applikation wird laufend den regulatorischen Anforderungen angepasst.

Mit Partnern zu einem Service-Portfolio

Nebst der App selbst bietet E-Mergency auch Dienstleistungen an, nämlich Beratung und Schulungen sowie Support für die Lösung, wenn ein Kunde diese nicht selbst verwalten will oder kann. «Unser Ziel ist es, ein Ökosystem zu kreieren, um den Kunden ein umfassendes Notfall- und Krisenmanagement anbieten zu können, und nicht nur die App an sich», erklärt Laura Nägeli. «Aktuell bauen wir zusammen mit Partnern eine produktbegleitende Service-Landschaft auf. Dabei arbeiten wir mit Experten zusammen, die beispielsweise auf die Beratung für die Entwicklung von Sicherheitskonzepten spezialisiert sind. Wir sehen uns als Tool-Provider, die für die technische Seite der Lösung zuständig sind, während wir für alle anderen Belange, die nicht zu unserem Kerngeschäft gehören, mit unseren Partnern zusammenarbeiten.»


Die Einführung in die Lösung mittels Schulungen übernimmt das Start-up selbst. Dabei sei man grundsätzlich bei den Kunden vor Ort, könne die Schulungen aber auch online abhalten, so Nägeli. Dies sei trotz der begrenzten Ressourcen möglich, weil die Implementierung der Lösung jeweils mehrere Wochen oder Monate in Anspruch nimmt, wodurch man genügend Zeit dafür habe. Die lange Implementierungszeit begründen Nägeli und Spring unter anderem damit, dass Sicherheitsthemen im Vergleich zur Aufrechterhaltung des operativen Kerngeschäftes für viele Unternehmen eine eher tiefe Priorität geniessen, weshalb es immer wieder zu Verzögerungen kommen könne. «Erst wenn Notsituationen auftreten, wie beispielsweise beim Ausbruch einer Epidemie, steigt jeweils das Bewusstsein für das Notfall- und Krisenmanagement. Viele Menschen und gerade auch Institutionen und Unternehmen beschäftigen sich dann vermehrt mit möglichen Notfallszenarien», so Spring.

Auf- und Ausbau aus eigener Kraft

Wie der Geschäftsführer betont, ist das Start-up komplett eigenfinanziert: «Hinter E-Mergency stehen noch dieselben Leute, die das Start-up aus der Firma Exanic herausgelöst haben. Wir haben also weder Investoren noch sonstige Gelder von Dritten, was uns die grösstmögliche Unabhängigkeit und Flexibilität gibt.» Man habe fünf Jahre lang in das Unternehmen investiert, nun plane man, im laufenden oder nächsten Jahr selbsttragend zu wirtschaften, so Spring.


Mit dem Geschäftsgang ist man bei E-Mergency bisher zufrieden, wie Nägeli und Spring betonen. Im Bildungssektor zähle man bereits acht Kantone zu den eigenen Kunden. Nun wolle man den deutschen Markt bearbeiten und auch vermehrt Unternehmen angehen. «Unsere Vision ist es, im Vergleich zu ähnlichen Lösungen ein kostengünstiges Produkt anzubieten, mit dem man dennoch verhältnismässig viel abdecken kann, denn wir sind der Meinung, dass nutzerzentrierte Software und Sicherheit bezahlbar sein sollen», sagt Spring. In Zukunft wolle man ausserdem den ganzheitlichen Ansatz verstärkt verfolgen, so Nägeli. Man wolle als Ansprechpartner für Notfall- und Krisen­themen auftreten und das eigene Netzwerk an Partnern weiter ausbauen. (luc)


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