Mit WiFi 6E auf Spatzen geschossen
Quelle: Netgear

Netgear Orbi-960-Serie

Mit WiFi 6E auf Spatzen geschossen

Die Orbi-960-Serie von Netgear ist ein wahres Flaggschiff unter den WLAN-Mesh-Systemen. So viel Power und Technologie haben aber ihren Preis.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/03

     

Mit der Orbi-960-Serie brachte Netgear im letzten Jahr eine neue Flaggschiff-Version seines WLAN-­Mesh-Systems auf den Schweizer Markt. Das System nutzt das Orbi-Tri-Band-WiFi-6E-System mit 16 WLAN-­Streams, bei dem zu den gängigen 2,4-GHz- und 5-GHz-Bändern das neuere 6-GHz-Band hinzukommt. Das «E» in WiFi 6E bezeichnet denn übrigens auch das 6-GHz-Band, welches zwar höhere Durchsatzraten, aber aufgrund der Frequenzlänge weniger Reichweite liefert. Auch macht das 6-GHz-Band es möglich, die vor allem in dicht besiedelten Regionen stark belegten 2,4-GHz- und 5-GHz-Bänder zu umschiffen. Das Orbi-System kommt ausserdem mit ­einem vierten Band – einem dedizierten WiFi-6-5-GHz-Backhaul-Kanal, der für die Kommunikation zwischen dem Router und den Satelliten zuständig ist. «Swiss IT Magazine» testete das System für einige Monate im heimischen Büro.

Weniger Elektroschrott

Wer sich die Anschaffung des Orbi-960-WLAN-Mesh-Systems überlegt, dem wird als erstes der stolze Preis auffallen: Netgear verlangt für ein Set bestehend aus einem Router und zwei Satelliten knapp 1700 Franken. Dafür wird aber auch einiges geboten: Dank den erwähnten drei Bändern, 6-GHz-Frequenz sowie dem Backhaul-Kanal, welchen die Geräte untereinander nutzen, soll das Mesh-­System eine Fläche von bis zu 600 Quadratmetern mit High-Speed-WLAN ab­decken können. Im Test hatten wir leider nicht ganz so viel Wohnraum zur Verfügung, dafür aber eine verwinkelte Wohnung mit zwei Aussenbereichen, die in Vergangenheit mit dem vom Telekommunikationsanbieter zur Verfügung gestellten WLAN-Router notorisch unterversorgt waren.

Wer ein Zuhause mit mehr als 600 Quadratmetern sein Eigen nennen darf, bekommt von Netgear die Möglichkeit, noch etwas tiefer in die Tasche zu greifen und weitere Satelliten für je 700 Franken das Stück dazuzukaufen, um auch die hinterste Ecke seiner Immobilie zu erschliessen. Und wem das dreiteilige Set zu gross oder zu teuer ist, kann auch auf das zweiteilige Set mit nur einem Satelliten ausweichen – für dieses blättert man knapp 1200 Franken auf den Tisch.


Auch bietet der Router einen 10-Gbit-WAN-Port, mit dem man auf die immer schneller werdenden Internet-Abos vorbereitet ist. Auch hier hinken wir mit unserem Test-Setup noch etwas hinterher und nutzen das System zum Zeitpunkt des Tests mit einer 1-Gbit-Glasfaserleitung. Für die kommende 10-Gbit-­Zukunft ist man mit dem Netgear-System aber schon mal bestens ausgestattet.

Im Lieferumfang finden sich neben dem Router und den beiden Satelliten die Stromversorgung, für die man Netgear ein kleines Lob aussprechen muss: Die meisten Gerätehersteller schaffen es nicht, länderspezifische Packagings zu machen. Das führt dazu, dass man viele Geräte mit zwei bis fünf verschiedenen Stromkabeln oder gar Netzteilen – in anderen Worten: massig Elektroschrott – bekommt. Beim getesteten Orbi-Set gibt es für jedes Netzteil zwei verschiedene Aufsteck-Stromstecker, damit werfen wir statt Stromkabeln «nur» noch diese drei ungebrauchten kleineren Teile weg. Noch nicht perfekt, aber schon mal deutlich besser als bei vielen anderen.

Einfach ist gut

Das Einrichten des Systems ist denkbar einfach – innerhalb von etwa 20 Minuten sind Aufbau und Konfiguration bereits fertig. Der Router wird über den 10-Gbit-Port an das bestehende Modem angeschlossen, die Satelliten verteilt man in seinen Räumlichkeiten. Für das Setup wird man angewiesen, sich die Orbi-App für das Smartphone herunterzuladen, die für Android und iOS verfügbar ist und den Nutzer durch die Einrichtung führt. Die App verlangt gleich zum Start die Erstellung eines Netgear-Accounts – für die Einrichtung eines WLAN-Mesh-Systems in unseren Augen vollkommen sinnfrei. Wir verstehen natürlich, dass man beim Hersteller grosses Interesse an den Daten hat, die darüber gesammelt werden können. Aus User-Sicht ist das aber überflüssig und der Sicherheit letzten Endes wohl auch nicht zuträglich. Bei der Einrichtung ist die App aber sehr hilfreich – über das Scannen des QR-Codes auf der Rückseite der Geräte wird das Netzwerk des Systems erkannt, die Identifikation der Satelliten erfolgt automatisch. Ebenfalls praktisch: Wenn einer der Satelliten schwachen Empfang hat, wird dies mittels verschiedenfarbigen Lichts angezeigt und man kann nachbessern.

Die App ist sehr übersichtlich gestaltet und erlaubt nach der initialen Einrichtung die Konfiguration des regulären WLAN-­Netzes, eines Gäste-WLANs und der Einrichtung eines 2,4-GHz-IoT-WLANs. In Letzterem lassen sich IoT-Geräte einbinden, die keine grosse Signalstärke, aber viel Reichweite brauchen, wie etwa ein Rasenmäher-Roboter in der hintersten Ecke des Gartens.


Weiter ist in der App auch die Konfiguration der Sicherheitslösung Netgear Armor (mit Bitdefender-Technologie) möglich. Als Käufer des Systems gibt es ein 30-Tage-Probeabo für den Dienst, im Anschluss kostet der Security-Service, der für den Einsatz des Systems nicht unbedingt nötig ist, dann 115 Franken jährlich. Relevanz findet der Dienst laut Hersteller besonders bei Geräten, die keine eigene Security-Software haben (z.B. IoT-Geräte und Spielkonsolen). Ein weiterer Service namens Smart Parental Controls für rund 70 Franken pro Jahr erlaubt ­zudem die Verwaltung des Online-Zugangs des Nachwuchses und kann auf Wunsch ebenfalls dazu gelöst werden.

Daneben bieten die App einen einfachen Gerätemanager, einen Speedtest, die WLAN-Analyse und einfache Einstellungen für die konfigurierten Netzwerke. Der Funktionsumfang der Mobile App hält sich damit stark in Grenzen und tiefergreifende Einstellungen müssen über das Web-Interface gemacht werden. Uns gefällt diese Aufteilung im Test sehr gut – wer den inneren Nerd wüten lassen will, bevorzugt wohl so oder so die Bedienung mit Maus und Tastatur. Und wer bloss den QR-Code fürs Netzwerk mit ­einem Gast teilen oder einen solchen kurzerhand aus dem Netzwerk werfen will, ist mit der App bereits bestens bedient.

Eine Nummer zu gross

Im Langzeittest besticht das System durch fantastische Abdeckung und hohen Datendurchsatz. Auch in unseren Aussenbereichen kann man neuerdings problemlos 4K-Videos streamen. Über die gesamte mehrwöchige Testdauer haben wir nicht ein einziges Problem registriert. Weiter haben wir, wie bereits schon angemerkt, die Einfachheit der App im Alltag durchaus geschätzt.

Fakt ist aber: Für eine kleine bis mittelgrosse Wohneinheit ist die Orbi-960-Serie masslos übertrieben. Bei einem ­grossen Einfamilienhaus mit hohen Ansprüchen oder im Büro (laut Hersteller lassen sich bis zu 200 Geräte verbinden) macht das System eine gute Figur. Das gilt für die Leistung, den Feature-Umfang und nicht zuletzt auch für das elegante Design der Geräte, die sich damit dezent in modernen Inneneinrichtungen einfügen. Wem weniger Leistung immer noch genügt und wer weniger ausgeben will, sollte sich als Alternative die 760-Serie ansehen (siehe Box). Für die meisten Privatanwender ist die Installation eines Orbi-960-Systems wohl wirklich kaum sinnvoll. Wer aber hohe Ansprüche hat und den wahrlich stolzen Kaufpreis von 1700 Franken nicht scheut, bekommt mit dem System ein WLAN-Mesh fürs (grosse) Heim oder Büro, das sich nicht nur bezüglich Leistung und Handling sehen lassen, sondern auch mit den bevorstehenden Entwicklungen in Sachen Glasfaser-Speed noch locker mithalten kann.
Der kleine Bruder: Netgear Orbi 760

Mit der Orbi-760-Serie bietet der Hersteller eine kleinere und vor allem auch günstigere Alternative zum 960-Flaggschiffmodell, die seit dem Herbst 2022 verfügbar ist. Das ebenfalls dreiteilige System soll eine Fläche von immerhin 525 Quadratmetern abdecken können und bietet ebenfalls WiFi-6-Standard, nur ohne das «E» – sprich ohne 6-GHz-Band, dafür aber ebenfalls mit dem dedizierten Backhaul-Kanal. Auch die 760-Serie lässt sich mit weiteren Satelliten erweitern. Der Preis liegt bei deutlich angenehmeren 700 Franken für das 3er-Set, das zweiteilige System kostet 500 Franken und für weitere Satelliten werden 250 Franken pro Stück fällig.

Netgear-Orbi-960-Serie

Etwas ist die Orbi-960-Serie von Netgear definitiv nicht: billig. Im Prinzip alles andere kann das Flaggschiff-WLAN-Mesh-System aber hervorragend. Speed und Abdeckung sind überzeugend und die Handhabung – von der Einrichtung über die Einstellungsmöglichkeiten bis hin zur praktischen Orbi-­App – ist sehr benutzerfreundlich. Das System für einen normalen Einfamilienhaushalt zu kaufen, schiesst massiv übers Ziel hinaus; für Nerds, hohe Ansprüche oder Büros ist es dank zukunftsorientierter Technologie und nicht zuletzt hübschem Design aber eine passende Lösung.

Positiv
+ einfache und sehr schnelle Einrichtung
+ fantastische Netzabdeckung und hohe Geschwindigkeit
+ zukunftsorientierte Technologie, die auch morgen noch mithalten kann


Negativ
- App verlangt unnötige Account-­Einrichtung
- sehr hoher Preis

Hersteller/Anbieter
Netgear

Preis
3er-Set mit Router und zwei Satelliten: Fr. 1700.–; 2er-Set mit Router und einem
Satelliten: Fr. 1200.–; zusätzlicher Satellit: Fr. 700.–

Wertung
Funktionalität 5,5 von 6 Sternen
Bedienung 5 von 6 Sternen
Preis/Leistung 3,5 von 6 Sternen
Gesamt 4,5 von 6 Sternen (win)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER