«Keine Zeit für Lehrlinge? Das ist verantwortungslos!»
Quelle: Swiss ICT Magazin

«Keine Zeit für Lehrlinge? Das ist verantwortungslos!»

Mit Schnupperkursen für junge Leute macht die Ergon Informatik AG die ICT attraktiv. Im Interview zeigt Geschäftsleiter Patrick Burkhalter auf, mit welchem Erfolg Ergon dies tut.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/03

     

Stimmt es, dass Schülerinnen und Schüler völlig falsche Vorstellungen über den Informatiker-Beruf haben?
Ich hatte 1979 im Rahmen des Mathematikunterrichts an der Kantonsschule 24 Lektionen Programmieren mit Pascal. Da habe ich zum ersten Mal die Faszination des Problemlösens mit dem Computer entdeckt. Heute wird leider in den Schulen der Computer nur als Medium anstatt als Instrument verwendet. Genau darum führen wir Schnuppertage durch. So können die Jugendlichen spielerisch herausfinden, ob ihnen Logik und das Knobeln Spass machen.

Wie könnte man diese falschen Vorstellungen verändern und zeigen, wie spannend denn diese Berufe sind?
Neben den politischen Anstrengungen, den IT-Unterricht wieder in die Schulen zu bringen, muss die IT-Industrie zeigen, was sie tut. Das ist Aufgabe der Verbände, der Firmen und von jedem Angestellten in der IT-Industrie. Wenn möglichst viele von ihren interessanten und abwechslungsreichen Tätigkeiten erzählen, wird sich das Bild der IT in der Öffentlichkeit mit der Zeit verändern.


Ergon engagiert sich stark in der Berufsbild-Förderung. Wie sieht Ihr Konzept aus?
Am wichtigsten sind sicher unsere kostenlose Programmier-Workshops für Schulen. Wir besuchen einzelne Klassen oder Gruppen von Interessierten im Informatikzimmer der Schule. Nach einer Einführung in Scratch können die Teilnehmer selber Hand anlegen und erste Programme erstellen. Den Inhalt passen wir an die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Schulen an. Diese Workshops werden von Ergon Softwareingenieuren und von unseren Lehrlingen begleitet. Dieses Angebot führen wir auch im Rahmen von Ferienplausch-Programmen durch. Dann engagieren wir uns als Firma bei Anlässen zur Berufsbild-Förderung, sei es der Tag der Informatik oder die I-Days im Verkehrshaus Luzern.

Was empfehlen Sie anderen Firmen und den Verbänden?
Nicht jammern, nicht auf andere warten, sondern selber etwas bewegen, denn steter Tropfen höhlt den Stein.

Seit wann bilden Sie Informatiklehrlinge aus?
Unsere beiden ersten Informatiklernenden haben ihr Ausbildung 1999 begonnen und 2003 erfolgreich abgeschlossen. Seither haben elf Jugendliche ihre Ausbildung bei uns absolviert und fünf sind im Moment in Ausbildung. Nächsten Sommer werden gleich vier neue Lernende einsteigen. Wir hatten bei der Auswahl so tolle Jugendliche kennengelernt, dass wir allen eine Chance geben wollten.


Ergon ist ja eine Firma mit weitgehend Hochschulabsolvent/-innen, wie passen da die Lehrlinge?
Die Ausbildung von Informatiklehrlingen ist die wichtigste Massnahme gegen fehlende Berufsleute, bei der wir konkret etwas bewirken können. Eine vierjährige Lehre ist eine sehr gute Basis für jede Tätigkeit in der IT. Dank unserem Bildungssystem stehen nach der Lehre alle Wege offen. Zwei unserer Mitarbeiter haben nach der Lehre als Applikationsentwickler und einem Bachelor-Studium an einer Fachschule den Master an der ETH abgeschlossen.

Wie bewerten Sie die Aussage «Wir bilden keine Lehrlinge aus, die halten Ingenieure nur auf»?
Vielleicht halten Lehrlinge die Ingenieure am Anfang etwas mehr auf. Aber so ab dem dritten Lehrjahr können sie in den Projekten mithelfen. Fast in jedem Informatikprojekt gibt es auch einfachere und repetitive Aufgaben, für die ein Ingenieur überqualifiziert und überbezahlt ist. Dort können Lernende kostensparend eingesetzt werden und für die Lernenden sind diese Aufgaben erst noch herausfordernd und spannend. Dadurch ist allen gedient, auch dem Kunden. Die Ausrede, man habe keine Zeit, sich den Lehrlingen zu widmen, finde ich verantwortungslos. Ausserdem gibt es Verbundmodelle, wenn sich ein Betrieb nicht die ganzen vier Jahre zutraut.

Stehen in der Schweiz genügend Lehrstellen für Informatiker zu Verfügung?
Solange die Schweiz darauf angewiesen ist, dass genügend IT-Fachkräfte aus dem Ausland zu uns kommen und wir auf eine Lehrstelle 50 Bewerber haben stimmt das Verhältnis von Nachfrage nach ausgebildeten Informatikern und dem Angebot von Ausbildungsplätzen nicht. Ich finde es schade, dass es immer noch sehr viele Firmen gibt, die keine Lehrlinge ausbilden. Vielleicht müsste man einfach die Arbeitsbewilligung für einen Nicht-EU-Informatiker daran knüpfen, das der Gesuchsteller in einem zu definierenden Umfang Informatiklehrlinge ausbildet. Es gibt da in Zürich ein paar namhafte Firmen, die dann einige Lehrplätze zu Verfügung stellen müssten.





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