Per Funk die Welt verändern
Fehlende Standards
Eines der grössten Probleme, das derzeit noch einen flächendeckenden Einsatz von RFID verhindert, sind die fehlenden Standards. So köcheln nicht nur in Sachen Software noch die meisten Hersteller ihre eigenen Süppchen, auch bei den Tags selber respektive ihren Identifikationsnummern sowie insbesondere auch bei den genutzten Frequenzen gibt es Probleme: In den USA stehen weit breitere Frequenzbereiche zur Verfügung als in Europa, und solange hier nicht ein globaler Kompromiss gefunden wird, kann sich einer der Hauptvorteile der Technik, nämlich das Management der Produkte in globalen Supply Chains, nicht entfalten.
Eine interessante Idee verfolgt hier das bereits erwähnte Auto-ID-Center, dessen Tätigkeiten weit über die eigentliche RFID-Technik hinausgehen. Das erklärte und keineswegs unbescheidene Ziel der Gruppe: ein Internet der Dinge zu entwickeln und damit die Welt zu verändern. Dazu arbeitet das Team an einem mittlerweile zur Standardisierung vorgeschlagenen Electronic Product Code (EPC) und einer vereinheitlichenden Sprache, die künftig den Standard für ID-Tags setzen sollen.
Der EPC ist eine 96 Bit lange Nummer, die aus einem Header und drei Datengruppen besteht; durch ihre Länge hat sie genügend Kapazität, um in 268 Millionen Unternehmen die Identifikation von jeweils 68 Milliarden Produkten in 16 Millionen Klassen durch eindeutige Seriennummern zu ermöglichen - für Zahlenfanatiker sind das 291'584 x 1021 unverwechselbare Nummern, für alle anderen schlicht Zahlen wie Sand am Meer. Der EPC soll nach der Idee des Auto-ID-Centers auf dem Tag untergebracht werden, während weitere Informationen beispielsweise zur Herkunft und den Lieferwegen des Produkts in einer oder mehreren zentralen Datenbanken gespeichert werden sollen, von wo sie wiederum von den verarbeitenden ERP-Lösungen und Warenwirtschaftssystemen abgerufen werden können. Um die mit RFID verbreiteten Daten über Produkte und Prozesse auch optimal sammeln, interpretieren und verarbeiten zu können, hat das Auto-ID-Center deshalb die neue Beschreibungssprache Physical Markup Language (PML) entwickelt.
Viele offene Fragen
Auch abgesehen von den fehlenden Standards sind noch zahlreiche Probleme ungelöst. Im Vordergrund stehen hier natürlich die physikalischen Einschränkungen der Technologie respektive der Hardware. Radiowellen nämlich sind anfällig auf Störungen: Die Bandbreite möglicher Störquellen reicht von der Luftfeuchtigkeit und anderen wetterbedingten Phänomenen über Metall- und andere Wellen reflektierendem Staub in der Luft von Lagern bis hin zum sogenannten Sonnenwind; aber auch Produkteigenschaften wie ein hoher Metall- oder Wasseranteil kann die Verbreitung der Radiowellen stören. Wie sich solche Störfaktoren auf die Zuverlässigkeit der Datenübertragung im RFID-Umfeld auswirken, ist bisher noch nicht genau erforscht. Ähnliches gilt für das Problem der möglichen Distanzen zwischen dem Reader und den Tags. Was mit einzelnen Produkten problemlos klappt, muss nicht zwingend auch bei kompletten Paletten oder Containern funktionieren, und noch schwieriger wird es bei sich bewegenden Behältnissen (etwa Lastwagen) oder Readern (Gabelstapler im Lager). Hier gibt es zwar interessante Versuche, die sich aber für den Alltag erst bedingt eignen.
Aber auch auf der Software-Seite gibt es noch einiges zu tun. Ungeklärt ist etwa, wo und wie die Unmenge von Produktcodes und der dazugehörigen aktuellen Daten verarbeitet und gespeichert werden sollen; rechnet man noch den möglichen Berg an historischen Informationen zum Produkt dazu, die nach dem Willen vieler Hersteller ebenfalls gesammelt werden sollen, wird die Situation noch prekärer.
Ungelöst sind schliesslich auch verschiedene eher ideologische Probleme. So muss das gesamte RFID-System bezahlt werden, wobei unklar ist, wer welchen Teil der Kosten übernehmen soll, wenn die Supply Chain über das eigene Unternehmen hinausgeht (was eigentlich immer der Fall ist). Auch die unterschiedlichen Interessen der an einer Lieferkette beteiligten Firmen spielen hier eine erschwerende Rolle.
Zahlreiche offene Fragen betreffen den Verbraucherschutz: Welche Daten werden überhaupt gesammelt, und was passiert mit ihnen? Wer übernimmt die Verantwortung dafür? Eine unabhängige, global tätige Stelle für die Sammlung, Verwaltung und Speicherung der Informationen, wie sie dem Auto-ID-Center vorschwebt, müsste ebenfalls zuerst geschaffen und etabliert werden; nicht zuletzt müsste diese Stelle sowohl das Vertrauen der Hersteller als auch der verschiedenen Zwischenstufen bis hin zum Enduser geniessen.
Und nicht zu unterschätzen ist schliesslich das Problem, dass RFID bisher vor allem bei kleinen Spezialfirmen ein Thema ist, die zwar bereits einiges an Know-how besitzen, aber mangels Marktmacht nicht grossräumig umsetzen können. Kommt dazu, dass es derzeit noch kaum konkrete Lösungen gibt, die meisten RFID-Projekte befinden sich seit Jahren im Teststadium.
Angesichts der vielen Fragen, die vor einer flächendeckenden Einführung der RFID-Technik noch beantwortet werden müssen, wirkt der derzeitige Hype doch einigermassen übertrieben.