Die Microsoft-freie IT-Abteilung

Die Microsoft-freie IT-Abteilung

Artikel erschienen in IT Magazine 2002/29

Gründe für und gegen den Einsatz

Die Open-Source-Anhänger führen stets mit Überzeugung eine ganze Reihe von Argumenten für ihre Bevorzugung des Open-Source-Modells an, so zum Beispiel Andrej Vckovski von Netcetera und Rudolf Bahr, Referatsleiter im deutschen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI, das dieser Tage mit diversen OSS-Migrationen von sich reden macht:




• guter Support durch die Entwickler- und Anwendergemeinde;




• keine unzugängliche "Black Box", sondern die jederzeitige Möglichkeit, anhand des offenen Source-Code Fehler zu korrigieren und Funktionalitäten zu überprüfen;




• Einhaltung von Standards und offenen Schnittstellen;




• Modularisierung: Unter mehreren Programmen lässt sich das bestgeeignete und günstigste aussuchen und mit anderen kombinieren;




• vorteilhaftes Lizenzierungsmodell, klar kalkulierbare Lage bezüglich Kosten und Lizenzen;




• Sicherheit durch umfassende Prüfung bei Anwendern und Entwicklern;




• Qualität durch grosse Entwicklergemeinde, sofortige Fehlerkorrekturen und permanente Weiterentwicklung.




Support, Sicherheit und Qualität sind auf der anderen Seite just die Punkte, die OSS-Skeptiker oft ins Feld führen: Wie kann man auf ein Produkt vertrauen, für das nicht ein klar definierter Hersteller, sondern eine sich im ständigen Wechsel befindende Entwicklergruppe verantwortlich ist? Was geschieht, wenn plötzlich keiner mehr Lust hat, das OSS-Projekt X weiterzuführen? Wer ist für den Support und für Problemfälle zuständig - es gibt keinen Hersteller, den man haftbar machen kann.



Die Befürworter des OSS-Einsatzes vermerken, eben gerade die grosse Entwicklergemeinde garantiere Softwarequalität und Support: Die Hauptentwickler jedes OSS-Projekts seien namentlich bekannt, per E-Mail erreichbar und sehr empfänglich für Kritik und Verbesserungsvorschläge. Ausserdem könne auf Basis des offen zugänglichen Source-Code jeder Anwender problemlos seine eigenen Korrekturen und Verbesserungen anbringen.
Verantwortlichkeitsprobleme sehen OSS-Adepten eher bei den proprietären Produkten: Was passiert mit der Software, wenn der Hersteller Pleite macht oder von einer anderen Firma mit konkurrierendem Produktportefeuille aufgekauft wird? So sieht es auch Wolfgang Korosec, Leiter Technologie- und Informationsmanagement an der ETH Zürich: "Die zur Zeit eher beängstigende finanzielle Lage der meisten kommerziellen CMS-Anbieter war ebenfalls ein Einflussfaktor" - die ETH hat sich kürzlich für die Einführung eines Content-Management-Systems auf Basis des OSS-Appservers Zope entschieden.


Anti-Microsoft-Reflex

Der permanente Konflikt zwischen dem US-amerikanischen Justizministerium und dem Hersteller des meistverbreiteten Betriebssystems schlägt sich auch in der EU und besonders bei unseren nördlichen Nachbarn nieder. Rudolf Bahr findet deutliche Worte auf die Frage, ob neben OSS auch andere Szenarien oder der Verbleib beim Monopolisten evaluiert worden seien: "Die Gründe für die Migration lagen im wesentlichen in der unsicheren Situation hinsichtlich der zukünftigen, schlecht kalkulierbaren Kosten durch die neue Lizenzpolitik und dem künftigen Support einiger Produkte der Firma Microsoft. Die generelle Zielvorgabe des deutschen Bundesinnenministers ist es, die Abhängigkeit von dem marktbeherrschenden Unternehmen Microsoft zu verringern. Eine andere Zielvorgabe, übrigens im Einklang mit der EU, ist die Förderung von freier oder Open-Source-Software. Das ist auch insofern logisch, als es nicht sonderlich zweckvoll erscheint, eine proprietäre Lösung durch eine andere zu ersetzen."



Dr. Heinz Frei, IT-Leiter bei Elektro-Material, einem an sieben Standorten mit 400 Mitarbeitern operierenden KMU, betreibt seine Infrastruktur auf der Serverseite seit dem Jahr 2000 auf Linux-Basis. Für die Handelsapplikation und die Bereiche Finanz- und Rechnungswesen kommen seit Jahren AS/400-Systeme zum Einsatz. Als es 1999 um die Vernetzung von 40 PCs ging, wählte die Firma statt der von den meisten beigezogenen Consultern empfohlene kostspielige Variante mit sechs Metaframe-Servern eine OSS-basierte Lösung. Unter Linux laufen heute Logon-, File- und Printserver, Mail- und Intranetserver, der Datenbankserver für das Vertriebsinformationssystem sowie ein Middlewareserver für die Übermittlung von Bestellungen zwischen AS/400- und NT-basierten Systemen. Auf dem Desktop kommt Open Source noch nicht zum Zug, da laut Frei "das Management und die Mitarbeiter sich an Word und Excel gewöhnt haben - ein Umstieg ist kaum möglich. Wenn aber Microsoft mit ihrer Lizenzpolitik die Benutzer weiter verärgert und zu MS Office äquivalente OSS-Produkte auf den Markt kommen, wird sich das eventuell ändern."




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