Die IT hat ihre «politische Unschuld» längst verloren, sie ist «Politik mit anderen Mitteln», konstatierte Branchenexperte und Buchautor Jürgen Müller frei nach Clausewitz in seinem Buch «Zeitenwende». Gemeint ist: IT ist längst mehr als blosse Technik, sondern machtpolitisches Werkzeug, das auf vielerlei Ebenen zum Einsatz kommen kann und kommt. Beispielsweise im Rahmen von staatlich gesteuerten Cyberangriffen, Desinformationskampagnen, Plattform-Monopolen oder, brandaktuell, von Handelsbeschränkungen und Zolldrohungen der US-Regierung unter Trump.
Eine Entwicklung, die jüngst auch hierzulande eine Diskussion befeuert hat, inwiefern US-Cloud-Dienste bald Teil dieses transatlantischen Gezänks werden könnten. Und ob sich vor allem Schweizer Behörden, aber auch Unternehmen, einer etwaigen Abhängigkeit von US-Cloud-Diensten entziehen müssten. Kalkulierbares Risiko oder doch serverbasiertes Damoklesschwert mit drohendem Not-Aus-Knopf? Reichlich Öl im Feuer war die Sperre des Mail-Kontos des Chefanklägers am Internationalen Gerichtshof im vergangenen Mai. Ihr Übriges tat wiederum die Bestätigung (unter Eid) eines Microsoft-Managers vor dem französischen Senat, dass der Redmonder Konzern den Datenzugriff von US-Behörden im Ernstfall nicht verhindern könne.
Und wie sollen Schweizer Unternehmen mit diesem Spannungsfeld umgehen? Überstürzte Flucht aus der Azure-, AWS oder Google-Cloud – oder einfach Augen zu und durch? Zumindest den CISO des Kantons Luzern soll die Kritik an Microsoft-Diensten bereits seinen Posten gekostet haben. Datenschutzexperte Reto Zbinden von Swiss Infosec ruft im Interview mit «Swiss IT Magazine» (ab Seite 36) wiederum zur Rückkehr zu einer sachlichen statt einer primär politisch und moralisch geführten Diskussion auf: «Aktionismus ist fehl am Platz», so seine Überzeugung. Verbunden mit dem Aufruf zumindest zur individuellen Entflechtung von IT und Politik.
Ob letztlich aber pragmatischer oder kritischer Blick: Organisationen jeglicher Couleur sind gut beraten, sich lieber heute als morgen mit dem Thema Datensouveränität auseinanderzusetzen, ihren eigenen Datenbestand genau zu prüfen und zu hinterfragen, welche Informationen wo und wie gespeichert werden sollten. Und ob es für den Fall der Fälle auch Alternativstrategien gibt. Welche Rolle dabei souveräne Cloud-Strukturen (aus Schweizer Rechenzentren) spielen, was «Fiktion und was Wirklichkeit» ist und wie eine detaillierte Risikoanalyse aussehen kann, beleuchten wir in unserem Themenschwerpunkt in der Print-Ausgabe.