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Start-up RWAI: KI-Rückenwind für Support-Teams
Quelle: RWAI

Start-up RWAI: KI-Rückenwind für Support-Teams

Der Ticketpilot des Start-ups RWAI soll Support-Teams aller Art entlasten und deren Effizienz verbessern. Durch Automatisierung können die Ressourcen gezielter eingesetzt werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2025/07

     

KI hat sich im Support-Bereich bereits in Form von Chatbots etabliert, um Kundenanfragen und Probleme entgegenzunehmen. Doch wenn es nach dem Start-up RWAI (ausgeschrieben Real World Artificial Intelligence) geht, lässt sich die neue Technologie mit KI-Agenten noch viel tiefer in den Support-­Prozess integrieren. Einer, der die Support-Welt besonders gut kennt, ist Simon Spalinger, Co-Gründer von RWAI. Spalinger hat zuvor unter anderem bei Avaloq den Bereich Service, Support und Maintenance geleitet. In dieser Funktion war er verantwortlich für den Support-Bereich sowie die im Einsatz befindliche Software. Als dann das Thema generative KI vor rund zwei Jahren massiv Fahrt aufnahm, ahnte er, dass dies eine grosse Veränderung bringen könnte: «Diese Technologie muss ich im Support-Bereich ausprobieren, das hat riesiges Potenzial», sagte er sich damals.

«Support-Agents sehen sich nämlich mit diversen Herausforderungen konfrontiert: Es müssen beispielsweise wiederholt dieselben Kundenanfragen gelöst werden oder man muss auf Tickets zurückgreifen, die nicht sauber aufgearbeitet und dokumentiert sind. Nun schien eine fortschrittliche Lösung in Sichtweite.» Spalinger ging schliesslich auf einen Professor für maschinelles Lernen an der ZHAW, zu. Dieser hatte zwar für eine Firmengründung keine Zeit, verband Spalinger aber mit seinem Doktoranden Lukas Tuggener. Gemeinsam nahmen sie sich der Thematik an, erstellten verschiedene Prototypen und erkannten, dass generative KI und Support hervorragend Hand in Hand arbeiten können.


Schliesslich gründeten die beiden im April 2024 RWAI mit dem Ziel, fortschrittliche KI in den Supportbereich zu bringen – oder, um es mit den Worten Spalingers auszudrücken: «Ich weiss, welche der genannten Probleme wir lösen und Lukas weiss, wie man sie löst.»

Als Duo mit der ZHAW im Rücken unterwegs

Spalinger und Tuggener arbeiteten die ersten Monate allein. Das Duo ent­wickelte weitere Prototypen und spann die Idee weiter, was genau das Produkt für wen machen soll. Dass das Ganze technisch funktionieren wird, war durch vorgängige Tests bereits vor der Firmengründung klar. In einem zweiten Schritt führten die beiden verschiedene Proof-of-Value-Projekte durch, um messen zu können, ob für die künftige Kundschaft tatsächlich ein ausreichend grosser Mehrwert generiert werden kann. Da das Start-up als ZHAW-Spin-Off gegründet wurde, durfte RWAI auf die entsprechende Infrastruktur der Hochschule zugreifen. «Das hat uns das Leben massiv erleichtert, denn die Nutzung der dazu benötigten Technologie hätte uns andernfalls ein Vermögen gekostet», sagt Spalinger. Das Training der KI-Modelle über die Nutzung des Clusters der ZHAW war somit ein Startvorteil. Denn zu Beginn waren die Ressourcen knapp. Angefangen haben Spalinger und Tuggener mit ihren persönlichen Ersparnissen, erst im März dieses Jahres wurden Investoren gewonnen. Mittlerweile konnte RWAI ausserdem einen CTO sowie eine Marketingverantwortliche für sich gewinnen. Darüber hinaus kann das junge Unternehmen auf einen Beirat, bestehend aus zwei Personen, zurückgreifen. So aufgestellt rechnet Spalinger damit, im Sommer 2026 die finanzielle Eigenständigkeit zu erreichen.

Wissen mittels KI nutzbar machen

Das Zugpferd ist dabei das erste und vorerst einzige Produkt der Firma, der ­Ticketpilot. Dabei handelt es sich um eine KI-basierte Software, die von Support-Mitarbeitenden zur Erstellung und Bearbeitung von Tickets genutzt werden kann. Wobei die Software nicht nur für einfaches Ticketing verwendet werden soll, denn «unsere Vision ist es, aus Ticketing Knowledge-Management zu gestalten», so Spalinger. Die Kernidee der Applikation sei es, das umfangreiche Wissen im System mittels KI nutzbar zu machen. In der Praxis könne der Ticket­pilot etwa eine Problemstellung automatisch einem Team zuweisen. Erkennt die KI ferner, dass ein identisches Problem in der Vergangenheit bereits erfolgreich gelöst worden ist, so kann die Software automatisch eine Lösungsanleitung generieren, die dann dem Kunden versendet wird. Spalinger fügt an, dass diese Features auch über mehrere Sprachen hinweg funktionieren – besonders praktisch für die mehrsprachige Schweiz.

Für alle Branchen geeignet

Obwohl man Support schnell mit ICT in Verbindung bringt, lässst sich Ticketpilot branchenübergreifend einsetzen, und zwar überall dort, wo in irgendeiner Form ein Support-Prozess besteht. Da diese Prozesse grundsätzlich bei den allermeisten Einsatzgebieten ähnlich sind, ist Ticketpilot im Prinzip out-of-the-box anwendbar. «Natürlich braucht es bei jedem Kunden noch ein Feintuning und auch ein Modelltraining, aber innert weniger Tage ist Ticketpilot für den produktiven Betrieb einsetzbar», bekräftigt der RWAI-Gründer.

Wichtig sei nicht die Branche, sondern die Grösse des Unternehmens. Damit die KI sinnvoll funktioniert und sich der Einsatz auch lohnt, sollten jährlich mindestens 1000 Support-Fälle bearbeitet werden. Ist diese Voraussetzung erfüllt, gibt Spalinger an, dass Support-Teams mit der Nutzung von Ticketpilot mit einer Aufwandsreduktion von rund 20 Prozent rechnen können. Auch das Preismodell basiert auf dieser Optimierungsrate: RWAI kassiert quasi durch die Einsparungen des Kunden eine Provision. «Als Faustregel können wir sagen, dass ­Ticketpilot ein Prozent des Aufwandes für Service-, Support-, und Maintenance-­Bereichs kostet, auf 100 Franken Ausgaben für Service-, Support und Maintenance fällt also 1 Franken Nutzungsgebühr für Ticketpilot an.


Bei KI-Tools ist zudem der Datenschutz ein Thema, was insbesondere bei Anbietern ausserhalb Europas zur Herausforderung wird – ein Aspekt, bei dem RWAI punkten kann. Betreiben lässt sich Ticketpilot entweder On-Premises oder auf Azure AI Services von RWAI. So oder so nutzt das Unternehmen Daten nur innerhalb eines Kunden, trainiert also keine kundenübergreifenden Modelle.

Telefon-Support aufs nächste Level bringen

RWAI hat nebst dem Ticketpilot vorerst kein weiteres Produkt, bietet aber Beratungen rund ums Thema KI als Dienstleistung an. Insbesondere evaluiert RWAI beim Kunden, ob und in welchen Bereichen eine KI-basierte Software sinnvoll und wirtschaftlich eingesetzt werden kann. Falls dann eine spezifische Software-Entwicklung gewünscht ist, kann diese anschliessend von einem Partnerunternehmen umgesetzt werden. Diese Beratung bietet das Unternehmen aber nur für Schweizer Kunden an. Der Vertrieb von Ticketpilot erfolgt wiederum hauptsächlich im DACH-Raum, doch grundsätzlich ist man diesbezüglich offen für einen internationalen Vertrieb, ohne diesen jedoch zu priorisieren.


Forcieren möchte Spalinger stattdessen lieber ein neues Feature, nämlich den Telefon-Support bei Ticketpilot. Denn bei ­telefonischen Support-Fällen wird oftmals kein oder nur ein rudimentäres Ticket erstellt, das für künftige (ähnliche) Fälle keine oder kaum verwertbare Daten beinhaltet. An dieser Stelle soll Ticketpilot bei telefonischen Fällen also automatisch ein verwertbares Ticket erstellen. In einem weiteren Schritt soll die KI bei Telefongesprächen mithören und basierend auf dem Gespräch dem Support-Agenten Handlungsempfehlungen präsentieren. Abschliessend bezüglich neuer Features meint Spalinger, dass mit der sich anbahnenden Ära der KI-Agenten noch sehr viele neue Möglichkeiten entstehen ­werden. (dok)


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