Machtspiele in IT-Projekten

Trotz einer legeren Arbeitsatmosphäre kann man in IT-Projekten zuweilen filmreife Spielchen und Machtkämpfe erleben. Wie verhält man sich in solchen Situationen richtig?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/04

     

Von Yasmine Limberger

Auch unter IT-Spezialisten gibt es Alpha-Tiere und diejenigen Personen, die sich eher zurücknehmen. Es gibt neben den Kumpeltypen auch die Widersacher, Künstler und Diven, die keine Götter neben sich dulden. Und man begegnet auch dem analytischen Nachdenker und dem ungeduldigen Macher, genauso wie dem einfühlsamen Sensiblen und dem meinungsbildenden Anführer. Treffen verschiedene Charaktertypen aufeinander, kommt es vor allem in Stresssituationen zu Konflikten, Auseinandersetzungen oder zu einer längeren Funkstille, welche die Zusammenarbeit enorm hemmen. Die Rede ist hier nicht von Mobbing, sondern von den alltäglichen Querelen unter Fachleuten in IT-Projekten oder Abteilungen.

Rein faktisch verbringt man bei einem 40-Stunden-Job täglich mehr aktive Zeit mit seinen Kollegen, Mitarbeitern und seinem Vorgesetzten als mit seinem Partner, der Familie oder Freunden. Deshalb sollte man einen Weg finden, effizient und auch mit ein bisschen Spass zusammenzuarbeiten. Gerade unter rational denkenden Fachkräften erlebt man jedoch häufig, dass vieles in Frage gestellt wird, dass alles erläutert werden muss und, dass Diskussionen über die richtige Vorgehensweise unendlich in die Länge gezogen werden.

Hinzu kommt, dass in heutigen IT-Projekten jeder seine Rolle ausübt und seine eigene Agenda verfolgt. Das gemeinsame Ziel geht dabei verloren. Vielmehr konzentriert sich jeder auf seinen eigenen Plan, was dazu führt, dass die Teile am Ende oft nicht mehr zusammenpassen. Die teamorientierten Kollegen merken das schnell und weisen auf das Projektziel und die einzelnen Hürden und Meilensteine hin, die es bis dahin zu überwinden gilt. Dennoch müssen sie sich mit den Energie raubenden, politischen Spielchen einiger Kollegen herumschlagen. Auch der Projektleiter oder Vorgesetzte können die unnötigen Reibereien und Machtkämpfe nicht aufhalten und müssen das Team immer wieder so gut es geht zusammenführen. Wie aber verhält man sich, um nicht selbst zum Spielball zu werden? Kann man das überhaupt verhindern und welche Regeln sollte man beachten, um einerseits nicht unter zu gehen und sich andererseits nicht in der Gruppendynamik zu verzetteln?

Abweisendes Verhalten nicht persönlich nehmen

Als erstes muss man sich fragen, wo das kontraproduktive Verhalten der Kollegen seine Ursache hat. Oft nimmt man unqualifizierte Kritik sehr persönlich und ärgert sich, dass man mit seinem Ansatz nicht weiterkommt und einige Kollegen immer wieder neue Ideen blockieren. Konstruktive Kritik ist dabei immer zu reflektieren, aber meist liegt das abweisende Verhalten der anderen an deren persönlicher Unzufriedenheit, Überlastung oder an negativen Erfahrungen in der Vergangenheit. Man muss die wahren Gründe herausfinden, um die abblockenden Kollegen von seinem Weg zu überzeugen. Meist hilft da nur, konkret nachzufragen, was das Problem ist und warum der oder die Kollegen die vorgestellten Ideen ablehnen.

Sachlich bleiben

Wichtig ist, sich von der miesen Stimmung der Kollegen nicht anstecken zu lassen, und sich nicht im Ton zu vergreifen. Dadurch würde die Situation eskalieren. Eine angepasste, professionelle Art der Kommunikation ist die wichtigste Voraussetzung, um auch in Konfliktsituationen die eigene Reputation im Unternehmen nicht aufs Spiel zu setzen. Auf lautstarke Rückmeldungen sollte man daher besonders ruhig und bedacht reagieren und seine Argumente sachlich betonen. Beliebte Spielchen sind auch das Verschicken von unsachlichen, unangebrachten Mails. Wenn man sich so richtig über das Verhalten eines Kollegen geärgert hat, wird eine Nachricht mit einer deutlichen Ansage an die betreffende Person an einen grösseren Verteiler geschickt. Die E-Mail ist voll von Schuldzuweisungen und «Wenn, dann»-Formulierungen. Eine solche emotionsgeladene E-Mail löst oftmals eine regelrechte Lawine an neuen Nachrichten aus. Jeder muss in ähnlicher Weise seinen Senf dazu geben und schreibt sich den Frust von der Seele. Solches Verhalten ist der Zusammenarbeit wenig zuträglich und sorgt über lange Zeit für eine schlechte Stimmung. In solchen Situationen sollte man also lieber zum Telefonhörer greifen oder den Kollegen persönlich ansprechen. Auch wenn das schwerer fällt, als ihm per E-Mail die Meinung zu geigen. Mitarbeiter verhalten sich kommunikativ professioneller, wenn Konflikte offen, sachlich und direkt geklärt werden.

Stellung beziehen und standhaft bleiben

Oft besteht die Gefahr, dass ein Kollege oder auch der Chef versucht, einen auf seine Seite zu ziehen, um Befürworter seiner Strategie zu gewinnen und eine stabile Front gegen andere Abteilungen oder Bereiche aufzubauen. Hier sollte man klar Stellung beziehen und sich nicht zu Dingen überreden lassen, von denen man nicht überzeugt ist. Vor allem sollte man deutlich machen, dass man sich seiner eigenen Abteilung gegenüber loyal verhält und an Machtspielchen nicht interessiert ist. Wer sich einmal in diesen Teufelskreis begeben hat, wird bemerken, dass die Fronten sich immer mehr verhärten und das Teamwork mit anderen immer schwieriger wird.

Persönliches Netzwerk im Unternehmen nutzen

Statt Gegner sollte man eher Partner im Unternehmen suchen, die einen kompetenten Ruf geniessen und ebenfalls Wert auf zielorientiertes Arbeiten legen. Gleichzeitig sollte man sich in seinem Umfeld ein verlässliches Netzwerk aufbauen und die Agenda der anderen Bereiche kennen, um die Ziele aufeinander abstimmen zu können.

Präsent sein

Wer immer nur aus der Versenkung auftaucht, um mal kurz seine Meinung dazuzugeben, darf sich nicht wundern, wenn er auf Widerstände oder Skepsis stösst. Nur wer sich für die Belange und die Arbeit seiner Kollegen und Mitarbeiter interessiert und sich darüber auch regelmässig informiert und austauscht, gewinnt Vertrauen und findet Gehör für seine Ideen.

Verständnis zeigen und positive Formulierungen wählen

Man muss es nicht jedem Recht machen, aber wer sich in die Situation der Kollegen hineinversetzt, kann zumindest bei seiner Argumentation überzeugender auftreten. Was motiviert die Mitstreiter? Welchen Nutzen wollen sie aus dem IT-Projekt ziehen und warum könnten sie einzelne Aktionen als störendes Hindernis empfinden? Was spricht aus eigener Sicht, aber auch aus der Sicht der anderen dafür, eine bestimmte Methode zu wählen oder sich für ein spezielles Tool zu entscheiden? Man sollte immer die Vorteile darstellen, statt sich auf eine «Ja, aber»-Diskussion einzulassen.

Humor statt Sarkasmus

Ist die Stimmung im Team am Boden und aus dem Projekt die Luft raus, dann sollte man wieder neue Energie reinbringen, indem man für eine aufgelockerte Atmosphäre sorgt. So kann eine Status-Präsentation beispielsweise mit einem Comic, der zum Thema passt, begonnen oder eine lustige Anekdote aus vergangenen Projekten erzählt werden – aber nie auf Kosten anderer.

Konflikten vorbeugen

Mitarbeiter sollten missmutigen Kollegen den Wind aus den Segeln nehmen, indem sie deutlich machen, dass alle an einem Strang ziehen. Man sollte zeigen, dass man zum Teil mit denselben Problemen zu kämpfen hat, und dass man bisherige Leistung zu schätzen weiss. So sollte man Lobes- oder Respektbekundungen gezielt, aber angemessen einsetzen.

Kennenlernen ausserhalb der Arbeitszeit

Wenn man selbst der Vorgesetzte oder der Projektleiter ist oder die Möglichkeit hat, gezielte Teambuilding-Aktivitäten zu organisieren, dann sollte man diese Chance nutzen, um die Kollegen in einer ungezwungenen und informellen Atmosphäre besser kennenzulernen. Arbeitsthemen sollten dabei tabu sein. Es geht darum, persönliche Gemeinsamkeiten zu finden. Dabei müssen effektive Teambuilding-Massnahmen nicht immer mit Extremsituationen verbunden sein. Beliebt sind bei Anbietern von Teamcoaching-Seminaren etwa Aktionen wie Klettern im Hochseilgarten oder eine Rafting Tour. Dabei soll ein neues Teamgefühl entstehen, indem man erkennt, dass man sich auf den anderen verlassen kann, wenn es darauf ankommt. Der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen, wenn sich der wasserscheue Kollege mit Höhenangst als Angsthase outen muss und nun endgültig den Spott der anderen auf sich zieht. Bevor man solche Anlässe durchführt, sollte man daher das Team genau kennen und einschätzen können, ob diese Aktion auch den gewünschten Erfolg erzielen kann. Oft reicht es letztlich auch, sich einfach regelmässig mal auf ein Bier in einem Lokal in der Nähe zusammenzusetzen und Billard oder andere verhältnismässig ungefährliche Sportarten gemeinsam auszuüben.

Konsequent bleiben

Klarheit im Verhalten gibt Unsicherheiten keinen Spielraum. Wer etwa Entscheidungen oder Strategien im Team verkünden und verantworten muss, der sollte nicht den Anschein erwecken, durch die ablehnende Haltung einiger Kollegen alles noch mal zu überdenken. Vielmehr sollte man zu verstehen geben, dass man nicht mehr bereit ist, diese Entscheidung zu diskutieren, wohl aber offen ist für Spielräume beispielsweise bei der Umsetzung oder der Vorgehensweise. Die heutige Projektgesellschaft erwartet teamorientiertes Verhalten statt Patriarchismus. Dennoch können Diskussionen nicht bis ins Unendliche geführt werden und es muss eine Lösung gefunden werden, die den bestmöglichen Nutzen aller Beteiligten sicherstellt. Entscheidungen müssen bei der heutigen Dynamik in IT-Projekten zeitnah getroffen werden, anstatt von allen als gut befunden zu werden. Was zählt ist das Ergebnis und nicht, dass alle immer mitreden oder einer Meinung sind.

Die Autorin

Yasmine Limberger ist bei Avanade, einem Anbieter für IT-Business-Solutions, verantwortlich für das Personalmarketing in Deutschland und der Schweiz. Sie ist Autorin des Buches: «IT-Survival Guide- Karriere- und Alltagsratgeber für Einsteiger und Professionals in der IT-Branche» und hat mehr als zwölf Jahre Erfahrung in der Auswahl von IT-Fach- und Führungskräften.


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