Schweiz im E-Government-Rückwärtsgang

Laut einer aktuellen, weltweiten E-Government-Studie ist die Schweiz ins osteuropäische Mittelfeld abgerutscht. Die Politiker stecken derweil den Kopf in den Sand.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/19

     

Die Schweizer E-Government-Bemühungen sind ins Stocken geraten. Im letzten Jahr sind wenig nennenswerte Fortschritte erzielt worden. Jetzt präsentiert die amerikanische Brown University die Quittung: Unser Land ist im internationalen Vergleich innerhalb nur eines Jahres von Rang 11 auf Rang 62 zurückgefallen. Einer der Hauptgründe für diesen Absturz ist das weitgehende Fehlen von Transaktionsmöglichkeiten.





«Wir wissen, dass wir bei internationalen Benchmarks ein Problem haben», reagiert Louis Belle, Projektleiter von eVanti.ch, auf die ernüchternden Ergebnisse aus den USA. Auch in anderen internationalen Vergleichsstudien rutschte die Schweiz in den letzten Jahren nämlich kontinuierlich auf das Niveau von Schwellenländern ab. Die Brown University klassiert uns derzeit mit 27,6 von 100 möglichen Punkten knapp unter dem Durchschnitt der osteuropäischen Staaten von 28,0 Punkten. Die führenden Nationen Taiwan, Singapur, USA und Kanada kommen auf 40,3 bis 44,3 Punkte. Die Studie bewertet die Möglichkeit von Online-Services, den Zugang zu Datenbanken, Publikationen, Video- und Audioinhalten, das Vorhandensein von Privacy- und Security-Policies sowie den behindertengerechten Zugang. Grosse Defizite weist die Schweiz in allen Punkten mit Ausnahme der Erreichbarkeit von Publikationen und Datenbanken auf.






Die zuständigen Behörden verweisen im Zusammenhang mit den immer schlechter werdenden Bewertungen in erster Linie auf den Föderalismus, der ein koordiniertes Vorgehen stark erschwere. Als zweiter Erklärungsgrund wird von den Verwaltungsorganen aber immer mehr auch der fehlende politische Wille hervorgehoben. Belle wünscht sich in diesem Zusammenhang eine anerkannte Autorität als «Mister E-Government», die einiges in Rollen bringen könnte. Ein Wunsch der allerdings auch schon länger im Raum steht, ohne dass irgend etwas in dieser Richtung passiert wäre. Die Frage lautet demnach, wie weit hinten unser Land noch klassiert werden muss, bis die Politik realisiert, dass es bei E-Government nicht einfach um eine Verwaltungsform von E-Commerce geht, sondern um die Digitalisierung der Verwaltung und damit um Effizienz und Standortvorteile für unsere Wirtschaft.





Bei eVanti.ch arbeitet man zur Zeit an einem Cockpit, um die föderal zergliederten E-Government-Bemühungen gesamtschweizerisch erfassen und Fortschritte sowie Defizite gezielt eruieren zu können. Die Überwachungskonsole soll Ende 2004 in einer Beta-Version produktiv werden. Vielleicht öffnet ja die Visualisierung des Rückstands einigen Politikern die Augen.




Die E-Government-Rangliste der Brown University




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